Nationaltheater (mit Fotostrecke)

Eröffnung der Oper "Opal": Sogar Darth Vader kommt nach Mannheim

Mit dem streitbaren Kaleidoskop „Création(s)“ zeigt das Nationaltheater Mannheim mit zwei Jahren Verspätung zur Eröffnung der Oper am Luisenpark (Opal) die technischen Möglichkeiten des Ersatzbaus. So lief die Eröffnung

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Stefan M. Dettlinger
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Auch die aus "Star Wars" bekannte Figur Darth Vader war bei der Eröffnung des Mannheimer Opal zu sehen. © Markus Prosswitz

Mannheim. Na ja. Sogar im Universum hat sich offenbar herumgesprochen, dass in Mannheim ein neues Opernhaus eröffnet wird. Selbst die dunkle Seite der Macht hat von diesem Wunder erfahren, schließlich schließen die Erdlinge seit Jahren und Jahrzehnten eher Theater, als dass sie welche eröffnen. Grund, mal wieder sein altes Raumschiff aus der Garage zu holen. Anakin Skywalker also, besser bekannt als Star-Wars-Schurke Darth Vader, stattet der Oper am Luisenpark also einen Besuch ab.

Ob der Jedi-Ritter mit seinem Schlitten noch einen der 90 Pkw-Stellplätze ergattert hat, die die Oper auf dem Friedensplatz nebenan angeblich nur bereithält? Egal. Er ist da! Mit Laserschwert und schwarzer Rüstung schreitet der dunkle Fürst gravitätisch und schwer schnaufend die Treppen hinunter und setzt sich … nein … neben den Vertreter der hellen Seite der Macht: unseren Oberbürgermeister Christian Specht, dessen Handeln stets den demokratischen Vorgaben eines gewissen Jesus Christus folgt.

Opal-Eröffnung: Gott und der Teufel verstehen sich besser als erwartet

Specht allerdings sieht neben dem extraterrestrischen Darth Vader rund zwei Köpfe kleiner aus. Fast mickrig. Und Gustav Holsts giganteske „Planeten“-Musik, die aus Klang Galaxien, Sonnensysteme und Himmelskörper schafft, tut das Übrige, damit wir Erdlinge uns wie Atome fühlen. Sie verbreitet intergalaktische Größe, bei der etwa beeindruckt, wie die Blechbläser aus dem Graben rausfetzen. Ein Sondermoment.

Kommentare Jetzt geht es erst los für die Oper am Luisenpark

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Stefan M. Dettlinger
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Der Eröffnungsabend in der Oper am Luisenpark (Opal) ist da schon mehr als drei Stunden alt, und die beschriebene Szene schenkt uns einen der wenigen Momente, in denen uns Kunst der Zeit, des Ortes und der Materialität enthebt, ja, wir zu schweben beginnen. In der Kunst. In der Fantasie. In der Poesie. In unseren eigenen Traumwelten.

Der Weg dorthin ist durchaus mühsam. Schon eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Beginn arbeitet die androgyne Gottesfigur Marie Smolka an der Schöpfung. Sie, die halb nackt eher Frau ist und doch einen langen Vollbart trägt (das macht man heute so), hat allerlei Unrat um sich geschart. Monde, Wolken, ein altes Radio und viele Bücher und Lebensmittel. Ein Antiquariat. Aber offenbar fühlt sich das gottende Wesen etwas allein, weswegen der Abend ziemlich schnell eine zweite Kreatur gebiert: den Teufel, der krachend vom Himmel fällt und von einem nonverbalen Chor (Monteverdi) empfangen wird.

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Was der Mannheimer Oberbürgermeister Specht in der Oper Opal lobt

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Peter W. Ragge
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Die beiden verstehen sich gut und unterhalten sich. So dichotomisch sind Gut und Böse gar nicht angelegt, denkt man. Das Böseste im ersten Teil des Abends ist eh der Regisseur. Lorenzo Fioroni, der am Goetheplatz so etwas Geniales wie Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ hingelegt hat, quält uns mit Ereignislosigkeit und fehlender Spannung. Postdramatisches Allerlei. Der Abend hat etwas vom Volksbühnentheater der 1990er Jahre, der Ära Frank Castorf – aber eben ohne das Funkensprühen Frank Castorfs.

Erster Höhepunkt bei der Opal-Eröffnung: Das göttliche Adagio aus Mozarts Serenade KV 361 „Gran Partita“

Na ja. Es dauert jedenfalls viel zu lang, bis dieses „ganz große Schöpfungstheater“ namens „Création(s)“ ins Rollen kommt. Man sitzt und sitzt und sucht. Sinn. Bezeichnend ist da, dass erst um 18.23 Uhr – man sitzt und sucht da wegen des inszeniertes Einlasses schon eine ganze Weile – endlich das Orchester unter der Leitung von Clemens Heil die Instrumente einstimmt.

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Eröffnungsnacht im "Opal" - Eindrücke aus der NTM-Ersatzspielstätte

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In der Folge erlebt man musikalisch so einiges. Die ikonografischen Hits der Klassik-Popstars geben sich die Klinke in die Hand, dabei erklingen schon auch mal Beethovens Fünfte und Händels „Halleluja“ gleichzeitig. Ein klingendes Wachsfigurenkabinett. Musikalischer Höhepunkt von Teil eins: das göttliche Adagio aus Mozarts Serenade KV 361 „Gran Partita“ – live von elf Solisten des Orchesters auf der Bühne gespielt. Ohne Schnickschnack. Einfach nur Kunst und Genie.

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Hier geht es um die Schöpfung der Welt (und  der Oper), und da ist das Alte Testament der Bibel samt Genesis doch naheliegend. Adam und Eva treten auf, essen vom Apfel, Kain erschlägt Abel. Et cetera. Und ganz anders, als Gott die Welt und das Universum erschuf, nämlich schlecht, so erschufen die Dinosaurier der Musikgeschichte die Operngeschichte gut. Deswegen treten sie in den entsprechenden Dino-Kostümen auf: Brahms. Puccini. Rossini. Mozart. Strauss. Bach. Verdi. Wagner. Bizet. Liszt. Wagner. Mahler. Als Saurierpräsident: Beethoven. Wie bitte?

Einer der intimen Höhepunkte der Opal-Eröffnung: Zielke spielt Klavier und singt

Ein wilder Abend mit Mannheim-Reminiszenzen, Fußballspiel und einem ein Kind gebärendes Klavier vor mit 760 Gästen voll besetztem Auditorium. Und man kann trotz bescheidener künstlerischer Bilanz konstatieren: Es macht schon Freude zu sehen, dass die Oper des NTM mit rund zweijähriger Verspätung endlich ein neues Zuhause hat, das Raum bietet, eine ausgereifte Technik und vor allem auch: Klang.

Création(s): Die Oper zur Opal-Eröffnung

  • Die Idee: Es soll zur Eröffnung der Oper am Luisenpark (Opal) ein theatraler Anfang sein, eine Schöpfung oder eine Art Weihe, bei der Gott und der Teufel genau so eine Rolle spielen wie Adam und Eva und die Genesis: In Musikstücken aus der Entstehungszeit der Gattung Oper um 1600 bis heute, von Monteverdi bis Karukas hat Komponist Christian Dellacher ein rund 150-minütiges wildes Kaleidoskop der Musikgeschichte arrangiert.
  • Die Besetzung: Beteiligt sind dabei zwölf Solisten der Oper, darunter Gäste, plus sieben weitere Menschen, das Nationaltheaterorchester, der Opern-, Extra- und Bewegungschor, die Statisterie – alles unter der Leitung von Lorenzo Fioroni (Regie) und Clemens Heil (Dirigent).
  • Die Termine: 13. (18 Uhr), 16. (19.30 Uhr) und 18. (19 Uhr) Oktober in der Oper am Luisenpark. Bis zum 20. Oktober findet eine intensive Woche der Opal-Bespielung mit Überraschungen, Café-Concert, einem Liederabend und am kommenden Wochenende mit einem Tag der Musik statt.
  • Info und Karten: nationaltheater-mannheim.de (Tel. 0621/1680 150).

 

Beispiel gefällig? Patrick Zielke singt – sich selbst am Flügel mit schweren Akkorden begleitend – gegen Ende des rund 180-minütigen Abends den „Doppelgänger“  aus Schuberts Liederzyklus „Schwanengesang“ nach Heinrich Heine. Eindrucksvoll. Unverstärkt füllt das Kunstlied locker die ganze Opal. Die akustische Übertragung von der Bühne in die Sitzreihen funktioniert ziemlich gut, besser als die aus dem Orchestergraben ins Auditorium. Vor allem die Streicher klingen mitunter etwas indirekt.

Die Euphorie der Eröffnung mit der großartigen Leistung aller Gewerke, Kollektive und Solisten überwiegt also die künstlerischen Schwächen. Der ganze erste Teil ist vor allem eines: verwirrend bis ärgerlich. Krude Szenen, krude Worte, beides weitgehend so, dass man nach der Bedeutung zwischen Gott und Teufel, zwischen Sein und Nicht-Sein ständig suchen muss.

Der Humor, den Regisseur Lorenzo Fioroni hier hineinpacken wollte, zündet nur punktuell – etwa in der besagten Szene, in der die Komponisten als Dinos auftreten – und später dann auch noch die berühmtesten Opernarien von Donizettis „Una furtiva Lagrima“ bis hin zu Mozarts „La ci darem la mano“ singen. Unbegreiflich: Warum werden sie dabei von einer Orgel und nicht vom im Graben sitzenden Orchester begleitet, das sich dort über den gesamten ersten Teil des Abends ziemlich langweilt, weil das meiste aus der Konserve oder der Orgel kommt. Wer plant so etwas?

Opal-Eröffnung: Die berühmten Standing Ovations sind schon Teil der Inszenierung

Aber immerhin: Wenn der Wagner-Dino voll ausflippt, als das NTO das Vorspiel zu „Walküre“ spielt, so ist das schon lustig. Überhaupt versöhnt der ganze zweite Teil etwas. Es gibt mehr Musik, und die Leistungsschau von Mensch und Maschine überrumpelt einen hin und wieder emotional. Irgendwann rotiert sogar die 15 Meter durchmessende Drehbühne, und wenn am Ende dieses Potpourris Rossinis Chor „Freiheit, kommt vom Himmel herab“ fordert, sollen die Menschen eigentlich aufstehen und mitsingen. Das mit dem Singen hat nicht funktioniert. Zum Schlussapplaus war man da aber schon in der richtigen Position für die berühmten „Standing Ovations“. Feierlaune inklusive. Klug gemacht.

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Das sagt das Mannheimer Publikum über die „Opal“

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Peter W. Ragge
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Na ja. Wer aber „das ganz große Schöpfungstheater“ ankündigt, muss sich schon an den eigenen Ambitionen messen lassen, und da fällt die Bilanz nicht gut aus. Selbst der Teufel ist sich da nicht ganz sicher: „Für den Anfang war das doch schon ganz gut“, sagt er irgendwann, „da war doch schon viel Gutes dabei.“ Er weiß: Da ist noch mehr Luft nach oben als nach unten.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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