Mannheim. „Veni, vidi, violini - Ich kam, sah und vergeigte“: Anny Hartmanns Urteil über die deutsche und internationale Klimapolitik ist so scharfzüngig wie vernichtend. Allerdings kann die Kabarettistin aus diesem „größten vorstellbaren Politik- und Marktversagen“ jede Menge Honig saugen. Beim Spielzeit-Eröffnungskonzert des Mannheimer Nationaltheaters auf der Buga-Hauptbühne geigte die Rheinländerin den (nicht) handelnden Politikern die Meinung.
Auszüge aus ihrem aktuellen Solo-Programm „Klima-Ballerina“, für das sie den Deutschen Kleinkunstpreis 2023 erhielt, bildeten den roten Faden ihrer Moderation. Das Nationaltheater-Orchester (NTO) unter der Leitung von Janis Liepin präsentierte sich vor gut gefüllten Zuschauerreihen in der warmen Abendsonne in glänzender Spiellaune. Die 13 Musikstücke begeisterten die Zuhörer - mehrfach brandete schon Beifall auf, ehe die Musik geendet hatte. „Make Our Garden Grow“ war das zweistündige Open-Air-Programm betitelt, nach dem Motto aus Leonard Bernsteins Musical „Candide“. Ouvertüre und die gleichnamige Schlussnummer - als Zugabe vorgetragen von den NTM-Solisten Estelle Kruger, Julia Faylenbogen, Christopher Diffey und Kammersänger Thomas Jesatko - bildeten die musikalische Klammer.
Natur mal heiter, mal bedrohlich
Inhaltlich standen Natur und Nachhaltigkeit im Fokus des Konzerts im Rahmen des Projekts „greeNTO“, mit dem der Klangkörper als Klimabotschafter „mit Konzerten und innovativen musikalischen Veranstaltungsformaten das Thema Klima und Umwelt stärker ins Bewusstsein von Belegschaft und Publikum rücken“ will. Was sich in der Ankündigung noch verkopft las, gelang auf der Buga spielend leicht: Lieder von Gustav Mahler, Hector Berlioz oder das Blumenduett aus Delibes‘ Oper „Lakmé“ zeichneten die Natur mal als bedrohliche Gefahr, mal als heimeliges Idyll. Dem Gewitterdonner aus Beethovens sechster Sinfonie „Pastorale“ folgten der Blumenwalzer aus Tschaikowskys Ballet „Der Nussknacker“ und der bekannte „Hummelflug“ von Nikolai Rimski-Korsakow.
Nicht immer gelang Anny Hartmann die Verbindung von klassischer Musik und Kabarett so geschmeidig wie bei ihrer Überleitung vom Hummelflug aufs Artensterben. Doch der bissige Humor der studierten Diplom-Volkswirtin traf den Geschmack ihrer Zuhörer: Wie sie sich am emotionslosen Kanzler Oaf Scholz, an der langen Reihe von CSU-Verkehrsministern und an der FDP abarbeitete, die aus dem Koalitionsvertrag die „gelben Seiten“ gemacht habe und mit ihrer Blockadehaltung gegen Tempolimit und das Aus des Verbrennungsmotors als „Porschepartei Penis-Prothesen-Politik produziert“, sorgte für zahlreiche Lacher. Klimaschutz sei Menschenschutz, erklärte die Kabarettistin und klärte einige Missverständnisse auf. Zum Beispiel, dass Deutschland nur zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantworte? „Klar, weil Deutschland fast seine ganze Industrieproduktion ins Ausland verlagert hat.“ Und wer glaube, so ein kleiner Anteil CO2 in der Luft sei ja nicht der Rede wert, der müsse nur einmal in einem voll besetzten Fahrstuhl furzen.
Den erhobenen Zeigefinger sparte sich die Klima-Ballerina. Viel wichtiger sei doch, die Lebensfreude nicht zu verlieren. Ihr Rezept dafür: einfach mal „hui“ sagen. „Wer hui sagt, kann keine schlechte Laune haben.“
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/kultur_artikel,-kultur-spielzeit-eroeffnung-des-nationaltheater-orchesters-mit-musik-und-kabarett-_arid,2129648.html