Mitarbeiter klagen wegen ausbleibender Gehälter

Ausstehende Gehaltszahlungen: Verhandlung am Crailsheimer Arbeitsgericht

Es war eine Güteverhandlung am Crailsheimer Arbeitsgericht, aber viel „Güte“ war nicht zu erkennen: Bezüglich der ausbleibenden Gehaltszahlungen in den geschlossenen Praxen zeichnet sich keine schnelle Lösung ab.

Von 
Simon Retzbach
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Die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht in Crailsheim brachte in den meisten Fällen nicht die erhoffte Klarheit. © Retzbach

Bad Mergentheim/Crailsheim. Insgesamt neun Mitarbeiter der drei mit dem Mannheimer Dienstleister Medicas kooperierenden Bad Mergentheimer Arztpraxen hatten die Medizinerin Silke Stahnke, die ärztliche Standortleitung, wegen noch ausstehender Gehaltszahlungen verklagt. Sieben Betroffene waren am Rosenmontag in die Crailsheimer Außenstelle des Arbeitsgerichts Heilbronn gekommen. Unter Vorsitz von Dr. Anja Nägele-Berkner sollte eine Lösung für die heikle Situation gefunden werden.

„Ungewöhnliche Konstellation“

„Es ist eine ungewöhnliche Konstellation und viele Fragen sind noch offen“, so die Juristin zu Beginn. Die Arbeitsrichterin war sichtlich bemüht, die genauen Verhältnisse im vorliegenden Fall zu klären, was allerdings nicht so recht gelingen wollte. Im Kern ging es um die Zuständigkeit für Lohnzahlungen, wobei sich jeweils Medicas und Silke Stahnke gegenseitig in der Verantwortung sahen.

Schon die ersten Fragen seitens der Richterin (wann genau die Praxen übergeben wurden und von wem die bisherigen Gehälter gezahlt wurden) offenbarten die Einzigartigkeit der Bad Mergentheimer Praxisübernahme. In einem formlosen und nicht unterzeichneten Schreiben wurde den Mitarbeitern laut eigener Aussage im Sommer 2022 mitgeteilt, dass der Betrieb der Arztpraxen an das Mannheimer Dienstleistungsunternehmen Medicas übergehe.

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Die Firma hatte laut Beklagtenseite alle drei Praxen mit dem Ziel gekauft, im Oktober des vergangenen Jahres ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu etablieren. Diese Information erreichte manche der Kläger damals überhaupt nicht. Ein angesetzter Informationstermin sei von Medicas kurzfristig abgesagt worden und sei bis heute nicht zustande gekommen, so Stahnke.

Auch die Gehaltszahlungen sorgten für Erstaunen: Bis Juli 2022 seien auf Gehaltsabrechnungen noch jeweils die Namen Träger und Stüber-Brückner aufgetaucht, obwohl diese bereits nicht mehr als Praxisinhaber aktiv gewesen seien. Im August und September wäre dann die Arztpraxis von Silke Stahnke auf den Abrechnungen erschienen und im Oktober und November schließlich nur noch der Name Stahnke. Auch die Firma Medicas ist auf dem Kontoauszug einer Klägerin zu sehen, so dass auf diesem Wege keine Klarheit in die Zuständigkeitsfrage gebracht werden konnte.

Die juristische Frage des Betriebsübergangs – also ob und ab wann diese Praxen offiziell von Medicas geführt wurden – ließ sich weder von den Anwälten beider Parteien noch von der Vorsitzenden Richterin klären.

Für den Igersheimer Rechtsanwalt Michael Pfleger, der alle Kläger vertrat, war die Sache der Bezahlung eindeutig: „Die Firma Medicas ist nur Dienstleister und darf überhaupt kein Arbeitgeber sein. Entscheidend ist hier der Kassensitz“, erklärte er. Nur die Beklagte sei formell abrechnungsberechtigt und somit auch zuständig.

Eine Erklärung, die Richterin Nägele-Berkner nicht so richtig überzeugte. „Es ist durchaus denkbar, dass alle Kläger Arbeitnehmer bei Medicas sind“, widersprach sie Pfleger klar. Wenn man eine Praxis kaufe und damit auch die Gewinnmöglichkeit an den Käufer übergehe, könne auch die Zuständigkeit für Lohnzahlungen dort liegen. Das rechtssicher zu beurteilen, fiel ihr schwer, auch weil von Medicas kein Vertreter an der Verhandlung teilnahm und einige Unklarheiten so nicht ausgeräumt werden konnten. Allgemein sorgte das weitgehende Fehlen belastbarer, offizieller Dokumente wie Kauf- oder Arbeitsverträge für Unsicherheit.

Gesundheitliche Probleme

Schließlich war es an Silke Stahnke und ihrem Rechtsanwalt Philip Lang, ihre Sicht auf die Lage zu schildern. Die Ärztin schilderte, wie ihr seitens Medicas von Beginn an eine befristete Anstellung bis 30. Juni 2022 als ärztliche Standortleitung versprochen wurde mit dem Ziel seitens des Dienstleisters, die Praxen in ein MVZ umzuwandeln.

Schwere gesundheitliche Probleme hätten ihre Leistungsfähigkeit eingeschränkt, die Übergabe an den externen Dienstleister sollte den Weiterbetrieb im Sinne ihrer Patienten sichern. Der juristisch relevante Kassensitz wäre dann laut Stahnke von ihr an das MVZ übergegangen, auch die Zuständigkeit für Personal und Gehälter läge bei Medicas.

Hierfür habe die Ärztin ein Konto eröffnet, auf das alle Einnahmen der drei Praxen eingingen. Von diesem Konto habe sich die Medicas nach dem vertraglich vereinbarten Abzug für sie selbst dann das Geld für die Gehälter geholt, berichtet die Beklagte. „Die Ausgaben beglich dann Medicas“, ergänzte Anwalt Lang.

Dieses Modell funktionierte bis November augenscheinlich gut. Stahnke suchte jedoch das Gespräch mit Medicas, will den Stand in Sachen MVZ in Erfahrung bringen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits hätte gegründet sein sollen. Hierbei fühlt sie sich hingehalten, so dass erste Zweifel an der Kooperation ihrerseits aufkommen. Für die Bezahlung sei sie jedenfalls nicht zuständig gewesen, hält sie fest.

Brisant und einzigartig ist der Fall eines ebenfalls klagenden Arztes: Hier liegt ein von Stahnke unterschriebener Arbeitsvertrag vor, ein für die Richterin klares Indiz zumindest in diesem Fall. Tatsächlich habe seine Mandantin hier einen „Fehler“ gemacht, so Philip Lang. Während sie krankheitsbedingt bettlägerig gewesen sei, habe sie auf Druck von Medicas den Vertrag unterschrieben, die Ansprüche in diesem Fall seien ziemlich eindeutig.

Der äußerst resolut auftretende Klageanwalt Pfleger hatte ebenfalls nur wenig konkrete Beweise und berief sich mit seiner Ansicht weitgehend auf ein vertrauliches Gespräch mit dem Rechtsbeistand der Medicas sowie seine eigenen Rechtsauffassung. „In Bad Mergentheim sollte man gerade nicht krank werden“, stellte Anja Nägele-Berkner ernüchtert fest. Umso wichtiger war ihr, den Blick neben der Gehaltsfrage auch auf die Zukunft der ärztlichen Versorgung in Bad Mergentheim zu lenken. In dieser Sache wandte sich die sichtlich aufgewühlte Stahnke an die Klägerinnen und bot diesen sowie dem angestellten Arzt sofortige Arbeitsmöglichkeiten im neu geschaffenen MVZ am Caritas an.

Für Kompromiss fehlt „Fantasie“

Doch in der Kernfrage der Zuständigkeit für die Gehaltszahlungen war kein Konsens herzustellen. Die beiden Anwälte waren sich hier erstmals vollständig einig, als sie von „fehlender Fantasie“ für einen sofortigen Kompromiss sprachen. So wird in dieser Sache noch ein weiterer Prozess am Arbeitsgericht folgen müssen.

Redaktion

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