Markelsheim. Männer sind in der Geburtshilfe noch immer eine Seltenheit: Rund 50 gibt es momentan in Deutschland. Erst seit 1987 dürfen sie diesen Beruf ausüben. Zu diesem Zeitpunkt war der heute 31-Jährige noch gar nicht auf der Welt – und hatte auch später erst einmal nicht vor, Hebamme zu werden.
Der Weg zu seinem Traumberuf war lang. Nach seinem Abitur begann er am Krankenhaus in Tauberbischofsheim die Ausbildung zum Krankenpfleger und studierte später Medizin in Ungarn und der Slowakei. Nach einigen Semestern kehrte er zur Krankenpflege zurück und arbeitete in einem Düsseldorfer Krankenhaus.
Mitten in den Prüfungen
Dort war er auf der Wochenbettstation tätig: „Und da wusste ich, das ist mein Bereich, hier möchte ich arbeiten und nirgendwo anders. Also beschloss ich, zusätzlich die Hebammenausbildung zu absolvieren, denn ich fand es sehr schade, die Frauen nur zwei, drei Tage nach der Entbindung betreuen zu können.“ Über 80 Bewerbungen verschickte er danach bundesweit und bekam schließlich in Bochum eine Lehrstelle. Momentan steckt er mitten in den Prüfungen – bis März finden die Examen statt.
Wenn alles klappt, wird er ab 1. April eine stolze Hebamme sein.
Doch was faszinierte ihn denn so sehr auf der Wochenbettstation, dass es für ihn nur noch diesen einen Weg gab? Kilian Lanig antwortet – und die Worte sprudeln förmlich aus ihm heraus: „Es hat mir so gut gefallen, die Frauen und Familien in dieser erfüllenden Lebensphase betreuen zu können. Die Geburt eines Kindes ist schließlich eines der wichtigsten Ereignisse im Leben. Es ist mir einfach ein Anliegen, die Eltern so gut zu unterstützen und anzuleiten, dass sie sich aus ganzem Herzen über ihr Kind freuen können.“
„Der Kampf lohnt sich“
Bei den Geburten, die er bislang betreute, war immer eine examinierte Hebamme mit dabei. Das dabei Erlebte bestärkte ihn noch in seiner Entscheidung. „Eine Geburt ist immer eine Ausnahmesituation. Oft stellt sie einen harten Kampf dar, aber dieser Kampf lohnt sich. Wenn das Kind erst einmal da ist, dann sind alle Schmerzen vergessen. ,Die Geburt eines Kindes ist wie die Entstehung einer neuen Welt’, sagt der Autor Achim Schmidtmann. Und das stimmt. Dinge, die vorher wichtig erschienen, sind auf einmal komplett unwichtig. Der Fokus ist dann nur noch auf das Kind gerichtet.“
Doch natürlich ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen in der Geburtshilfe. Kilian Lanig weiß von Frauen oder Paaren, bei denen sich der Lebenstraum Kind einfach nicht erfüllen mag, bei denen auch die siebte Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt endete. Er weiß von ungewollten Kindern. Oder von Kindern, die mit einer Behinderung auf die Welt gekommen sind.
Deshalb sagt er auch: „Die Hebammenbetreuung ist allumfassend. In dieser kurzen Zeit, in der man mit einer werdenden Mutter und der Situation, in der sie sich befindet, zu tun hat, gilt es, einen guten Draht aufzubauen, so dass unter der Geburt ein Vertrauensverhältnis da ist und man sie im Wochenbett gut beim gegenseitigen Kennenlernen von Mutter und Kind betreuen kann“ – Kilian Lanig ist auch geschulter Stillberater.
Doch: Wie kann ein Mann denn eigentlich wissen, wie sich Wehen anfühlen, wie schmerzhaft sie sind? „Es gibt Wehensimulatoren, die die Bauchmuskeln ,traktieren’. Männer haben ja keinen Uterusmuskel. Man kann also nur die Intensität simulieren, nicht aber das Empfinden bei einer Wehe“, sagt er.
Und wie reagieren Frauen, wenn sie erfahren, dass ein Mann sie durch die Geburt hindurch begleiten wird? Kilian Lanig, über den auch schon verschiedene Fernsehsender berichtet haben, antwortet: „Viele sind begeistert, viele betrachten es komplett neutral. Es gibt aber auch Frauen, die eine Betreuung durch einen Mann nicht haben wollen.“
„Viele Männer überfordert“
Bei den werdenden Vätern dagegen ist die Lage viel eindeutiger: „Die allermeisten sind froh, wenn ein anderer Mann dabei ist, der ihnen sagt, was sie tun können. Viele sind einfach überfordert, wenn sie ihre Frauen so schmerzbelastet erleben und nicht helfen können. Manchmal findet bei der Gebärenden ja auch eine kleine Wesensveränderung statt“, sagt er und lacht.
Ein Vater sei jedoch trotz Lanigs stärkender Anwesenheit fast umgekippt: „Er hat es gerade noch geschafft, sich auf den Stuhl zu setzen.“
Wie finden es eigentlich seine Eltern, dass ihr Sohn eine Hebamme ist? „Sie haben mich immer unterstützt“, erklärt er und fährt fort: „Ihnen ist einfach nur wichtig, dass mir der Beruf Spaß macht. Sie spüren, wie sehr mich diese Aufgabe glücklich macht. Ich könnte mir keine erfüllendere Tätigkeit vorstellen.“
Beruf des Vaters prägend
Der Beruf des Vaters als Landarzt habe auch seine Kindheit geprägt: „Meine Geschwister und ich mussten oft zurückstecken, wenn jemand anderes seine Hilfe brauchte. Er war immer sehr eingebunden in seine Arbeit. Doch durch ihn habe ich auch diesen Wunsch in mir, zu helfen. Er hat mir Empathie vorgelebt.“
Übrigens gibt es durch Kilian Lanig auch Kinder, die nun seinen Vornamen tragen: „Zwei Elternpaare haben sich für ,Kilian‘ entschieden, weil sich der Name bereits in der engeren Auswahl befand und sie mit meiner Betreuung so zufrieden waren“, sagt er und lächelt.
Zukunftsgedanken
Nun fehlen aber noch zwei ganz entscheidende Fragen in unserem Gespräch: Wie sieht es denn mit eigenem Nachwuchs aus?
Und wird er seine Kinder dann selbst auf die Welt holen?
Der junge Markelsheimer, der immer noch sehr mit seiner Heimat verbunden ist, lacht und sagt: „Ich hätte gerne Kinder und glaube, dass ich mit meiner Freundin, einer gebürtigen Röttingerin, die richtige Frau gefunden habe. Bei der Geburt möchte ich in erster Linie die Vaterrolle einnehmen, aber das wird mir wahrscheinlich nicht ganz gelingen.“
Er meint: „Ich denke, ich werde dann beides sein – helfende Hebamme und unterstützender Vater. Was ich jedoch ganz sicher weiß: Ich möchte eine kompetente, empathische Hebamme dabeihaben.“
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