Ausstellung

Gustav Metzgers "Strampelnde Bäume" in Frankfurt zu sehen

In einer eindrucksvollen Retrospektive entführt das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt seine Besucher in die Welt Gustav Metzgers, eines Pioniers der Aktionskunst. Die Ausstellung thematisiert die brisante Auseinandersetzung zwischen Mensch und Natur

Von 
Christian Huther
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Frankfurt/Manin. Fünf Bäume stecken kopfunter in Beton, die Wurzeln ragen in die Luft. Die Kronen erhalten also kein Licht und die Wurzeln kein Wasser. Bald werden die „Strampelnden Bäume“, so der Werktitel, kläglich eingehen. Ihr Strampeln ist ein Überlebenskampf, ein Bild für die Unterwerfung der Natur durch den Menschen. Mit dieser Mahnung beginnt die erste große Retrospektive über Gustav Metzger (1926-2017), der 1939 als Kind jüdischer Eltern nach England verschickt wurde.

Zwei Werke stehen für Gewalt und Zerstörung durch den Menschen

Freilich hat es das zweite Werk vor dem Frankfurter MMK-Tower, der Filiale des Museums für Moderne Kunst (MMK), noch mehr in sich, auch wenn es sich nur um wenige Meter Teer handelt, die vor dem Museumseingang ausgewalzt wurden. Der Teer heißt landläufig auch Judenpech, eine Bezeichnung, die schon Plinius der Ältere für den Naturasphalt aus dem Raum um das Tote Meer wählte. Das Material ist bis heute gefragt, aber sein Name hinterlässt bei uns einen schalen Beigeschmack.

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Von
Karolin Jauernig
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Diese zwei Werke stehen für Gewalt und Zerstörung, die wir der Natur und den Menschen angetan haben oder noch immer antun. Gustav Metzger hat beides in seinem langen Leben am eigenen Leib erfahren, aber seine künstlerischen Aktivitäten wurden lange übersehen oder gar verdrängt.

Erst im hohen Alter wurde Metzger als Pionier der Aktions- und Performance-Kunst anerkannt. Er war „ein Konzept-Künstler“, meint MMK-Chefin Susanne Pfeffer, die knapp 100 seiner Werke zusammen mit Kuratorin Julia Eichler ausgewählt hat.

Von seinen zahlreichen Werken blieben oft nur Fotos oder anderes Dokumentationsmaterial über, da er schon 1959 im ersten Manifest seiner „Autodestruktiven Kunst“ die Idee entwickelte, dass diese Art von Kunst „ein Element in sich trägt, das innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als zwanzig Jahren automatisch zu ihrer Zerstörung führt“. Folglich bemalte er nicht mehr Leinwände mit Ölfarben, sondern Nylonplanen mit Säure, die bald in Fetzen herabhingen, wie ein Video zeigt. Die Erinnerung an den Prozess war ihm wichtiger als das Bild.

Gustav Metzger gelang es auch, historische Fotos völlig neu zu zeigen, indem er sie dem Blick des Betrachters entzog. „Zum Hineinkriechen - Anschluss“ heißt ein Werk von 1996, das mit einem großen gelben Tuch abgedeckt ist. Darunter entdeckt der halb kriechende, halb kniende Betrachter ein vergrößertes Foto von Juden, die 1938 in Wien auf Knien eine Straße schrubben mussten und dabei vom Volk begafft wurden - geschehen beim „Anschluss“ Österreichs ans deutsche Nazi-Reich. Das gelbe Tuch erinnert an den knallgelben Judenstern.

Ein anderes Foto der marschierenden Hitlerjugend ist sogar zwischen zwei Stahlplatten eingeschweißt. Dieses Bild hat das MMK schon früher erworben, nun folgen 30 bis 40 weitere Werke. Damit hat das MMK die größte öffentliche Sammlung in Europa. Ein Glücksfall, denn heute sind Metzgers Werke wichtiger denn je - diese Schau sollte man unbedingt sehen. Der in Nürnberg geborene Künstler lebte Ende der 80er-Jahre auch eine Weile in Frankfurt, bevor er wieder nach London zog.

Info: MMK-Tower, Frankfurt, bis 5. Januar. www.mmk.art

Freier Autor Als freier Kulturjournalist im Großraum Frankfurt unterwegs; Schwerpunkte sind bildende Kunst und Architektur. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie.

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