Sieben Jahre lang war Großbritannien fasziniert vom clownesken Charme Boris Johnsons. Der Londoner Bürgermeister, Außenminister und spätere Premierminister zog alle Register eines gnadenlosen Populismus. Effekthascherei ging vor Programm. Narzissmus war Trumpf. Johnson log nach Strich und Faden, intrigierte, was das Zeug hielt, und scherte sich einen Teufel um Konventionen und Gesetze. Die Briten verziehen ihm alles, bis seine Konservative Partei angesichts des Höchstmaßes an moralischer Verkommenheit meuterte.
Johnson tat alles, um an der Macht zu bleiben – und erreichte nichts. Sein Paradeprojekt, der Brexit, erwies sich als Seifenblase mit der nostalgischen Illusion von vergangener Größe. Er bescherte dem Land durch den Exodus von Fachkräften und durch umständliche Zollformalitäten die schwerste Wirtschaftskrise seit Langem.
Das große Problem: Der Kampf um Johnsons Nachfolge findet in dem heruntergekommenen politischen Sittenklima statt, das der Premier hinterlassen hat. Die Kandidatinnen und Kandidaten beharken und verleumden sich gegenseitig. Ein Konzept, wie Großbritannien einen Spitzenplatz als Technologie-, Start-up- und Innovationsnation erklimmt, hat niemand. Fast jeder Anwärter holt den konservativen Ladenhüter von Steuersenkungen aus der Mottenkiste. Und jeder hält am Fetisch Brexit fest, der das Land in die Krise geritten hat.
Sollte es irgendwann Neuwahlen geben, sitzt aller Wahrscheinlichkeit nach der Oppositionsführer Keir Starmer in 10 Downing Street. Wenig tröstlich: Auch er klebt am Brexit. Und auch er hat keine zündende Idee, wie Großbritannien wieder auf die Beine kommt. Düstere Aussichten für die Insel.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Boris Johnsons Erbe
Michael Backfisch über das politische Klima, das Großbritanniens Premierminister seinem Land hinterlassen hat