Hausarztversorgung

Bad Mergentheim: Firma „Medicas“ weist Vorwürfe zurück

Unstrittig ist, dass Löhne an die Mitarbeiter dreier Hausarztpraxen in Bad Mergentheim nicht ausgezahlt wurden. Deshalb sind sie alle seit zehn Tagen zu. An einer Lösung für die Patienten wird gebastelt. Parallel gibt es rechtlichen Streit.

Von 
Sascha Bickel
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Ein leeres Behandlungszimmer einer Hausarztpraxis: In drei Praxen in Bad Mergentheim geht aktuell gar nichts – sie sind geschlossen. © dpa

Bad Mergentheim/Mannheim/Crailsheim. Wer trägt die Verantwortung? Wer hätte die Löhne für die Mitarbeiter der drei nun geschlossenen Hausarztpraxen in der Kurstadt bezahlen müssen? Die ärztliche Standortleiterin Silke Stahnke verweist auf „die Betreiberfirma Medicas aus Mannheim“, während diese wiederum nach einer Woche des Schweigens – trotz mehrfacher Anfragen unserer Zeitung – „die Situation in Bad Mergentheim sehr bedauert“ und „die Praxisinhaberin Silke Stahnke“ verantwortlich „für die Zahlung von Löhnen und Gehältern“ sieht.

„Scherbenhaufen“

Für tausende Patienten in der Kurstadt ist die Lage unübersichtlich und sie müssen sich momentan in Notfällen an die anderen, verbliebenen Hausarztpraxen in Bad Mergentheim und Umgebung wenden. Die Kreisärzteschaft sprach vergangene Woche bereits von einem „Scherbenhaufen“.

Hinter den Kulissen wird fieberhaft an einer Ersatzlösung gearbeitet. Ein größerer rechtlicher Streit bahnt sich zudem an.

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Steffen Raetzer, Mitgründer und Geschäftsführer von „Medicas“ in Mannheim, teilte unserer Zeitung auf wiederholte Anfrage Anfang der Woche schriftlich mit, dass es das Ziel seines Unternehmens sei, die hausärztliche Versorgung zu stärken, „in dem wir die Praxen in die nächste Generation führen“.

Weiter teilt Raetzer mit: „Die aktuellen Ereignisse in den drei betroffenen Praxen sehen wir daher mit großer Sorge. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die medicas GmbH Dienstleister für nicht-medizinische Aufgaben – IT, Einkauf, Beratung, Personalsuche, etc. – ist. Die medicas GmbH hat keine Trägereigenschaft, darf keine Hausarztpraxen betreiben, darf keine medizinischen Leistungen erbringen und auch keine medizinischen Leistungen abrechnen. Dies obliegt dem Sitzinhaber, in diesem Fall Frau Stahnke.“

Unstrittig sei, so erklärt Steffen Raetzer, „dass Löhne an die Praxismitarbeiter nicht gezahlt wurden“. Und er fügt an: Verantwortlich für die Zahlung von Löhnen und Gehältern sei der Arbeitgeber, „dies ist die Praxisinhaberin, Frau Stahnke. Wir haben Frau Stahnke nach besten Kräften bei den nicht-medizinischen Aufgaben unterstützt. Eine Zahlungspflicht für die Löhne und Gehälter der Praxismitarbeiter lässt sich aus dem Vertragsverhältnis mit Frau Stahnke nicht ableiten.“

Auch schulde sie der medicas GmbH noch die Nutzungsgebühr für die Bereitstellung der Infrastruktur in den drei Praxen und diverse Dienstleistungen. In der Konsequenz habe Medicas „seine Leistungen bis zur Begleichung der Außenstände aktuell eingeschränkt“.

Ziel Wiedereröffnung

Die Firma Medicas sei, so der Geschäftsführer, „gerne bereit, unseren Beitrag zu leisten, um die Praxen schnellstmöglich wieder zu öffnen“. Gesprächsangebote seien aber bisher nicht angenommen worden.

Silke Stahnke ist entsetzt über die Äußerungen von Medicas und sieht nach wie vor diese in der Verantwortung – auch für die Löhne der Mitarbeiter. Denn, so Stahnke, die sich in der Rolle der ärztlichen Standortleitung verortet: „Medicas hat zum 1. Januar 2022 den gesamten Betrieb der drei Arztpraxen und ebenso das Personal übernommen.“ Ihr liege zudem ein Medicas-Schreiben vom 30. Dezember 2022 vor, dass alle Beschäftigten der Arztpraxen erhalten hätten, in dem sie aktiv aufgefordert würden, sich mit ihren ausstehenden Löhnen fortan an Silke Stahnke zu wenden. Das sei ungeheuerlich.

Seit vergangener Woche wird hinter den Kulissen fieberhaft an einer Ersatzlösung für die derzeit „auf der Straße stehenden Patienten“ gearbeitet, dabei ist auch die Kassenärztliche Vereinigung mit im Boot – Details waren auf Nachfrage bislang nicht zu erfahren.

Silke Stahnke sagt im Telefonat mit der Redaktion am Montag, dass sie sich auch rechtlich beraten und vertreten lasse und momentan noch nicht mehr sagen könne.

Die Lage sei kompliziert, aber, so betont sie: „Für mich sind die Mitarbeiter das Wichtigste. Ich versuche alles, dass sie in einer neuen Lösung für den Standort wieder sichere Jobs bekommen.“ Die gute Versorgung der Patienten sei natürlich ebenso ein großes Anliegen und deshalb arbeite sie mit allen zusammen, die daran ein Interesse hätten.

Klagen liegen beim Arbeitsgericht

Bei der Kammer Crailsheim des Arbeitsgerichts Heilbronn liegen – wie unsere Zeitung erfuhr – inzwischen sieben Klagen von Mitarbeitern gegen Silke Stahnke aus Bad Mergentheim vor, wegen ausstehender Löhne. Keine Klage richtet sich laut Gerichtssprecher Dr. Steffen Hrubesch aktuell gegen Medicas. Darauf angesprochen, betont Silke Stahnke nochmals, dass die Mitarbeiter sich wohl auf das erwähnte Medicas-Schreiben vom Jahreswechsel beziehen und sie persönlich der falsche Adressat für diese Klagen sei.

Und wie geht es jetzt weiter? Silke Stahnke hofft sehr, dass es bereits Mitte Februar weitere gute Entwicklungen für die Kurstadt zu verkünden gibt.

Steffen Raetzer, der Geschäftsführer von Medicas, teilt mit: „Nach unserem Verständnis können die Praxen öffnen, sobald die ausstehenden Löhne bezahlt sind und die Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können. Hier spielen sicher die Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung für die erbrachten medizinischen Leistungen eine zentrale Rolle. Diese Zahlungen erfolgen ausschließlich an den Sitzinhaber.“

Über Alternativen nachdenken

Sollte eine sofortige Wiedereröffnung durch Zahlung der Löhne nicht möglich sein, so Raetzer, „müssen wir über Alternativen nachdenken, die auch zulassungsrechtliche Konsequenzen haben. Dies hat einen zeitlichen Vorlauf. Diesen können wir noch nicht genau beziffern. Eine Eröffnung Mitte Februar oder Ende März scheint uns möglich.“

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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