Justiz

Das Schöffenamt: Einfache Bürger als ehrenamtliche Richter

Ralph Gaukel war zwei Amtsperioden als Jugendschöffe tätig. Der Adelsheimer hat aus dieser Zeit viel für sich mitgenommen und einiges gelernt.

Von 
Nicola Beier
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Ralph Gaukel war am Jugendschöffengericht in Mosbach und am Amtsgericht in Adelsheim als Schöffe tätig. © Nicola Beier

Adelsheim. „Ich kam relativ überraschend zum Schöffenamt. Es hieß damals irgendwann, dass ich für das Amt vorgeschlagen und auch gewählt wurde“, erinnert sich Ralph Gaukel aus Adelsheim noch an die Nachricht, dass er künftig als Jugendschöffe am Jugendschöffengericht in Mosbach und am Amtsgericht in Adelsheim eingesetzt werde. Das war 1997. Über acht Jahre lang nahm er an rund sechs Verhandlungen pro Jahr teil. Vorgeschlagen zu werden ist jedoch nur eine Möglichkeit, in das Schöffenamt zu kommen. Alternativ können sich interessierte Bürger auch bei ihrer Kommune bewerben. Aktuell läuft wieder eine Bewerbungsphase für das Amt – und das noch bis zum 5. April.

Seminar zur Vorbereitung

Ralph Gaukel war damals sehr überrascht und auch „unvorbereitet“, wie er sagt. Ein Informationsabend am Landgericht in Mosbach sollte erste Aufschlüsse zu seiner neugewonnenen Position liefern. Außerdem besuchte er ein Schöffenseminar in Heidelberg, um sich umfangreich auf seine neue Rolle vorzubereiten. „Ich wollte das machen, um Sicherheit zu bekommen. Natürlich helfen auch die Leitfäden weiter, aber es war doch gut, jemandem Fragen stellen zu können“, sagt Gaukel. Seine Sitzungstermine hat er immer Anfang des neuen Jahres erhalten. Es waren in der Regel eintägige Verhandlungen.

Am Jugendschöffengericht sind zwei Schöffen und ein Richter pro Verhandlung dabei. Aufgrund des gleichwertigen Stimmrechts (siehe Infobox) kann es vorkommen, dass die Schöffen den Richter in der Urteilsfindung überstimmen. „In den Beratungen war es immer spannend und interessant. Da merkt man, wie viel Verantwortung man hat“, blickt der Adelsheimer zurück. Es gehe am Ende darum, ob ein Jugendlicher ins Gefängnis geht oder doch nur eine Bewährungsstrafe erhält. Da sei viel Fingerspitzengefühl gefragt.

Das Amt des Schöffen

  • In der Strafgerichtsbarkeit nehmen am Verfahren nicht nur Richter teil, die durch juristische Vorbildung und durch Prüfungen die Befähigung zum Richteramt erworben haben (Berufsrichter), sondern auch Bürgerinnen und Bürger aus allen Schichten der Bevölkerung. Das deutsche Strafverfahrensrecht bezeichnet sie als „Schöffen“.
  • Das Amt ist ein Ehrenamt. Es gibt aber Aufwandsentschädigungen.
  • Man unterscheidet drei Arten von Schöffen: Der Hauptschöffe (wird zur Mitwirkung im Strafverfahren berufen), der Hilfsschöffe (tritt dann an die Stelle des Hauptschöffen, wenn dieser für eine Teilnahme an Sitzungen nicht zur Verfügung steht), und der Ergänzungsschöffe (wird bei Verhandlungen, die sich über mehrere Wochen erstrecken, hinzugezogen, aber nur im Falle von Verhinderung des Hauptschöffen).
  • Jeder, der die deutsche Nationalität besitzt und zwischen 25 und 70 Jahren alt ist, kann Schöffe werden. Er muss allerdings die „Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter“ haben. Jemand mit einer Freiheitsstrafe, die länger als sechs Monate dauerte, kann beispielsweise kein Schöffen werden.
  • Man kann sich für das Amt bei der Kommune bewerben. Aus allen Bewerbungen und Vorschlägen wird alle fünf Jahre eine Vorschlagslisten zusammengestellt. Aus dieser wird die erforderliche Zahl Schöffen ausgewählt.
  • Das Amt kann nur aus einem triftigem Grund abgelehnt werden.
  • Die Sitzungen, zu denen der Schöffe geht, werden ausgelost.
  • Der Schöffe übt während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Richter aus. Er ist unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. nb

„Für mich war es immer beeindruckend zu erfahren, welchen Lebensweg jemand bereits hinter sich hatte und aus welchen Milieus er kam. Es war teilweise schockierend zu sehen, wie manche junge Menschen aufwachsen“, erinnert sich Gaukel. So habe er einen ganz anderen Blick auf die Gesellschaft bekommen und für sich selbst viel mitgenommen. Die Verhandlungen, die ihm allerdings besonders im Gedächtnis geblieben sind, waren die, die mit Sexualdelikten zusammenhingen – vor allem mit Kindern als Opfer. „Das habe ich nie so leicht mit nach Hause genommen. Die haben mich noch lange beschäftigt.“

Als Vorbereitung auf Prozesse bekommen Jugendschöffen nur eine kurze Zusammenfassung, was am Tag ansteht. Die genaueren Informationen teilt der zuständige Richter ihnen am Tag der Verhandlung mit. Da gehe es um Akteninformationen, den Verstoß gegen Bewährungsauflagen, die Anzahl der Zeugen oder auch, ob Vollzugsleute dabei seien, erläutert Gaukel.

Anschließend nahmen die Schöffen im Verhandlungssaal Platz und verfolgten das Geschehen. „Man sollte unvoreingenommen an die Sache herangehen. Oft sagt man, der erste Eindruck einer Person täuscht nicht, doch da muss man vorsichtig sein.“ Gaukel habe den Angeklagten immer genau beobachtet: „Man schaut sich an, wie er auf Fragen und Anschuldigungen reagiert und kann dann mit der Zeit sagen: ,Jetzt zockt er ein bisschen.’“

Gaukel wurde nie verbal bedroht. Es gab jedoch Angeklagte, die ihm nonverbal zu verstehen geben wollten, dass er ja eine milde Entscheidung treffe – zum Beispiel durch einen intensiven Blickkontakt.

Erzieherische Maßnahme

Wenn es dann zur Urteilsfindung kommt, geht es nicht nur um die Höhe der Strafe, sondern auch um den Hintergrund des Verurteilten. Wenn beispielsweise jemand in die JVA Adelsheim kommt und die Strafe nicht nur sechs Monate beträgt, sondern länger ausfällt, hat derjenige Zeit, seinen Schulabschluss zu machen oder eine Ausbildung beginnen. „So kann man mit ihm arbeiten, was das Thema Resozialisierung angeht“, erklärt der ehemalige Jugendschöffe. „Es geht um erzieherische Maßnahmen, die dafür sorgen, dass die Person nicht mehr straffällig wird – da unterscheidet sich das Amt von dem des normalen Schöffen.“

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Daher sei es wichtig, ein Grundverständnis für junge Menschen mitzubringen. Gaukel selbst war lange im Verein des Jugendhauses in Adelsheim aktiv. „Menschenkenntnis und Empathie sind auch sehr wichtig“, fügt er weitere Eigenschaften an, die eine große Hilfe sind. „Das Schöffenamt ist ein wichtiges Ehrenamt. Ziel ist es, dass die gesamte Bevölkerung repräsentiert wird“, stellt Gaukel klar.

Angehenden Schöffen rät er, Verständnis für die Menschen aufzubringen. „Die Entscheidung, die man trifft, sollte man auch mit sich ausmachen können. Es ist aber auch wichtig, dass die Inhalte der Verhandlungen einen nicht zu sehr belasten. Man darf das nicht mit nach Hause nehmen.“

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