Mannheim. Wer am Montagabend noch nicht wusste, wer gleich beim Zeltfestival Rhein-Neckar spielt, hätte meinen können, es sei Iron Maiden. Überall in den Straßenbahnen in Richtung Maimarkt gab es „Maiden-Shirts“ zu entdecken - leicht zu erkennen durch das Monster „Eddie“. Aber Irrtum: Nicht Iron Maiden, sondern deren Frontmann Bruce Dickinson ist allein auf Tour mit seinem Solo-Programm. Sein erstes Album seit 19 Jahren hat er dieses Jahr abgeliefert. „The Mandrake Project“ heißt es. Zu seinem Konzert in Mannheim strömen Tausende Besucher schon früh. Denn Dickinson kommt nicht alleine, sondern mit Vorband.
Die Auftaktgeber sind an diesem Abend Dominum, eine vierköpfige Power-Metal-Band aus Nürnberg rund um Frontmann Felix Heldt. Mit ihren Zombie-Grusel-Masken und eingängigen Songs wie „Danger Danger“ oder „Patient Zero“ bringen sie das Publikum schon vor Bruce Dickinson zum Kochen.
Bruce Dickinson betritt die Bühne beim Zeltfestival
Nach einer kleinen Umbaupause ist es dann soweit: Langsam wird es etwas dunkler, dann hüllt sich die Bühne in giftgrünes Licht. Eine sonore Erzählerstimme berichtet von einer Alien-Invasion, auf der Bühne erscheint die Münze, die auch das Plattencover von „The Mandrake Project“ schmückt. Dann beginnt ein neues Intro-Tape: Der instrumentale Song „Toltec 7 Arrival“ spielt.
Zeltfestival
- Vier Konzertabende stehen bei der achten Auflage des Zeltfestivals noch aus:
- Songwriter Paolo Nutini spielt am Donnerstag, 27. Juni. Support ist Brockhoff (ab 18.30 Uhr, 54,90 Euro).
- Am Freitag, 28. Juni, ist mit Trettmann ein Deutschrapper zu hören (19 Uhr, 64,90 Euro).
- Passenger ist mit Hazlett am Samstag, 29. Juni, zu erleben (19 Uhr, 49,90 Euro).
- Den Festivalabschluss bestreitet Silbermond am Sonntag, 30. Juni. Hannah Rautzenberg spielt vorneweg (19 Uhr, 64,90 Euro).
- Infos und Karten unter zeltfestivalrheinneckar.de
Unter Jubel stürmt Bruce Dickinson auf die Bühne und beginnt mit dem ersten Song „Accident of Birth“. Die Gitarren schrubben gleich gewaltig drauf los, das Trommelfell flattert. Dazu mischen sich mächtige Drums von Dave Moreno und natürlich die Stimme von Bruce Dickinson, die immer noch eine Naturgewalt ist. Mühelos erreicht er jedes Register. Dann kommt ein Tempowechsel, gefühlt steigt der Puls von 120 auf 180. Die folgenden Songs „Abduction of Birth“ und „Laughing in the Hiding Bush“ nehmen die Fans mit ihren pulsierenden Hard-Rock-Powerchord-Riffs dann komplett mit: Zeitweise übertrumpfen die Fans mit ihrem Jubel die Musik.
Bruce Dickinson spielt das Theremin höchstpersönlich
Wenn Bruce Dickinson einmal Pause hat, tanzt er zu den Gitarrenriffs, schleudert seine Arme durch die Luft - und animiert seine Fans mit nur einer einzigen Armbewegung zu leidenschaftlichen Rufen. „Hey, Hey, Hey“, rufen dann alle mit erhobener Faust. Doch wie kontrolliert er das Publikum mit so unscheinbaren Bewegungen? Bruce Dickinson ist Pilot. Jahrelang flog er eine Boeing, die „Ed-Force-One“, das Tour-Flugzeug von Iron-Maiden. Er ist einer, der das Kommando gibt. Er weiß genau, welche Knöpfe er drücken muss, damit das Publikum abhebt.
Mal hebt er einfach nur die Hände und stemmt sie in Richtung Menschenmasse. Oder er legt richtig los, mit einer kleinen Showeinlage an einem ungewöhnlichen Instrument, wie beim Instrumental Song „Frankenstein“, einem Cover der Band „Edgar Winter Group“. Hier spielt Dickinson höchstpersönlich das Theremin: Das ist ein elektronisches Instrument, das ohne Berührung gespielt wird und dabei quietschende Töne erzeugt. Dazu drücken knackige Drum-Fills, Gitarrensoli von Philip Nälsund und Chris Declercq und psychedelische Muster erscheinen auf dem Videoscreen - die komplette Reizüberflutung.
Und: Bruce Dickinson ist nicht nur Pilot, er ist auch ein begnadeter Geschichtenerzähler. Mit allem, wovon er da auf der Bühne berichtet, von Grabräubern („The Resurrection Men“), Alchemisten („The Alchemist“), oder Drachentränen („Tears of the Dragon“), zieht er das Publikum in seinen Bann.
Als Sänger ist sein Instrument die Stimme. Ein Instrument, dessen Klangfarben er komplett auskostet: Mal stanzt er die Worte rau und abgehackt in die Musik, wie bei seiner Ansprache zu „Afterglow of Ragnarok“, bei der seine Stimme in gluckernde Death-Metal-Regionen rutscht. Mal säuselt und flüstert er nur noch - bloß, um im nächsten Refrain wieder wie in schönster Tenorlage seine hymnischen Melodien zu singen.
Nach „Darkside of Aquarius“ geht Dickinson mit den Worten „Danke Mannheim, gute Nacht“ von der Bühne, kommt aber ebenso schnell wieder zurück. Die Zugabe beginnt. Überraschend spielt er „Navigate the Seas of the Sun“ vom Album „Tyranny of Souls“, eine eher ruhige Ballade mit Akustikgitarre und leidenschaftlichen Vocals. Danach schließt Dickinson mit „The Tower“ sein Set.
Besonders: Am Schluss darf Bassistin Tanya O‘ Callaghan auch einmal das Mikrofon übernehmen. Bruce Dickinson wird dann mit ohrenbetäubendem Applaus geehrt. Der Geschichtenerzähler, Pilot und Iron-Maiden-Frontmann kann es auch als Solo-Künstler.
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