Odenwald-Tauber. „Ich möchte die Hürden für die Unterzeichner so gering wie möglich halten“, erklärt Katrin Müller. Sie fungiert als Ansprechpartnerin der Initiative „Volksantrag G9-Gesetz BaWü.“ Im Gegensatz zur Petition, bei der eine elektronische Teilnahme, also ein Click am PC, ausreichend sei, gelten für einen Volksantrag qualifiziertere Regelungen: Formular ausfüllen, die Unterschrift von der Wohnsitzgemeinde bestätigen lassen, kuvertieren und im Original absenden. Erst durch die Bestätigung der Unterschrift durch die Kommune zähle die Stimme, erklärt Müller und kann verstehen, dass diese beiden unterschiedlichen Verfahren für Unsicherheit sorgen.
Beim Volksantrag, „als starkem demokratischen Mittel“ müssten, im Gegensatz zur Petition, die auch eine Einzelperson stellen könne, 0,5 Prozent der Wahlberechtigten innerhalb eines Jahres mit ihrer Unterschrift ihre Unterstützung postulieren. Bis 11. November 2023 sei eine Beteiligung noch möglich. Auch wahlberechtigte Schüler, ab 16 Jahren, dürften abstimmen. Es sind mindestens 39 000 Unterzeichner nötig, damit sich der Landtag mit der Angelegenheit befassen muss. Um es den Unterstützern so leicht wie möglich zu machen, engagiere Müller sich als Ansprechpartnerin in Tauberbischofsheim. Das bedeutet, dass sie die in den Sammelstellen abgegebenen Formulare gebündelt von der Stadt gegenzeichnen lässt und zu den Initiatorinnen der Kampagne sendet. Kritisch bemängelt sie die fehlende Zeit im G8 erlerntes Wissen zu festigen und zu vertiefen. Darüber hinaus berichteten Eltern von einem höheren Stresslevel, zum Teil einhergehend mit körperlichen oder psychischen Problemen.
Konkurrenz zwischen Gymnasien
Auch die durch die Alternativen G8 und G9 entstandene Konkurrenz unter den Gymnasien kritisiert sie. Schüler nehmen weitere Schulwege in Kauf, um ein G9-Gymnasium zu besuchen, wenngleich eines vor Ort erreichbar sei. Auch das von Politikseite angeführte Argument, man habe nach der 10. Klasse die Möglichkeit ein berufsbildendes Gymnasium zu besuchen, um dann nach 13 Jahren Abitur zu machen, verfange nicht. Dies sei nicht im Geringsten ein Argument für die Beibehaltung des Turboabiturs.
Vielmehr zeige sich, dass das einst, zu Zeiten als es noch eine verbindliche Grundschulempfehlung gab, beabsichtigte Ziel, junge Menschen schneller in den Beruf zu bringen, nicht erfüllt werde. „Mit 17 Abi, da wissen viele noch nicht, was sie werden wollen“, gibt die Elektroingenieurin zu bedenken, so dass nicht selten zunächst der Weg ins Ausland oder in ein FSJ eingeschlagen werde.
Abitur nach zwölf Jahren, Beendigung eines Bachelorstudiengangs – die jungen Menschen seien gerade mal 20 beim Berufseinstieg. „Haben sie dafür die persönliche Reife?“, fragt sie zweifelnd. Zudem solle nach dem Willen der Kultusminister das Abitur vergleichbarer werden und für eine gerechtere Studienplatzvergabe sorgen. Vor dem Hintergrund, dass Baden-Württemberg als letztes westdeutsches Flächenbundesland an der G8-Reform festhalte, scheine ihr dies entfernter denn je.
G9 als Regelweg
Die Initiative wolle nicht das G8 abschaffen, vielmehr fordere man G9 als Regelweg mit der Möglichkeit eines G8-Zuges. Aktuell laufe es umgekehrt. G9 werde an gut 40 Gymnasien in der Region parallel angeboten mit der Folge, dass kein G8-Zug zustande komme. Ein klares Indiz für den Wunsch vieler nach G9.
Diese Ansicht vertritt auch Dr. Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises und Schulträger beruflicher und allgemeinbildender Gymnasien. „Man darf die Augen nicht vor der Lebenswirklichkeit verschließen. Fakt ist, dass die Schüler, insbesondere aber ihre Eltern schon längst mit den Füßen abstimmen und die G9-Modelle bei den allgemeinbildenden Gymnasien klar präferieren“, sagt er. Gymnasien mit dem G9-Modell platzen dabei aus allen Nähten, während die mit G8 immer mehr Schüler verlieren, ergänzt er. „Wenn man merkt, dass eine politische Entscheidung nicht akzeptiert wird, muss man bereit sein, eine solche Entscheidung zu revidieren“, nimmt er Stellung und befürwortet, dass man in Baden-Württemberg zu einem echten Wahlrecht zwischen G8 und G9 zurückkehre.
Auch Osterburkens Bürgermeister Jürgen Galm geht damit überein. Die ursprünglich erhoffte Zielsetzung, dass die Abiturienten früher ins Berufsleben treten, werde nicht erfüllt. Auch habe man den Bildungsplan nicht angepasst, so dass durch die Verkürzung vieles behandelt werde, das der Persönlichkeitsentwicklung der Schüler nicht entspreche. Darüber hinaus wirke sich die zusätzliche Belastung auf das Vereinsleben aus, da kaum Zeit für ehrenamtliches Engagement der Jugendlichen bleibe. „Das bedaure ich sehr.“ Die „unsägliche Privilegierung der G9 Modellschulen“ ärgere ihn, da dabei die Schülerströme durch die Politik umgeleitet würden. Aus Erfahrungen wisse er: „Das ist nicht gut.“ Als Bürgermeister eines Schulstandorts bereite es ihm Kummer, wenn Schüler aus seiner Kommune weitere Wege auf sich nähmen, um eine G9-Schule zu besuchen. Was ursprünglich bezweckt werden sollte, werde konterkariert.
Fokus auf Schüler richten
Die Belastung der Schüler im Blick, sei es für ihn ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, dass es der Jugend gut gehe und man sich für die Umkehr zu G9 als Regelform stark mache.
Dem stimmt auch Dr. Renate Heinisch aus Boxberg zu. Mit ihrem vor 30 Jahren gegründeten Elternverein zum Erhalt des G9 bricht die 85-Jährige eine Lanze für gute Bildung und unterstreicht, dass diese allen Generationen am Herzen liege. Darum rühre die ehemalige Landeselternbeiratsvorsitzende engagiert die Werbetrommel für „G9 jetzt!“ Ob Eltern, Groß- oder Urgroßeltern, sie alle seien sich einig: „Gute Bildung ist das Wichtigste.“ Dies teilt auch Sven Feiler, Elternbeiratsvorsitzender des Ganztagesgymnasiums Osterburken (GTO). Man sei der Diskussion und des Kampfes überdrüssig, frustriert und enttäuscht vom Kultusministerium, das schlichtweg nicht reagiere, obwohl ihm der Ball schon längst zugespielt sei. Daher möchte man die Energie in den Schullalltag sowie eine gute Präsentation der Vorzüge des GTO stecken, bekräftigt der Vater zweier G8-Gymnasiasten. Überdies würde er sich mehr Geschlossenheit der Schulen sowie mehr Vertrauen der Eltern in die Fähigkeiten ihrer Kinder wünschen. „Schade, dass die Politik bei den Kindern spart. Sie sind die Zukunft und brauchen gute Bildung“, so Feiler. Ein immer wiederkehrendes Mantra, das hoffentlich auf offene Ohren stößt.
Unterstützer des Volksantrags können, ebenso wie in Lauda-Königshofen und Boxberg ihre Formulare im Briefkasten des Bürgerbüros einwerfen, wo sie dann vom örtlichen Ansprechpartner an die Initiatorinnen gesandt werden.
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