Mannheim. „Leider wieder ein Mädchen“: Entsetzt las die 14-jährige Bertha den handgeschriebenen Eintrag mit dem Datum 3. Mai 1849. „Bin ich etwa weniger wert, weil ich ein Mädchen und kein Junge geworden bin?“ Diese Szene sagt viel über die damalige Zeit aus, als Frauen nicht studieren, ohne Zustimmung ihres Ehemanns weder arbeiten noch ein Bankkonto eröffnen durften. Sie sagt aber auch etwas über die Frau aus, die mit ihrer Lebensgeschichte bewies, dass auch eine Frau Außergewöhnliches leisten kann. Ohne Bertha Benz, die maßgeblich am Siegeszug des Autos beteiligt war, hätte ihr Mann, Carl Benz, den Traum von einem Wagen ohne Pferde nie verwirklichen können.
Anlässlich ihres 175. Geburtstags hat Schriftsteller Alexander Schwarz, Jahrgang 1964, ihre Lebensgeschichte in Form eines umfangreichen Romans unter dem Titel „Bertha Benz und die Straße der Träume“ aufgearbeitet. Überzeugend gelingt es ihm, historisch Belegbares mit Unterhaltung zu verbinden, Faktisches mit Fiktion auszuschmücken und psychologisch Komplexes in eingängige Bilder umzusetzen. Dieser biografische Roman gewährt dem Leser detailliert Einblicke in das Leben der „ersten Autofahrerin der Welt“ - und in die Geschichte des Automobils.
Sie zeigt früh ein Interesse an Technik
Die Handlung setzt da an, wo Bertha als 14-Jährige zufällig auf die Familienbibel stieß und den erwähnten Eintrag las. Diesen gibt es tatsächlich; wie das Mädchen darauf reagierte, hat sich der Autor ausgedacht. Ihm fiel es nicht schwer, sich vorzustellen, wie verletzt es sich gefühlt haben muss. Entrüstet fragt es sich: „Wie konnte nur meine Mutter diesen Satz schreiben?“ Ihre Mutter, Auguste Friederike Ringer, und ihr Vater, der wohlhabende Zimmermeister Karl Friedrich Ringer, zogen sie jedoch liebevoll und behütet in Pforzheim auf - eine Stadt, die Schwarz gut kennt. Er ist in Stuttgart geboren, Kindheit und Jugend verbrachte er aber in Pforzheim.
Sehr anschaulich fängt er das städtische Treiben Ende des 19. Jahrhunderts ein, die frühen Jahre Berthas mit ihren Geschwistern und den Freundinnen Hedwig und Louise, ihr frühes Interesse an Technik, die Zeit an der Höheren Töchterschule und die Bekanntschaft mit ihrem späteren Ehemann Carl Benz, die große Liebe ihres Lebens.
Großen Raum im Roman nimmt die „Straße der Träume“ ein, heute bekannt als Bertha-Benz-Memorial-Route. Im August 1888 fuhr die damals 39-jährige Bertha auf dem kurz davor patentierten dreirädrigen Motorwagen ihres Mannes von Mannheim nach Pforzheim und zurück. Da ihr Mann stets zögerte, die Tauglichkeit des Fahrzeugs zu beweisen, nahm sie - hinter dessen Rücken - selbst die Zügel in die Hand. Zu jener Zeit eine wahre Ungeheuerlichkeit. Ihrem Mut ist es zu verdanken, dass die Vorbehalte der Kunden zerstreut wurden, was die Entwicklung des Automobils beschleunigte. Mit dieser Romanbiografie hat Alexander Schwarz Bertha Benz ein lesenswertes Denkmal gesetzt.
Info: Alexander Schwarz: „Bertha Benz und die Straße der Träume“. Knaur Verlag, 400 Seiten, 17,99 Euro.
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