Zeitzeichen

Das Hänneschen aus Köln

Zu den Kölner Eigenarten zählt es, dass dort auch eine Puppe namens Hänneschen beheimatet ist. Obwohl uralt, erfreut sie sich noch immer großer Beliebtheit. Unser Kolumnist fragt sich, ob sie nicht auch literaturfähig wäre

Von 
Thomas Groß
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Mit den deutschen Millionenstädten ist das so eine Sache, mit diesen vieren selbst sowie damit, was man im Rest der Republik von ihnen und ihren Bewohnern hält. Die Menschen aus Köln gelten dabei mitsamt ihrer Stadt als vergleichsweise sympathisch, weltoffen und nicht schnöselig. Eigenarten haben sie aber durchaus. Vom Karneval, der alle zu „Jecken“ macht, wollen wir nicht reden, auch nicht vom Stadtarchiv, das einfach in sich zusammenstürzte; nicht vom Geißbock, der für einen Fußballclub mit Formwankelmut steht, und auch nicht lang vom sogenannten Köbes, der in Original-Schankstuben kellnert, wo jenes Bier ausgeschenkt wird, das so heißt wie die Mundart. Über den Köbes sei immerhin anerkennend gesagt, dass er in der Regel mit großer Merkfähigkeit und Additionstalent operiert, aber nicht gerade redselig ist – was ihn alles mit seiner Entsprechung im Wiener Kaffeehaus verbindet.

Nein, wir wollen uns einem anderen Kölner Original widmen, einem Superhelden, der um ein Mehrfaches älter und traditionsreicher ist als die freilich wirkungsmächtigeren der US-amerikanischen Popkultur namens Super-, Bat-, Spiderman nebst vergleichbaren -woman. Wir sprechen vom Hänneschen, das offenbar dem überregionalen Hänschen gleicht, der Verkleinerungsform zum Trotz aber ein ganzer gewitzter Kerl ist. Er, der äußerlich der Kasperlefigur des Puppentheaters ähnelt, ist, wie die Nachrichtenagentur dpa erklärt, bereits 222 Jahre alt. Und das Hänneschen ist Namensgeber eines Theaters, das mit seinesgleichen, nämlich Stabpuppen, in Inszenierungen für junges Publikum höchst erfolgreich wirkt. Man spiele Stücke, die „berühren und amüsieren“, lässt die Bühne wissen, die beiläufig sogar zugibt, dass ihr Gründer (nicht der Namensgeber), eigentlich aus einer Stadt stammt, der die Kölner nicht allzu herzlich verbunden sind, nämlich Bonn.

Das Hänneschen ist die älteste ortsfeste Puppenbühne im deutschsprachigen Raum und stellt sich laut eigener Aussage der Herausforderung, „eine schwierige Balance“ zu halten „zwischen ,Kölsch-Kultur’ und Allgemeingültigkeit“. Nicht anders ist mit der Stadt Köln insgesamt, aber auch vielen anderen städtischen Kulturen Deutschlands und der Welt. Der Schriftsteller Thomas Hettche hat ja schon der gleichfalls traditionsreichen Augsburger Puppenkiste den schönen Roman „Herzfaden“ gewidmet. Geht da noch mehr? „Herz-Hänneschen“ von Hettche – klingt das nicht ziemlich gut? 

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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