Literatur

Ein Brückenbauer der Literatur

Max Brod ist heute vor allem als Herausgeber seines Freundes Franz Kafka bekannt. Zu Gast war er auch in Mannheim

Von 
Joachim Hemmerle
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Der Schriftsteller und Philosoph Max Brod im Jahr 1954. © dpa

Was hätte ein Kellner zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem Gast eines Prager Kaffeehauses auf die Frage geantwortet, wer denn die beiden jungen Leute seien, die dort immer wieder lange zusammensaßen und sich angeregt unterhielten. Die Antwort: Na, der eine arbeitet bei der Versicherung und der andere bei der Post.

Max Brod, der ehemals junge Mann von der Post aus dem Prager Kaffeehaus, referierte im Oktober 1963 in der Mannheimer Kunsthalle über „Franz Kafka und das Prag der 20er Jahre“. Sein ehemaliger Gesprächspartner von einer Versicherung, dem er seinen Vortrag widmete, war mittlerweile als Literat weltbekannt. Brod fürchtete aber, dass sein lange verstorbener Jugendfreund eher „zu einem Gespenst“ statt zu einem realen Menschen gemacht würde. Bei einem Gespräch in Düsseldorf in den 1960ern sagte mir Brod, das ärgere ihn.

Max Brod war längst als Retter und Herausgeber des Werkes von Kafka, aber selbst auch als Dichter, Philosoph, Journalist, Biograph und Übersetzer, Schauspiel- und Musikkritiker, Komponist und Historiker bekannt. Trotz seiner Flucht vor den Nazis 1938 aus Prag, damals mit Kafkas Texten im Gepäck, blieb er nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Schoa seiner Mittlertätigkeit zwischen den Kulturen treu. Den israelischen Staatsbürger und Dramaturgen des dortigen Nationaltheaters bewegte es tief, Lessings „Nathan der Weise“ in hebräischer Sprache zu erleben: „Nicht etwa, weil ich die Augen davor verschließe, dass Kunst und politische Arbeit in getrennten Räumen vor sich gehen – sondern weil ich von der symbolischen Bedeutung der Kunst für beide Räume überzeugt bin.“

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Brods zahlreiche Bücher zeigen einen vielfältig gebildeten Menschenfreund, der Brücken zwischen Kulturen bauen wollte. Auch zur Überwindung der schrecklichen Kluft, die von 1933-1945 durch die Verbrechen Deutschlands an den Juden entstand, hat Max Brod nach Kräften beigetragen: Symbolhaft dafür steht sein Werk über den deutschen Humanisten Johannes Reuchlin, einen Mann, der verleumderischen judenfeindlichen Hetzern der frühen Neuzeit mutig entgegengetreten war.

Diesem Vermittler über ideologische Abgründe hinweg hat der Israeli Brod ein literarisches Denkmal gesetzt. Bei seinen Besuchen in der Bundesrepublik wirkte er als kultureller Botschafter und Mann des Friedens. Auch das 1969 in Tel Aviv erschienene deutschsprachige Gedenkbuch „Max Brod 1884 – 1968“ zeugt davon.

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