Musik

Zwischen Tradition und Moderne: Derya Yildirim & Grup Simsek in Mannheim

In der Alten Feuerwache verwebt Derya Yildirim mit Grup Simsek anatolische Tradition mit modernen Einflüssen und entführt das Publikum auf eine hypnotische musikalische Reise

Von 
Karolin Jauernig
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Baglama-Spielerin Derya Yildirim singt auf Türkisch. © masterpress

Mannheim. Als Derya Yildirim & Grup Simsek in der Alten Feuerwache in Mannheim die ersten Töne anstimmen, hält das Publikum den Atem an. Der Abend beginnt verspätet und ohne angekündigtes Programm, doch die Erwartungshaltung ist hoch, denn die international besetzte Band nimmt das Publikum mit auf eine musikalische Reise, die anatolische Volksmusik, psychedelische Klänge und Jazz vereint. Im Zentrum steht Yildirim, die mit ihrer Baglama eine dichte, fast tranceartige Atmosphäre erschafft. Ihre Stimme, zunächst sanft und syllabisch, wächst in kraftvolle, hallende Klangwellen hinein, die den Raum füllen. Die Musik ist wie ein Fluss, der langsam seine Bahnen zieht.

Derya Yildirim & Grup Simsek bestehen seit 2014 und haben sich mit ihrem Stil einen Ruf erspielt, der sie von anatolischen Volksliedern bis hin zu modernen Einflüssen wie Pop und Funk führt. Yildirim, die ausschließlich auf Türkisch singt, fühlt sich ihrer Muttersprache tief verbunden: „Die Baglama ist ein Teil unserer Kultur. Sie steht für unsere Geschichte und Menschlichkeit“, erklärt sie dem Publikum.

Neben ihr auf der Bühne steht Schlagzeugerin Helen Wells aus Kapstadt, die seit 2022 den Rhythmus angibt. Graham Mushnik und Antonin Voyant, beide Mitglieder des in London ansässigen Kollektivs Catapulte Records, fügen dem Ganzen ihre nostalgischen Retro-Klänge hinzu, während sie Synthesizer und Gitarre spielen.

Die Musik baut sich langsam auf, jede Phrase wiederholt sich, bis sie von neuen Elementen abgelöst wird. Das Spiel der Baglama, begleitet von einem treibenden Schlagzeug und Castagnetten, erzeugt ein komplexes Klangbild, das gleichzeitig vertraut und fremd wirkt. Immer wieder gleiten Querflötentöne durch den Raum, erinnern an sanfte Brisen, die plötzlich von kräftigen Akkorden durchbrochen werden. Yildirims Stimme wird im Verlauf des Abends immer intensiver.

Die für westliche Ohren fast schief klingenden Zwischentöne der türkischen Musik durchziehen die Stücke und verleihen ihnen eine besondere Faszination, indem sie das Publikum in eine ungewohnte Klangwelt entführen.

Die tiefen emotionalen Schichten der anatolischen Volkslieder

Yildirim kündigt die Lieder auf Türkisch an, doch sie übersetzt die zentralen Themen – Natur, Flucht, und Gerechtigkeit – in bildhafte Metaphern, sodass auch das nicht-türkischsprachige Publikum die Botschaften versteht.

Die Band bewegt sich fließend zwischen melancholischen Passagen und euphorischen Ausbrüchen. In einem Moment wird die Musik leise, intim, nur um im nächsten Augenblick wieder explosiv aufzublühen. Die verschiedenen Instrumente – Baglama, Schlagzeug, Synthesizer und Gitarre – verschmelzen in einem grandiosen Finale, in dem Vergangenheit und Gegenwart zu einem einzigen Klangkörper werden. Es ist ein Konzert, das das Publikum nicht nur in die Welt Anatoliens, sondern auch in die tiefsten emotionalen Schichten der Musik entführt.

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