Doof, kindisch und stereotyp mögen Cineasten die Genreparodien von Michael Herbig halten. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache: „Der Schuh des Manitu“ gilt mit 11,7 Millionen Kinogehern und einem Umsatz von 65 Millionen Euro als einer der erfolgreichsten deutschen Kinofilme. Der Folgefilm „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ stand mit 9,2 Millionen dem kaum nach. Selbst „Bullyparade – Der Film“, der 2017, zum 20-jährigen Jubiläum der beliebten TV-Comedy-Sendung in die Lichtspielhäuser kam, lockte rund zwei Millionen Besucher. Eine Erfolgsgeschichte. Das macht selbstbewusst. „Bully“, den Spitznamen aus Schulzeiten hat der Münchner „King of Comedy“ von den Anführungszeichen befreit, zum offiziellen Namen gemacht. Bully Herbig nennt er sich nun. „Gott sei Dank macht Bully keine Dokumentarfilme“, hat Sönke Wortmann, mit „Das Wunder von Bern“ oder „Der Vorname“ selbst ein Großer im heimischen Leinwandgeschäft, einmal im Interview trocken angemerkt. „Dann würde er uns wahrscheinlich da auch noch in Sachen Zuschauergunst übertreffen.“
Mal sehen, ob Herbigs Erfolgslauf anhält. Etwas glücklos war er zuletzt in Sachen Auswertung bei seinen „ernsten“ Arbeiten „Ballon“ und „1000 Zeilen“. Ein Neustart also jetzt mit einem Reboot. Mit „Das Kanu des Manitu“, wo der Titel Hoffnungen weckt – bei den Fans, den Produzenten und beim Verleih, der sich traut, im Hochsommer, in der zuschauerschwächsten Zeit, das Sequel zu starten.
Alte Erfolgsformel – aber mit Sprachpolizei
Besetzt ist der Streifen mit dem bekannt-beliebten Ensemble: Herbig als Abahachi und Winnetouch, Christian Tramitz als Ranger und Rick Kavanian als Dimitri. Das Trio hat das Drehbuch verfasst, Ralf Wengenmayr wieder die Musik komponiert, Alexander Dittner erneut den Schnitt besorgt. Es sieht so aus, als habe man sich auf die alte Erfolgsformel verlassen wollen. Mit einem Problem. Wie sieht’s aus mit der politischen Korrektheit? Die ließ beim Original zu wünschen übrig, siehe etwa die Verwendung des Wortes „Indianer“. Mit diesem Vorwurf hat sich Herbig inzwischen befasst. Bei einer Talkshow merkte er vor drei Jahren an, dass die „Comedy-Polizei“ inzwischen streng geworden und der Dreh einer Komödie viel schwieriger geworden sei, „weil man das Gefühl hat, dass man sehr schnell Leuten auf die Füße tritt“. Gleich mehrfach gibt es nun in den Dialogen Schelte, wenn eine der Figuren das Wort „Indianer“ statt „Indigener Einwohner“ verwendet.
Michael Alexander Herbig – bestens bekannt als Bully
- Er ist der „Goldjunge“ des heimischen Kinos, Michael Herbig, Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor, Synchronsprecher und Produzent, der regelmäßig ein Millionenpublikum erreicht.
- Er wurde 1968 in München geboren, besuchte die Realschule in Schloss Brannenburg und bewarb sich erfolglos an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film.
- Ab 1992 arbeitete er als Moderator bei Radio Gong, ab 1994 als „Bully“ bei der Morgenshow von Radio Energy.
- 1997 wechselte er zum Fernsehen, zeichnet bei Pro7 für die „Bullyparade“ verantwortlich und übernahm die hier von ihm ersonnenen TV-Figuren für seine Leinwandparodien, darunter die Hits „Erkan & Stefan“, „Der Schuh des Manitu“, und „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“.
- Als Schauspieler war Herbig, der als Wachsfigur bei Madame Tussauds in Berlin zu bestaunen ist und Werbung für Haribo machte, etwa in Helmut Dietls „Zettl“, Leander Haußmanns „Hotel Lux“ oder Wolfgang Petersens „Vier gegen die Bank“ zu sehen, ernsten Stoffen wandte er sich als Regisseur mit „Ballon“ und „1000 Zeilen“ zu.
- Das zigfach ausgezeichnete Multitalent – Deutscher Comedy-Preis, Bambi, Goldene Kamera, Romy etc. – gründete 1996 die herbX medienproduktion GmbH und heiratete 2003 Freundin Daniela, mit der er einen Sohn hat. geh
Zudem hat sich in Sachen Gleichstellung etwas getan. Eine tragende Rolle spielt Jessica Schwarz als Chefin einer tölpelhaften Gangsterbande, während Jasmin Schwiers als Wiedergängerin von Grace Kelly aus „12 Uhr Mittags“ das Herz von Neo-Gastwirt Dimitri schneller zum Schlagen bringt. Davon abgesehen, ist eigentlich alles andere mehr oder weniger gleich geblieben. Mit einer Karl-May-Parodie bekommt man es zu tun – dadurch verdeutlicht, dass Bösewicht Santa Maria alias Sky du Mont in einer Postkutsche „Der Ölprinz“ liest – selbstverständlich in einer Ausgabe des Karl-May-Verlags (KMV) mit dem unverwechselbaren grün-goldenen Einband. Seine Schusswaffe ist aus massivem Gold, eine Referenz an das 007-Abenteuer „Der Mann mit dem goldenen Colt“. Nur ein (Film-)Zitat von vielen. So springen Abahachi und Ranger wie weiland „Butch Cassidy und Sundance Kid“ schreiend von einer Klippe ins Wasser, heißt der Zugführer Lukas wie jener aus Michael Endes Kinderbuch-Klassiker „Jim Knopf“ und selbst die „Drei Musketiere“ treten auf.
Winnetouch betreibt nun eine Tanzschule namens „Rumba-Ranch“
Die Story, wenn man überhaupt von einer sprechen mag, ist von untergeordneter Bedeutung. Nur so viel: Es geht den Ganoven darum, in den Besitz eines magischen Kanus zu gelangen, das angeblich Unsterblichkeit verleiht – siehe der Heilige Gral aus „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. In Wahrheit ist das mit 88 Minuten Laufzeit – inklusive der obligaten finalen Outtakes – angenehm kurze, handwerklich sauber gestaltete Werk eine Abfolge von streckenweise arg hausbackenen Sketchen. Mit Wortverdreher Dimitri als Griechen-Wirt – „Hellas Fellas“ steht auf dem Werbeplakat seiner Taverne –, mit Winnetouch, der nun eine Tanzschule namens „Rumba-Ranch“ betreibt und einem Hilfssheriff, der Sächsisch spricht …
Auffällig ist, dass sich an den Schwulenklischees – tuntig! – leider wenig geändert hat. Genauso wie an Herbigs aus der Zeit gefallenem Humor. Gag auf Gag, Wortgefechte, Kabbeleien, eingebettet im klassischen Western-Setting mit Schießereien, Verfolgungsjagd, Stahlross, (Silber-)See und Canyons – gedreht unter anderem in Almería und New Mexico. Dazu drei Songs von Herbig und Stefan Raab. Darunter: „Weil wir so supergeil drauf sind“. Wie gesagt: Wer’s mag.
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