Theater

Wo Pflanzen Musik können: "Plant Session" eröffnet neue Reihe im Nationaltheater Mannheim

Nachwuchstalente bekommen beim Format "Ins kalte Wasser" im Nationaltheater die Chance zu einer Inszenierung oder Lesung. Den Anfang machte allerdings Ensemblemitglied Matthias Breitenbach. Er ließ Pflanzen erklingen

Von 
Christel Heybrock
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Matthias Breitenbach machte bei der NTM-Reihe den Anfang. © Kleiner/Michel

Mannheim. Einmal im Monat haben Nachwuchstalente des Nationaltheater-Schauspiels die Chance zu einer selbstständigen Arbeit, einer Performance, Inszenierung, Lesung, womit sie ins „kalte Wasser“ springen. Den Anfang machte allerdings Matthias Breitenbach, 61, bekannt unter anderem auch aus Film und Fernsehen. Ob seine jungen Nachfolger ihr Anliegen mit dem gleichen Engagement und ebenso locker präsentieren, wird sich zeigen. Mit Sicherheit werden sie keine großblättrigen Pflanzen auf dem Podium haben und damit Musik machen.

"Plant Sessions": Breitenbach lässt Pflanzen Musik machen

Es ist nicht die erste von Breitenbachs „Plant Sessions“ und wohl auch nicht die letzte, denn er widmet sich mit Leidenschaft unseren als „niedere Lebensform“ definierten Mitgeschöpfen. Er kombinierte vor dem Zuschauerhäufchen die Lesung einiger Kapitel aus dem Buch „Die Wurzeln der Welt“ des italienischen Philosophen Emanuele Coccia mit einer pflanzen-generierten musikalischen Darbietung, und die ging so: Auf dem Podium in der Werkhaus-Lobby standen drei NTM-eigene Pflanzen, zwei große, darunter eine Monstera, und eine kleine Efeutute. Ferner ein Tisch mit Laptop und Synthesizer, ein Sessel, in dem Breitenbach sich zum Lesen niederließ, ein Mikrofon und eine Gießkanne.

Der Star war eine der auf der Blattoberseite verkabelten Pflanzen, deren Saftzirkulation aufgenommen und im Synthesizer in akustische Daten verwandelt wurde. Wie ist es, wenn eine Pflanze Musik macht? Man kann nur sagen: erstaunlich nah. Die einfachsten Strukturen, die sich aber mehrschichtig (mehrstimmig) steigern und überlagern können, sind leichte, gleichmäßige Klackertöne im gleichen Rhythmus offenbar wie der eigene Herzschlag. Die Töne können sich melodisch entwickeln, vielleicht ist es ja auch mehr der Synthesizer, der das Pflanzenkonzert zu mächtigem, vielstimmigem Brausen anschwellen lässt. Aber immerhin spielte dabei ein Guss aus der Gießkanne eine deutliche Rolle.

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Duett gleichwertiger Lebewesen, die sich Existenzraum teilen

Breitenbach unterbrach die Musikdarbietungen immer wieder mit dem Vortrag aus Coccias Buch, in dem es etwa heißt: „Die Pflanzen sind die immer offene Wunde der metaphysischen Arroganz, die unsere Kultur definiert… Pflanzen sind das kosmische Geschwür des Humanismus…“ Coccia fordert ein anderes Bewusstsein für Pflanzen - sie sind unsere Lebensgrundlage. Unsere atmenden Körper sind ihr Geschenk an uns. Dass Breitenbach gegen Ende eine Tonpassage aus einem Horrorfilm einspielte, in dem Alien-Pflanzen die Menschheit absorbieren - es war kaum mehr als ein Gag. Aber sehr berührend, wie er zum Abschluss seine Stimme beschwörend in das komplexe Tongefüge seiner verkabelten Pflanze einbrachte, ein Duett gleichwertiger Lebewesen, die sich ihren Existenzraum teilen. Ohne einander zu verstehen? Was nehmen Pflanzen von uns wahr? Also, mein Kaktus Paulchen weiß, wer ich bin. Good vibrations kommen bei ihm an, von wegen niedere Lebensform.

Freie Autorin MM Kulturredaktion 1974-2001, Fachgebiet Bildende Kunst

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