Kino

So sehen Mannheimerinnen und Mannheimer „Das Kanu des Manitu“

Ist der Humor der Fortsetzung von Bully Herbigs Kassenschlager „Der Schuh des Manitu“ noch auf der Höhe der Zeit? Ein Selbstversuch zum Filmstart im Cineplex mit „Blutsbrüder“-Aktion und spontaner Diskussion im Anschluss.

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Jörg-Peter Klotz
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Amüsant oder Anlass für Störgefühle? Michael Bully Herbig spielt als schwuler Apache Winnetouch mit Stereotypen. © Luis Zeno Kuhn/ herbX film/Constantin Film/dpa

Mannheim. Nun ist er also in Mannheim angelaufen, der Nachfolger des erfolgreichsten deutschen Films „Der Schuh des Manitu“ (2001), wieder von und mit Michael „Bully“ Herbig. An einem heißen Donnerstagabend in der Sommerpause absolut überdurchschnittlich besucht“, wie Theaterleiterin Arzu Öntürkler verrät. Um 20.15 Uhr ist der große Saal 10 gut zur Hälfte gefüllt. Im Publikum bei „Das Kanu des Manitu“ sieht man viele Altersgenossen des Hauptdarsteller-Trios Herbig (57), Christian Tramitz (70) und Rick Kavanian (54), aber deutlich jüngere Leute sind in der Überzahl. Gelacht wird durchgehend, fast wie in einer Live-Comedy-Show. Nur selten so explosiv. Das war beim ersten Teil anders.

Dabei „geht das gar nicht“ für viele: Stereotype über Minderheiten mit nicht-heteronormativer sexueller Orientierung kommerziell ausschlachten, Karl Mays ausgedachte Fantasie von „edlen Wilden“ Nordamerikas zitieren, überhaupt Winnetou, kulturelle Aneignung in fast jeder Szene – ein klarer Fall für „Cancel Culture“. Die Fans im Cineplex erhoffen sich von „Das Kanu des Manitu“ 88 Minuten Dauerlachen. Hochwillkommene Ablenkung von einer Zeit, in der fast jeder mit der Gesamtsituation unzufrieden ist – um einen der klassisch gewordenen Sprüche aus Teil eins zu zitieren. Das passt zum Trend der Klamauk-Comebacks wie „Die nackte Kanone“ oder demnächst der zweite Stromberg-Film.

Kommt mit dem zweiten Stromberg-Film der nächste Problemfall?

In dessen passend gebauten Trailer schießt Christoph Maria Herbst auf einem Steckenpferd durch eine „Kanu des Manitu“-Westernlandschaft und ruft „Nehmt das, ihr verdammten Weißhäute!“ Dann liefert er in seiner Paraderolle als Abteilungsleiter Bernd Stromberg, ein Boomer, für den die Fremdscham-Vokabel cringe erfunden worden sein könnte, den politisch unkorrektesten Monolog des Abends: „Im Westen kann man natürlich gut Witze machen.“ Da beschwere sich ja auch keiner. „Aber beim Thema Chef! Ja, da kommt dann jeder bucklige Büroklammer-Klaus und jede ranzige Locher-Liesel, und köbelt Dir die eigene Meinung auf den Tisch. Dabei haben sie den Film noch gar nicht gesehen.“ Wie auch? „Stromberg – alles wieder wie immer, der zweite Film zur aus Großbritannien importierten Serie, läuft am 4. Dezember erst an.

Die neuerliche Verfilmung der Kultserie bietet sich für einen Selbstversuch als Humorpolizist und Auge der ungeschriebenen Gesetze des Jahres 2025 vielleicht noch stärker an als „Das Kanu des Manitu“. Hier verlässt niemand empört das Cineplex oder zieht auch nur scharf die Luft ein. Wobei die grundsätzlichen Gegner dieser Art von Humor den Film gar nicht ansehen dürften, schon gar nicht im Kino. Dabei wären sie vermutlich enttäuscht oder theoretisch erfreut, dass Herbig ihnen kaum neue Angriffsfläche bietet.

Der Regisseur, Drehbuch-Mitautor und Hauptdarsteller ist ja alles andere als ein Provokateur, der wie Dieter Hallervorden unbedingt längst abgehalfterte Wörter mit N oder Z live im Fernsehen platzieren muss. Dass Meinungs- und Kunstfreiheit nicht bedeutet, dass man alles sagen muss, was man sagen darf, ist eine Erkenntnis, die auch kluge Vertreter der Comedy-Zunft von Dave Chappelle bis Dieter Nuhr nicht akzeptieren.

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Bully ist da anders und nimmt vielen Vorwürfen proaktiv den Wind aus den Segeln. Und das überraschend konsequent: Die Indigenen in einer großen Schlussszene werden allesamt von Native Americans gespielt, denen das Filmprojekt genau erklärt wurde. Auch am entsprechenden Set in den USA arbeiteten nur Nachfahren von Ureinwohnern. Das Ensemble ist einigermaßen divers, inklusive einem von Lokführer Lukas getrennten Jim Kopf und dem asiatisch gelesen Komiker Tutty Tran.

Die – immer noch wenigen – Frauen werden nicht so eindimensional dargestellt wie 2001 – sie sind „Der Boss“ (Jessica Schwarz) und meist die klügste Person in der Szene (Jasmin Schwiers). Sprachsensibel ist der Film – mitunter – auch: Jedenfalls lautet der Satz, der am häufigsten gesprochen wird, „Sagen sie bitte nicht Indianer.“

Wer ist hier der Boss? Eindeutig Jessica Schwarz. © herbX film/Constantin Film/Luis Zeno Kuhn

Achtung, in diesem Absatz wird gespoilert

Bleibt die identitätspolitische Erbsünde, dass ein weißer Bayer die Apachen-Zwillinge Abahachi und Winnetouch mit Münchner Dialekt spielt – auf die Spitze getrieben, als Ersterer auch noch jodelt. Ein identitätspolitisches Verwirrspiel. Dafür findet das Drehbuch - Achtung Spoiler bis Absatzende! – eine fast unverschämt einfache Lösung. Nachdem das Old-Shatterhand-Pendant Ranger sich als mehrfacher Vater geoutet hat, verrät Abahachi sein großes Geheimnis: Sein Bruder und er sind eigentlich Kinder weißer Siedler, die von Apachen adoptiert wurden. Damit beschränkt sich die kulturelle Aneignung nur noch auf die Kostüme. Wer Sombreros und Ähnliches bei einer Tanzgruppe der AWO-Seniorinnen auf der Mannheimer Buga anstößig findet, wird hier keinen Grund zur Absolution finden.

Zumal die zweite Herbig-Figur Winnetouch immer noch überzeichnete Schwulen-Klischees transportiert – als rosaroter Zorro oder Tanzlehrer, der „mit Frau Wolf tanzt“ – weil er die Puder Rosa Ranch gegen die Rosa Rumba Ranch getauscht hat. Das ist sicher nicht mehr zeitgemäß, wirkt aber auch heute nicht gehässig oder gezielt diskriminierend. 2001 haben viele in der Schwulenszene amüsiert reagiert und Bully-Späße wie „Prosecco!“ zum geflügelten Wort gemacht, weil sie gesehen haben, dass Herbig diese Parodie als liebevolle Neckerei gemeint hat.

Ansonsten finden sich bei den Ermittlungen der Humorpolizei nur wenig Anhaltspunkte für Machtmissbrauch durch alte, reiche, weiße Filmschaffende. Einmal spielt Ranger Panflöte. Es gibt in einer Szene einen Anflug von Ableismus, als über ein durch Amputation behindertes Bandenmitglied gewitzelt wird. Kurz darauf kommt die vielleicht übelste Stelle: Das asiatisch gelesene Bandenmitglied Bullet (Tutty Tran) spricht plötzlich so gebrochen Deutsch wie ein Straßenverkäufer aus Hanoi. Und es wird mit am lautesten gelacht. Rassismus? Da kommen schon Störgefühle auf, aber längst nicht so stark und häufig wie erwartet. Und dass der zum Ölbaron gewandelte Obergangster Santa Maria (Sky Du Mont) in der Kutsche Karl Mays „Der Ölprinz“ liest, wird diese Gesellschaft überleben.

Auf Höhe der Zeit zu sein, ist nicht das Hauptproblem vieler Gags

Ob die Gags auf der Höhe der „woken“ Zeit sind, ist weniger das Problem des Films. Der hat eher mit der Flachheit einiger Gags zu kämpfen, die nicht mal die Höhe von „Hangover 3“ erreichen. Lachen muss man trotzdem oft - so geht Comedy-Handwerk. Und die Vielzahl von Filmzitaten macht Spaß. Die beste, weil überraschendste Pointe ist ein Triangel-Schlag.

Ansonsten ist die von Stefan Raab zugelieferte Musik tatsächlich das schlimmste Beispiel für kulturelle Aneignung in diesem Werk. Geklaut von allen echten Funk-Musikern, Kenny Rogers („Lucille) oder Jimmy Soul („If You Wanna Be Happy“). Aber trotzdem endet alles versöhnlich mit dem integrativen Satz „Hier wird keiner nach seiner Herkunft beurteilt“. Aus der Bromance zwischen den ständig zankenden Abahachi und Ranger wird zwar keine Romanze, trotzdem sind sie mit der Gesamtsituation zufrieden. Aber ob man einen dritten Teil braucht? Eher nicht. Und das nicht nur, weil sich außer Tabu, Uhu und Hui Buh kaum etwas auf Manitu reimt.

Cast und Filmemacher mit Dorothee Erpenstein (FFF) auf der Weltpremiere von DAS KANU DES MANITU am 12. August 2025 in München. © Constantin Film

Auffällig: Die Darsteller sind – wie man selbst – seit 2001 ein wenig alt geworden. Worüber Herbig und Tramitz gegen Filmende selbst witzeln. Gut so, denn alte, weiße Männer tun gut daran, sich zu hinterfragen. Besser noch: Sie fragen junge Leute. Und so genügt ein kleiner Anstoß im Foyer vor Saal 10, um eine kleine, aber rege Diskussion mit 21- bis 23-Jährigen über den womöglich skandalösen Umgang mit Stereotypen in dieser Komödie auszulösen. Was besonders interessant ist, weil die Beteiligten bei der Kinopremiere des Vorgängers 2001 noch gar nicht das Licht der Welt erblickt hatten – geschweige denn das auf einer Kinoleinwand. Aber alle mögen den „Schuh des Manitu“ von klein auf. „Das war mein absoluter Lieblingsfilm, als ich klein war“.

Schon die erste Frage, nach der Debatte um die politische Korrektheit des Films bekommt man lächelnd zurückgespielt: „Welche Debatte?“, fragt Julia lächelnd zurück. Als die Aufnahme-App läuft, wird es relativ ernst: „Politische Korrektheit hängt ja nicht nur mit der Allgemeinheit zusammen, sondern auch mit dem, was man selbst vertritt. Und auch mit den Späßen, dem Humor, den man auch in diesem Jahr vertreten kann oder einfach lustig findet“, sagt Georg.

Junge Bully-Fans: „Wir würden ihn nochmal anschauen“

Auch die vielleicht problematischste Stelle mit der Asiaten-Parodie wird in der Runde einfach, aber fundiert wegerklärt: „Das wird ja gespielt von dem Komiker Tutty Tran, der dadurch bekannt geworden ist, dass er seinen vietnamesischen Vater nachmacht genauso, wie er in dem Film auch gesprochen hat. Das ist sein Markenzeichen, dass er so redet. Deswegen fand ich das total passend“, befindet Julia. Deshalb sehe sie die Szene nicht als problematisch. „Weil er der einzige Asiate in dem Film ist, der dadurch bekannt geworden ist und damit sein Geld verdient.“ Man könne ja davon ausgehen, „dass er über seine eigene Kultur spricht, deswegen finde ich das auch eher weniger problematisch“, ergänzt ihre Freundin, die ebenfalls Julia heißt.

Von links: Christian Tramitz Stefan Raab, Bully Herbig und Rick Kavanian, Schauspieler, kommen im Mathäser Filmpalast zu der Weltpremiere des Films „Das Kanu des Manitu“. © Sven Hoppe/dpa

Jona, mit 23 der Älteste in der Runde, findet es auch verständlich, dass Bully Herbig nicht komplett auf Klischees verzichtet – etwa in der rosaroten Queer-Welt seiner Figur Winnetouch: „Damit der zweite Teil auch gut ankommt, mussten die ja auch schon gucken, dass sie irgendwie in die Fußstapfen vom ersten Teil treten.“ Hätte es Herbigs jetzt ganz anders gemacht, hätten sie ein neues Franchise eröffnen können und was ganz anderes drehen müssen. „Hätten sie sich jetzt komplett abgewandt und auf Krampf die ganzen Rollen auf Political Correctness umgeschrieben, dann hätten sie besser gleich einen neuen Film geschrieben, keine Fortsetzung.“

Julia glaubt mit Blick auf die zahlreichen „Sicherheitsmaßnahmen“ gegen mögliche Cancel-Shitstorms, dass Bully Herbig „auch weiß, dass er in dieser Zeit mit den ganzen Witzen und den ganzen Stereotypen, die er da vertritt, schon wirklich aufpassen muss. Dass das „Kanu …“ im Vergleich mit dem Schuh des Manitu qualitativ absäuft, findet niemand in der Runde. „Der erste war schon ein großer Fisch“, sieht Georg die Messlatte als zu hoch angesetzt. Alle hätten viel gelacht und würden ihn sich auch ein zweites Mal anschauen.

Gelungene Aktion am Rande: Freikarten gegen Blutspenden beim DRK

Ein voller Erfolg ist der Starttag des „Kanu des Manitu“ in Mannheim noch aus ganz anderen Gründen: Anknüpfend an die Blutsbrüderschaft zwischen Ranger und Abahachi hat das Cineplex beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Cineplex eine Blutspendenaktion am Rande der Vorführungen angeregt - die Spender bekamen Freikarten. „Die Resonanz war großartig“, sagt Silke Bungard, Referentin Spenderbindung beim DRK am Freitag, und hebt strahlend den Daumen. Im Kino kam es binnen drei Stunden zu 47 Blutspenden. „Darunter 19 Erstspender - was sehr, sehr erfreulich ist. Zusammen mit dem Kino denke sie über ähnliche Aktionen in der Zukunft nach. Vielleicht bei der „Rocky Horror Picture Show“, an Halloween oder beim nächsten Vampirfilm, wie Theaterleiterin Arzu Öntürkler laut überlegt. Oder doch beim „Uhu des Manitu“?

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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