Klimaanpassung und Klimaschutz

Was kann getan werden, um die Folgen der Krise zumindest abzumildern?

Professor Dr. Oleg Panferov bezieht im Interview Stellung, welche Rolle der Öko-Landbau übernehmen könnte

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Überschwemmung, Hitze, Dürre – der Klimawandel hat viele Gesichter, wie dieses trockene Maisfeld zeigt. Um die Folgen abzumildern, reichen einzelne universelle Maßnahmen nicht aus. © picture alliance/dpa

Was ist der Unterschied zwischen Klimaschutz und -anpassung? Was können die Menschen tun, um die Folgen der Klimakrise zumindest abzumildern? Und inwiefern könnte der Öko-Landbau hierbei eine Rolle spielen? Diese Fragen beantwortet Professor Dr. Oleg Panferov, Studiengangleiter Klimawandel und Klimaschutz an der Technischen Hochschule Bingen und Mitglied des wissenschaftlichen Beirates für Klimaschutz Rheinland-Pfalz.

Herr Professor Panferov, die Klimakrise wird immer bedrohlicher, deren Folgen sind auch in Deutschland immer deutlicher zu spüren. Kann die Menschheit die Folgen der Klimakrise noch in den Griff bekommen?

Panferov: Theoretisch – ja, im Sinne von „Stabilisieren“. Die Klimaerwärmung plus Folgen sind schon bei uns angekommen und werden auch weitergehen, auch wenn wir alle Emissionen sofort auf Null setzen. Wir müssen uns anpassen. Aber den Klimaschutz sollten wir trotzdem nicht vergessen – wenn alle weltweit mitmachen, können möglicherweise einige Kipppunkte und künftige härtere Folgen vermieden werden, wie etwa das komplette Abschmelzen des Eisschildes in Grönland oder der Antarktis. Wir sehen aber bis jetzt keine ernsthaften weltweiten Bemühungen in dieser Richtung.

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In den Debatten über das Klima wird über Anpassungen diskutiert. Können Sie den Unterschied zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung erklären?

Panferov: Klimaschutz oder Minderung des anthropogenen Einflusses auf den Klimawandel, climate change mitigation, sind alle Maßnahmen, die uns erlauben, die menschliche Auswirkungen auf das Klimasystem zu reduzieren. Das heißt, gezielt die Ursachen des anthropogenen Klimawandels zu bekämpfen. Also zum Beispiel die Vermeidung oder Reduktion der Treibhausgasemissionen. Oder die Reduktion, Vermeidung sowie Umkehrung der Landnutzungsänderungen. Oder das Stoppen der Entwaldung der Regenwälder sowie Wiederaufforstung weltweit. Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels oder umgangssprachlich die „Klimaanpassung“ sind alle Maßnahmen, die uns erlauben, die gravierenden Klimawandelfolgen möglichst ohne Schäden und auch mit Gewinnen zu überleben. Das bedeutet, unsere Vulnerabilität oder Verwundbarkeit gegen die Folgen zu reduzieren und/oder die Resilienz zu erhöhen – zum Beispiel Bewässerungssysteme in der Landwirtschaft dort zu installieren, wo die Niederschläge jetzt schon abnehmen und gemäß den Klimaszenarien abnehmen werden. Die Ursachen des anthropogenen Klimawandels werden hier aber nicht bekämpft – das ist übrigens der Hauptunterschied zum Klimaschutz.

Diese beiden Begriffe . . .

Panferov: . . . werden oft in der Praxis, der Öffentlichkeit und den Medien verwechselt und durchgemischt. Ziele und Intentionen dahinter sind aber sehr unterschiedlich. Eine mögliche Ursache für die Verwechslung könnte sein, dass die Maßnahmen für Klimaschutz und für -anpassung sehr ähnlich aussehen können. Einige Maßnahmen könnten sogar sowohl für Klimaschutz, als auch für -anpassung verwendet werden, wie die Wiederaufforstung in einigen Gebieten. Die Auswirkungen solcher Maßnahmen für Klimaschutz und -anpassung sind jedoch sehr klar differenzierbar. Es gibt auch Maßnahmen, wo die Unterschiede zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung sehr offensichtlich sind.

Haben Sie Beispiele?

Panferov: Nehmen wir als Klimaschutzbeispiel die Maßnahme „Energieeffizienz im Einzelhandel“ aus dem Maßnahmenkatalog des Klimaschutzkonzepts des Landes Rheinland-Pfalz. Das Ziel der Maßnahme ist es, die Einzelhandelsunternehmen und andere Beteiligte über die Möglichkeiten der effizienteren Energienutzung zu informieren und mit der Implementierung zu helfen. Man könnte modernere, energiesparendere Geräte verwenden und zum Beispiel die Öffnungszeiten der Kühltruhen durch effizientere Abdeckung oder automatische Türen minimieren.

Nach der Durchführung der Maßnahme . . .

Panferrov: . . . werden die kleinen und mittleren Unternehmen in Rheinland-Pfalz Energie effizienter nutzen. Dadurch werden weniger Treibhausgase (THG) emittiert und deshalb wird auch die anthropogene Auswirkung auf das Klima reduziert. Das ist definitiv eine Klimaschutzmaßnahme, da sie weder einem Menschen noch einer Kommune hilft, sich auf die Klimafolgen besser vorzubereiten. Es wird keinen Schutz gegen Überflutung oder Starkregen bieten und auch nicht helfen, Dürren besser zu überstehen. In anderen Worten wird es unsere Verwundbarkeit gegen die Folgen des Klimawandels nicht direkt reduzieren beziehungsweise die Widerstandsfähigkeit nicht erhöhen.

Wie sieht eine Maßnahme zur Klimaanpassung aus, die die Widerstandsfähigkeit erhöhen würde?

Panferov: Wenn der Meeresspiegel steigt, werden Häuser an der Küste überschwemmt und zerstört. Um das zu vermeiden, könnten schwimmende Häuser gebaut werden. Diese Maßnahme reduziert die Verwundbarkeit eines Hausbesitzers gegen den bereits beobachteten und möglichen künftigen Meeresspiegelanstieg, als Folge des Klimawandels. Die Hausbesitzer haben sich an den Klimawandel angepasst. Das ist deutlich eine Klimaanpassungsmaßnahme. Diese Maßnahme reduziert aber nicht die anthropogenen Auswirkungen auf das Klima. Ganz im Gegenteil, kann es die Emissionen der THG und die Landnutzungsänderungen erhöhen: Die THG werden während des gesamten Prozesses der Herstellung und des Hausbaus emittiert. Das ist also keine Klimaschutzmaßnahme. Auf der Jahrhunderte-Skala sollte man aber den Klimaschutz als die beste Klimaanpassungsmaßnahme betrachten. Je mehr Emissionen wir jetzt vermeiden, desto weniger müssen wir später in die Anpassung und Bekämpfung der Folgen investieren.

Was bedeutet das für die Landwirtschaft?

Panferov: Die systembedingten Emissionen aus der Landwirtschaft und ihre dadurch entstehende Klimaschutzaufgabe sind offensichtlich – das hat der Direktor des Thünen Instituts für Agrarklimaschutz Professor Dr. Heinz Flessa klar definiert: die Emissionen pro Produkteinheit müssen so weit wie möglich reduziert werden. Die effizienteste Klimaschutzmaßnahme ist auch sehr einfach und gilt für alle Sektoren, nicht nur für die Landwirtschaft – die Produktion zu reduzieren! Dafür muss aber auch der Konsum entsprechend reduziert werden.

Es gibt weitere Möglichkeiten . . .

Panferov: . . . wie eine Überdüngung zu vermeiden oder Erneuerbare Energien zu nutzen. Es ist aber wichtig, und muss immer berücksichtigt werden, dass die einzelnen Maßnahmen standortangepasst angewendet werden sollten. Bei der Klimaanpassung ist die Situation ähnlich, aber deutlich komplizierter – hier könnten die „universellen“ Lösungen deutlich gefährlicher werden als beim Klimaschutz. Also die wichtigste Aufgabe ist zuerst zu evaluieren, welche agrarrelevanten Klimafolgen sind vor Ort am gefährlichsten – jetzt und in Zukunft. Am besten ein „Klimagutachten“ erstellen: etwa wie sich die Temperaturen im Mittel und in Extremen sowie Niederschlagsmenge und Abflussregime oder Windverhältnisse ändern. Danach müssen standortangepasste Klimaanpassungsmaßnahmen ausgewählt werden.

Was bedarf es für die Umsetzung?

Panferov: Es ist auch hier standortabhängig. Aber generell denke ich: Informationen für die Motivation liefern. Gute Software für die realistische Kalkulationen der Emissionen im landwirtschaftlichen Betrieb unter Berücksichtigung des Naturschutzes und der Klimaanpassung zu entwickeln und zu verwenden, wie zum Beispiel in dem Projekt Klima-Farm-Bilanz. Sinnvoll wäre es auch, systematisierte Good Practice Guides mit realen Beispielen zu erstellen. Und Daten über die Klimafolgen vor Ort (Klimagutachten) zu liefern, beziehungsweise Geld oder Manpower für solche Analysen zu Verfügung zu stellen.

Einige Analysen zeigen deutlich, dass auf einem Bio-Hektar mehr Klimaschutz geleistet wird als auf einem konventionell bewirtschafteten. Allerdings wird häufig bemängelt, dass der Öko-Landbau aufgrund des erhöhten Flächenbedarfs nicht als Lösung für die künftige globale Lebensmittelerzeugung dienen kann. Was sagen Sie dazu?

Panferov: Es ist tatsächlich mit mehreren wissenschaftlichen Studien belegt, dass der Öko-Landbau im Schnitt einen erhöhten Flächenbedarf hat und manchmal „klimaschädlicher“ ist als der konventionelle. Hier ist wieder mal sehr wichtig – und Aufgabe der Politik – die Frage nicht politisch zu betrachten und den Öko-Landbau nicht als eine universelle weltrettende Maßnahme darzustellen, sondern ein standardisiertes Ökobilanzierungsverfahren für die Evaluierung jeden einzelnen Betriebs einzuführen. Und in jedem einzelnen Fall zu kalkulieren, mit welcher Methode wird mehr Treibhausgasen ausgestoßen und zusätzlich Naturschäden verursacht, um dann zu entscheiden, was hier vor Ort angewendet werden soll. Dem Klima ist es komplett egal wie wir unsere Maßnahmen nennen – ökologisch oder wirtschaftlich, wichtig sind nur die Zahlen der Netto-Emissionen. Jeder Einzelne kann den Konsum reduzieren, dann werden uns möglicherweise die teilweise geringeren Erträge des Öko-Landbaus ausreichen. Unter der Berücksichtigung, dass der Öko-Landbau vor Ort tatsächlich pro Produkteinheit weniger Treibhausgase produziert.

Welches Hauptanliegen möchten Sie Ihren Studenten mitgeben?

Panferov: Genau das, was ich schon gesagt habe: den eigenen Konsum reduzieren, angeblich universelle Maßnahmen vermeiden und immer vor Ort prüfen, was hier am besten passt. Außerdem alle Maßnahmen integrativ betrachten und die möglichen Folgen der geplanten Maßnahmen abschätzen – mit allen möglichen Konflikten und Synergien. Das wurde zu meiner großen Freude auch im Pariser Klimaabkommen dokumentiert: Ihr seid nicht nur von Klimafolgen betroffen, sondern auch von Folgen eurer eigenen Maßnahmen. Und last but not least: Denken Sie darüber nach wie Sie die anderen Länder für einen besseren Klimaschutz gewinnen könnten! Es sieht im Moment mit der internationalen Zusammenarbeit nicht sehr gut aus.

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