Literatur regional

Almanach widmet sich Dada-Mitbegründer Hugo Ball

Seit 1977 veröffentlicht die Hugo-Ball-Gesellschaft in Pirmasens den „Ball-Almanach“ mit wissenschaftlichen Arbeiten zu Hugo Balls Werk. Die neue Ausgabe enthält auch sein Bahnhofsgedicht, das erst kürzlich wieder auftauchte

Von 
Karolin Jauernig
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Hugo Ball: Dada-Gründer, Autor und Lautgedicht-Pionier. © Anonymous/Public domain,/Wikimedia Commons

Pirmasens. „Graw. Brummbumm! Schwingel-schwangel-schwick“ – mit diesen skurrilen Lauten experimentiert Eckhard Faul, Redakteur der Hugo-Ball-Gesellschaft, indem er ChatGPT ein Lautgedicht im Stil von Hugo Ball erstellen lässt. Digitale Unterstützung ist nicht nötig, denn die Forschung bringt weiterhin auch echte Ball-Verse ans Licht –Verse von Hugo Ball (1886-1927), einer Schlüsselfigur der literarischen Avantgarde und Mitbegründer der Dada-Bewegung.

Der Dadaismus, entstanden während des Ersten Weltkriegs, steht für einen grundsätzlichen Zweifel an allem, für absoluten Individualismus und die Zerstörung festgefahrener Normen. Seit 1977 veröffentlicht die Hugo-Ball-Gesellschaft in Pirmasens, wo der Dichter geboren wurde, jährlich den „Ball-Almanach“ mit wissenschaftlichen Arbeiten zu Balls Leben und Werk, der weiterhin zahlreiche Künstler und Individuelle inspiriert.

Die neue Ausgabe beleuchtet eine Entdeckung Ulrich Hermanns: ein bisher unbekanntes Gedicht des 20-jährigen Hugo Ball über den Frankfurter Hauptbahnhof. Ball beschreibt ihn als ein modernes Monument mit „titanenhaft zur Halle getürmten Eisenmassen“, gefertigt von „Hephästos’ Schmiedehämmern“, die die technische Macht symbolisieren.

Entfremdete Atmosphäre und Anonymität im urbanen Leben

Der ankommende Zug wird mit einem „Schrillpfiff, daß die Wände zitternd ihn zehnfach widerwerfen“ und Maschinen, die „nach Atem ringen“, lebendig dargestellt. Der Erzähler erlebt die entfremdete Atmosphäre des urbanen Lebens und das Gefühl der Anonymität: „Es kennt mich niemand und ich kenne keinen.“ Ball fängt die intensiven Eindrücke des Bahnhofslebens ein, die ihn schließlich vom Menschenstrom fortreißen. Der Almanach widmet sich dem Leben und Werk des Dada-Pioniers Ball. Mit seinen umstrittenen antisemitischen Äußerungen aus dem Jahr 1919 und seiner folgenden Distanzierung davon befasst sich Bernhard Rusch; er liefert damit tiefe Einblicke in die Entwicklung von Balls Denken.

Dada Genf: Avantgarde und stilistische Herausforderungen

Wilfried Ihrig wirft im Beitrag „Dada Genf“ ein Licht auf die Phase des Dadaismus, die sich von 1919 bis 1920 in Genf abspielte. Zudem werden die stilistischen Herausforderungen der Avantgarde und die Verbindung von Literatur und Kunst beleuchtet. Der Almanach ehrt auch Hugo-Ball-Preisträger wie Thomas Hürlimann, dessen Werk stark von Ball inspiriert ist. Salome Hohl beschreibt das Cabaret Voltaire in Genf, das ein Zentrum der Dada-Bewegung war und deren Tradition mit innovativen Programmen fortsetzt – es ist noch heute ein Ort der Avantgarde und zieht weiterhin Künstler an. Zum Abschluss werden neue Publikationen zu Dada und Hugo Ball rezensiert, die die anhaltende Bedeutung der Bewegung unterstreichen. Der Almanach bietet wertvolle Einblicke in die Avantgarde im Allgemeinen und besonders den Dadaismus – und ermöglicht dadurch auch eine erfrischende Auszeit von der alltäglichen Ernsthaftigkeit.

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