Interview

Michael Herberger über sein erstes Semester an der Popakademie, große Fußstapfen und Xavier Naidoo

Der frühere Bandleader der Söhne Mannheims spricht über seinen Start als Musikbusiness-Direktor, die Leistung von Vorgänger Hubert Wandjo und die Entflechtung seiner Geschäftsbeziehungen mit Ex-Kompagnon Naidoo

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Jörg-Peter Klotz
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Michael Herberger vor dem Hafenpanorama in seinem Büro in der Popakademie. © Thomas Tröster

Mannheim. Glückwunsch Herr Herberger, wen man auch fragt: Man hört an der Popakademie nur Gutes nach Ende Ihres ersten Semesters als Musikbusiness-Geschäftsführer. Wie fällt Ihre eigene Bilanz aus?

Michael Herberger: Ich sehe es ähnlich positiv. Ich bin mit sehr viel Engagement und Elan an die Sache rangegangen. Und ich denke, das haben die meisten auch gemerkt. Ich habe es mir nicht leicht gemacht zu Anfang.

Inwiefern?

Herberger: Ich habe zum Beispiel gleich diverse Vorlesungen von meinem Vorgänger Hubert Wandjo übernommen. Ich hatte mich auch vor meinem Start am 15. September ein Stück weit eingearbeitet, Gespräche geführt und so weiter. Ich bin die Sache also mit dem nötigen Ernst angegangen. Aber das ist ja nicht spezifisch bei der Popakademie so. Entweder ich mache die Sache gescheit, oder ich lasse es ganz. Das ist der eine Punkt, den man sieht. Der andere: Ich glaube, die Position passt einfach für mich. Der Job, die Rolle... auch wenn Sie und ich da einen Dissens hatten.

In der Rolle im Business-Bereich gibt es keinen Dissens. Sie hatten sich ja ursprünglich für Udo Dahmens Posten als Künstlerischer Direktor beworben. Da hätte ich zum Beispiel aufgrund Ihrer Führungsrolle an der Seite Xavier Naidoos Probleme gesehen. Hatten Sie einen Plan, wie Sie das Thema offensiv angehen oder haben Sie abgewartet, was passiert?

Herberger: Ich kann bei dem Thema authentisch sein und gehe entsprechend offen damit um, wenn ich merke in Gesprächen kommen Fragen auf. Ich glaube, das ist auch goutiert worden.

Zu Michael Herberger

  • Der Musik- und TV-Produzent, Komponist, Studiobetreiber und Keyboarder Michael Herberger wurde am 25. Dezember 1971 in Mannheim geboren.
  • Seit 15. September 2022 ist er Nachfolger von Hubert Wandjo als Business-Direktor, Geschäftsführer und Fachbereichsleiter Musik- und Kreativwirtschaft an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim.
  • 1995 gehörte der Urgroßneffe von Fußball-Trainerlegende Seppl Herberger zur Gründungsformation von Xavier Naidoos Band Söhne Mannheims, die der Diplom-Biologe bis zum ersten Ausstieg des Führungsduos im Februar 2012 leitete.
  • Zusammen mit dem umstrittenen Sänger führte Herberger u. a. die Naidoo Herberger GbR, zu der ihr gemeinsamer Studiokomplex in Mannheim gehört. Seit 2017 geht das lange befreundete und erfolgreiche Duo getrennte Wege.
  • Seit 2014 produziert „Michel“ Herberger für VOX die erfolgreiche Musik-TV-Sendung „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ und die dazugehörigen Alben. Dafür gewann er 2014 den Deutschen Fernsehpreis und 2015 zwei Echos.

 

Dass Naidoo sich kurz vor der Entscheidung an der Popakademie in einem Video entschuldigt hat, hat auch nicht geschadet, oder?

Herberger: Nein, ihm selbst bestimmt auch nicht. Wie viel es genützt hat, wird sich zeigen..

Wie lief die Einarbeitung mit Hubert Wandjo?

Herberger: Super! Wir kennen uns ja ewig. Als im August klar war, dass es wohl was wird, habe ich mir von ihm Literatur schicken lassen. Ab Anfang September haben wir uns getroffen, und dann ging es mit Charts im Vorlesungsraum los: Er hat mir Strukturen aufgezeichnet, Namen gegeben – klassisches Briefing. Der nächste Schritt war, dass ich mich mit den Menschen, die an mich berichten, zu Einzelgesprächen getroffen habe.

Wandjo war ja schon ein Schwergewicht in der deutschen Musikbranche, bevor er mit Udo Dahmen vor 20 Jahren die Popakademie gegründet hat. Das sind große Fußstapfen. Zumal man den Output des Business-Studiengangs, gemessen am Erfolg der Studierenden, wohl nur schwer toppen kann. Wie definieren Sie diesbezüglich Ihre Ziele? Den Level zu halten wäre ja schon gut.

Herberger: Das sehe ich ähnlich. Das Wichtigste ist, einen reibungslosen Übergang zu finden. Das ist uns gut geglückt. Außerdem hat mir Hubert gleich gesagt: „Die Leute, die ich kenne, kennst Du auch.“ Ganz so deckungsgleich ist es vielleicht nicht. Aber ich bin ja auch schon seit fast 25 Jahren im Geschäft. Und war auch nicht der klassische Mucker, der nur auf der Bühne stand. Sei es Label, Netzwerk, Verlag, Studiokomplex und so weiter – ich habe mich ja immer auch für das Wirtschaftliche interessiert. Wohl deswegen hat Hubert aus der Branche ausschließlich Glückwünsche zur Nachfolgeregelung bekommen, wie er mir sagt. Nach dem Motto: „Der Michel macht das? Super! Passt prima.“ Also: Es stimmt zwischen Hubert und mir. Das Feedback aus der Branche ist gut. Dann geht es beim reibungslosen Übergang schon nur noch ums Tagesgeschäft. Darum, erstmal den Stand zu halten.

Gab es da Anlaufschwierigkeiten?

Herberger: Nein, dafür ist der Unterbau der Popakademie zu gut. Denn Hubert hat hier eine Superstruktur geschaffen, auf die man wunderbar aufsetzen kann. Weil er nicht Top-down, also strikt hierarchisch, gearbeitet hat, neben seinen eignen sensationellen Leistungen hier.

Hatten Sie überhaupt schon Gelegenheit, neue Akzente zu setzen?

Herberger: Doch, doch. Etwas provokant formuliert: Für Außenstehende wirkt die Popakademie manchmal wie ein Elfenbeinturm. Ich bin dafür angetreten, sie stärker hier in Mannheim zu verwurzeln. Sei es mit der städtischen Startup-Förderung Next Mannheim oder dem Mittelstand – wir sind jetzt auch Teil der Mannheimer Runde geworden. Mir geht es darum, zu schauen: Wie kann die Popakademie als wichtiger nationaler und internationaler Player in den Kontext kulturelle Stadtentwicklung und Unesco City of Music stärker eingebunden werden. Gerade bei Letzterem ist meiner Meinung nach noch viel zu tun. Da ist die Popakademie ein wichtiges Pfund. Auch mit der Mannheim Music Week könnte man mehr machen. Nur, wenn man die richtigen Akteure nicht zusammenbringt, dann verzettelt sich das Ganze. Die entsprechenden Leute zu vernetzen, ist in den letzten Monaten einer meiner Schwerpunkte gewesen.

Wie bewerten Sie denn die bisherigen Versuche, sich mit der Stadt zu verzahnen – über Arbeit in Schulen oder Konzerte?

Herberger: Es ist die Frage, wie man’s macht. Wir brauchen keine Marketing-Kampagne, damit man uns stärker wahrnimmt. Es geht vielmehr um die Wahrnehmung, was wir konkret bieten können: Viele wissen zum Beispiel nicht, dass wir mit Klinkt eine hauseigene Agentur haben, bei dem man alles rund um das Thema Musik buchen kann. Wer das nicht weiß, kann es nicht nutzen und unsere Studierenden buchen. Dann tauchen die auch nicht in der Stadt auf. Da kann man über einfache Stellschrauben viel bewirken.

Die Blind Dates mit Popakademie-Kreativen in der Buga-Seilbahn können sicher helfen.

Herberger: Das ist ein Ziegelstein. Das war eine Superidee.

Was mussten Sie für den Posten an der Popakademie von ihren bisherigen Tätigkeiten aufgeben?

Herberger: Aufgeben musste ich nicht viel, was ich nicht ohnehin aufgeben wollte. Ich werde weiterhin noch „Sing meinen Song“ machen, als Executive Producer. Da waren wir gerade für die zehnte Staffel in Südafrika mit Johannes Oerding als Moderator und zum Beispiel Nico Santos, Stefanie Kloß, Lea sowie Clueso. Das ist ja nach wie vor ein sehr erfolgreiches Format, das auch hier auf die Stelle einzahlt, glaube ich. An Akademien will man ja Jemanden, der kein Theoretiker ist, sondern auch praktisch arbeitet. Dann habe ich noch mein christliches Label One For All bei der Universal. Das kann ich noch machen. Was nicht mehr geht, ist spielen, Songs selbst produzieren und auf der Bühne stehen. Selbst zu produzieren, musste ich schon aus Zeitgründen aufgeben. Aber da habe ich auch selbst gemerkt, dass da meine Zeit einfach um ist.

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Sehr weise. Gibt es den Naidoo/Herberger-Studiokomplex noch? Als Studiobetreiber ist es ja womöglich ein schmaler Grat zwischen Compliance, also Interessenkonflikten, und Synergie-Effekten für die Popakademie?

Herberger: Den gibt es noch. Der läuft inzwischen ganz autark. Wir sind da quasi nur Vermieter der Einzelstudios. Um nicht in einen Interessenskonflikt zu kommen, vermeide ich etwaige Synergien. Auf Dauer sehe ich den Komplex als klassischen Kreativ-Musik-Hub, der sich in bald 20 Jahren etabliert hat und der auch funktioniert, ohne dass Naidoo oder Herberger drüber steht. Eigentlich sehe ich ihn auf Dauer in öffentlicher Hand, um ihn weiterzuentwickeln. Dann könnte man auch Synergien mit der Popakademie finden. Wenn ich da als Privatperson drinstecke, finde ich das schwierig.

Die Entflechtung der diversen Geschäftsbeziehungen mit Naidoo läuft also noch?

Herberger: Ja, da sind wir dran. Die arbeiten wir auf und kommen auch Stück für Stück voran.

Was ist der Zielzustand?

Herberger: Dass man komplett getrennte Wege geht.

Was wird dann aus den bislang gemeinsamen Studios?

Herberger: Das ist eine der Herausforderungen, die man irgendwann mal lösen muss. Es gibt einfachere Themen. Etwa Sachen, die wir in der Vergangenheit gemeinsam gemacht haben, und die jetzt nicht mehr stattfinden. Bei anderen Dingen muss man sich mal tief in die Augen schauen und entscheiden: Wie machen wir das? Der gesamte alte Katalog an Liedern und Rechten, die wir geschaffen haben wäre zum Beispiel jetzt schwierig zu trennen.

Wann haben Sie ihm das letzte Mal tief in die Augen geschaut?

Herberger: Das ist schon sehr lange her.

Hatten Sie nach dem Entschuldigungsvideo nicht den Impuls, ihn mal anzurufen?

Herberger: Nein.

Wie sehen Sie Status quo und Entwicklung der Musikwirtschaft?

Herberger: Das sehe ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wir haben in Deutschland 2022 um 6,1 Prozent zugelegt und zum ersten Mal seit Ewigkeiten mehr als zwei Milliarden Euro umgesetzt. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, auch gemessen an den Allzeit-Hochs, als noch viele CDs verkauft wurden. Was ein Problem ist: Da wo viel Geld generiert wird – beim Streaming –, da kommt nichts bei den Künstlerinnen und Künstlern an. Man kann grob sagen: Für eine Million Streams gibt es rund 4000 Euro – aber für alle Beteiligten, also Label, Verlag Künstler und Management.

Der Kern des Problems, zumindest wenn man künftig nicht nur Superstars und Altmeister hören möchte: Als jüngerer Act und ab dem Mittelfeld fallen seit der Pandemie auch die essenziellen Live-Einnahmen so gut wie weg. Was tun?

Herberger: Klar ist: Die Kreativen müssten mehr bekommen. Da ist die Frage: Bekommt man das mit den Majors, Spotify und Co. hin? Die großen Plattenfirmen und jetzt auch Streamingdienste haben nichts von Ihrer Marktmacht eingebüßt beim Wechsel von CD zu Streaming, das alte Businessmodell gilt noch. Sie stehen sogar besser da als vorher. Weil ihnen der größte Teil des Back-Katalogs gehört, der digital den größten Umsatz macht. Für „kleine“ Künstlerinnen und Künstler lohnen sich CDs kaum noch, also werden sie quasi in die Social-Media-Ecke getrieben. Aber da wird’s auch interessant.

Sie wollen auf Rundum-Eigenvermarktung hinaus...

Herberger: Ja. Stichwort: Artist Economy. Sprich: Influencing mit TikTok, Instagram und den Kooperationsmöglichkeiten, die sich da ergeben. Zum Beispiel, dass du selbst Werbung schalten kannst, aber auch viele andere Möglichkeiten hast, deine Musik zu bewerben. Und wenn du heute weniger als 100 000 Follower auf TikTok hast, wird dich auch kaum noch ein Major-Label unter Vertrag nehmen. Da muss man erstmal hinkommen. Das ist extrem diffizil, eine völlig neue Welt. Da kann ich verstehen, dass Etablierte nicht mehr mitkommen. Einfach, weil sie keinen Bock haben, jeden Tag ein TikTok-Video zu posten. Das hat auch nicht jeder 20-Jährige. Aber früher konntest du dich auf Musik konzentrieren, heute gehört es zum Erwerbsmodell, regelmäßig auch anderen Content zu kreieren.

Das Problem ist ja auch, dass sich außer Gringo Mayer in der Kurpfalz zurzeit niemand über die Live-Ochsentour bekannt machen kann. Weil niemand unbekannte Bands anschaut. Und nicht jeder Stil eignet sich für TikTok, etwa Neo-Progrock von der Popakademiker-Band The Intersphere...

Herberger: Da wäre ich mir in dem Fall gar nicht sicher. Ich weiß aber nicht, was die auf TikTok machen. Aber man staunt, dass das Durchschnittsalter der TikTok-User bei weit über 30 Jahren liegt und weiter steigt. Das darf man nicht unterschätzen. Dann kommt noch YouTubeShorts dazu.

Ich will das gar nicht kleinreden. Aber wie kann man das Live-Dilemma lösen?

Herberger (zeigt auf den Titel des Branchenmagazins „Musikwoche“ auf seinem Tisch): Gar nicht, leider. Wenn ich da eine Lösung hätte, wäre ich da auf der Titelseite. Über das Thema zerbrechen sich ja gerade alle den Kopf. Es gibt kein Schema, das man sieht und dann durchbrechen könnte. Denn es gibt ja noch Massenphänomene, so unterschiedlich wie Roland Kaiser und Apache 207. Der verkauft teilweise in Minuten große Hallen aus. Dann gibt es einen Zwischenbau, der live wieder leidlich funktioniert – aber vor Corona super lief. Dann hast Du noch das andere Problem, dass Deutschpop im Radio gar nicht mehr stattfindet. Ich weiß gar nicht, wie das passieren konnte. Als Xavier damals angefangen hat, gab es ja ungefähr das gleiche Problem. Aber dann wurde es richtig mega, mit einem Radio-Hit nach dem anderen.

Ist Radio überhaupt noch ein Faktor?

Herberger: Radio ist immer ein Faktor, weil es kostenlose Promo ist und die Leute es ja immer noch hören. Aber es kommt ein wenig auf die Zielgruppe an. Aber auch Jüngere hören Radio, etwa im Auto der Eltern.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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