Kommentar zu Antisemitismus und Israel-Kritik Historische Verantwortung

Walter Serif über den Antisemitismus und Israel-Kritik

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Walter Serif
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Solidarität mit Palästina oder nur Hass auf Juden? Die jüngsten Proteste auch in der Region haben gezeigt, wie sehr sich Judenhetze ausbreitet, wenn es wie jetzt durch den Nahostkonflikt einen aktuellen Auslöser gibt. Dann kriecht der Antisemitismus aus dem Internet auf die Straße.

Es wäre aber falsch, nun allein die Muslime als Antisemiten zu brandmarken, weil sie sich mehrheitlich an den Demonstrationen beteiligen. Der Antisemitismus ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wie es Majid Khoshlessan, der frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Mannheim, bereits 2019 formulierte. Übrigens wenige Monate vor dem Anschlag eines Deutschen, der 51 Juden in der Synagoge von Halle erschießen wollte. Kurz darauf hat sich die Pandemie als ein Treiber für den Antisemitismus erwiesen.

75 Jahre nach dem Holocaust, das ist die bittere Wahrheit, gibt es wieder viele Menschen in Deutschland, die sich offen zum Antisemitismus bekennen und sogar meinen, das müsse man in einer Demokratie auch sagen können. Umso schlimmer, dass es dem Staat nicht gelingt, die jüdischen Einrichtungen zu schützen. Erst nach Halle wurden endlich neue Sicherheitskonzepte verabschiedet.

Dass vor allem Muslime bei den Demonstrationen einseitig für die Palästinenser Partei ergreifen, mag kein Wunder sein. Viele fühlen sich mit den Palästinensern durch den Islam verbunden. Aber das rechtfertigt doch nicht solche widerlichen Exzesse wie am Wochenende auf dem Mannheimer Friedensplatz.

Wer nur die Besatzungspolitik Israels kritisiert, ist natürlich nicht automatisch ein Antisemit. Gleichwohl erwartet Israel von seinen Partnern eine Solidarität, die sich gelegentlich nur schwer einlösen lässt. Wer Kritik übt, gerät in Verdacht, Israels Politiker reagieren verärgert auf diese und können nicht verstehen, dass Deutschland nicht nur Partei für eine Seite ergreifen will und kann.

Gerade wir Deutschen müssen uns aber in den Nahostkonflikt einmischen. Unsere Außenpolitik setzt sich seit Jahrzehnten für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Es sieht aber inzwischen so aus, als wolle Israel einen Palästinenser-Staat verhindern. Deutschland kann dies nicht wortlos hinnehmen, denn wir haben eine historische Verantwortung – nicht nur gegenüber Israel. Ohne den Holocaust gäbe es vermutlich keinen Staat Israel auf dem Gebiet, das früher mehrheitlich Palästinenser bewohnten. Auch das Schicksal der Palästinenser darf uns deshalb nicht unberührt lassen – das wäre Wasser auf die Terror-Mühlen der Hamas.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft