Markelsheim/Bad Mergentheim. Es war kein ganz alltäglicher Verkehrsunfall, mit dem es die Polizei im August 2023 bei Markelsheim zu tun hatte. Fast schon banal klang dagegen die Anklage gegen einen 25-Jährigen, die nun vor dem Amtsgericht Bad Mergentheim verhandelt wurde. „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ warf die Staatsanwaltschaft Ellwangen dem jungen Mann vor.
Doch von vorne: Anfang August 2023 wurde die Rettungsleitstelle gegen 2 Uhr über eine angeblich betrunkene Person, die ärztliche Hilfe benötige, auf einem Grundstück an der Apfelbacher Straße informiert. Als der DRK-Rettungsdienst vor Ort eintraf, stellte sich schnell heraus, dass ein Unfallgeschehen zu schweren Verletzungen einer Jugendlichen geführt hatte. Sie kam ins Krankenhaus. Die damals 16-Jährige, die eine Party auf einem Wiesengrundstück in der Nähe des Auffindeortes besucht hatte, war offensichtlich von einem Auto schwer verletzt worden. Der Wagen samt Fahrer war flüchtig. Die Polizei ermittelte mit Unterstützung von Kollegen aus Künzelsau und des Verkehrsdienstes der Autobahnpolizei aus Tauberbischofsheim bis in die Mittagsstunden am Samstag und konnte so den heute 25-Jährigen W. als vermeintlichen Unfallverursacher ermitteln. W. soll beim Abholen eines Bekannten die 16-Jährige überrollt haben. Da er beim ersten Mal davon ausging, einen Stein überfahren zu haben, fuhr er wieder vorwärts – und erfasst die Jugendliche ein zweites Mal.
Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Ermittlungen wegen Unfallflucht und Körperverletzung eingeleitet. Übrig blieb von den Vorwürfen nur die Unfallflucht, weshalb ein Strafbefehl mit einer Geldstrafe „im unteren vierstelligen Bereich“ erlassen wurde. Aufgrund eines Einspruchs wurde nun vor dem Amtsgericht verhandelt.
Allzu viele Informationen zum Tatablauf brachte der Prozess nicht zutage. Der Angeklagte erklärte, er habe an jenem Abend einen „sehr stark alkoholisierten Kollegen“ abholen wollen. „Es war schlechte Sicht durch die Dunkelheit und den Regen“, schilderte er. Nachdem er im Auto gemerkt hatte, dass er etwas überrollte, will er im Spiegel zwar etwas gesehen, dieses jedoch aufgrund schlechter Sichtverhältnisse nicht als Menschen erkannt haben. Er sei ausgestiegen, um sich das genauer anzusehen, doch „Kollegen“ hätten ihn aufgefordert, „abzuhauen, bevor die Polizei kommt.“
„Der größte Fehler meines Lebens“, sagte er dazu jetzt vor Gericht und gestand die Tat grundsätzlich ein. Denn das von ihm Überrollte war eben die schwer verletzte Person, laut Akte waren Becken und Hüfte der jungen Frau gebrochen. In einem „Schockzustand“ habe er im Nachhinein gegenüber der Polizei angegeben, von einem Stein ausgegangen zu sein. Ob es tatsächlich laute Schmerzensschreie gegeben habe, wie vom Gericht angesichts der schweren Verletzungen vermutet, blieb unklar
Zweites Fahrzeug am Unfallort wurde nicht ermittelt
Nahezu beiläufig beantwortete sich auch die Frage, weshalb der Angeklagte W. nun lediglich wegen Unfallflucht und nicht auch wegen Körperverletzung angeklagt wurde. Denn es blieb laut Staatsanwaltschaft unklar, ob W. die Frau mit seinem BMW lediglich touchiert oder tatsächlich überrollt hatte. Eine Untersuchung des Fahrzeuges ergab lediglich, dass es einen Kontakt zu der 16-Jährigen gab. „Das Ausmaß der Berührung mit dem Auto des Angeklagten ist nicht ganz klar“, fasste Staatsanwalt Patrick Schmidt zusammen. Denn Schmidt erwähnte noch ein zweites Fahrzeug, das an jenem Abend diesen Weg gefahren sei und als Verursacher der schweren Verletzungen infrage komme. Man habe dieses jedoch nicht ermittelt. Deshalb klagte die Staatsanwaltschaft die Körperverletzung auch nicht an.
Denkbar also, dass die Jugendliche damals doppeltes Pech hatte und von mehreren Autos überrollt bzw. angefahren wurde. Ebenfalls denkbar, dass es einen Haupttäter gibt, der nicht ermittelt wurde. Für Friedl war jedenfalls auch mit Blick auf den W. klar: „Über einen Menschen zu fahren, ist nochmal was anderes. Auch wenn Sie die Verletzungen nicht verursacht haben: Selbst durch Touchieren haben Sie Schmerzen verursacht.“
Der Grund für den Einspruch des Angeklagten war vor allem der ebenfalls im Strafbefehl festgelegte Entzug der Fahrerlaubnis samt Sperrfrist von mehreren Monaten. Denn dies galt für alle Fahrzeugklassen. Ein Problem für den Berufskraftfahrer, der so seinen Beruf nicht ausüben könnte. Er strebte daher eine Ausnahme für die Klassen C und CE an, sodass er Lkw mit höherem Gewicht trotz ansonsten bestehendem Fahrverbot für Pkw weiter bedienen könne. Dem stimmten Anklage und Gericht letztlich zu, man wolle „keine berufliche Existenz vernichten“.
Durch den Einspruch verschlechterte sich das Urteil aus Sicht des Angeklagten dennoch. Aufgrund eines deutlich höheren Gehaltes als bisher angenommen erhöht sich die Geldstrafe: Statt wie bisher 40 Tagessätze zu je 40 Euro muss er nun 40 Tagessätze zu je 80 Euro, also gut 3.000 Euro, zahlen. „Der Fall schlug hohe Wellen, wenngleich das Mädchen durch ihr Verhalten natürlich eine Mitschuld trägt. Solche Fälle des Überrollens sind gar nicht so selten, nach dem Feiern bleiben öfter mal Leute betrunken am Straßenrand oder auf Feldwegen liegen“, so Richterin Susanne Friedl hierzu abschließend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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