Stuttgart. Es schwingt eine gewisse Ironie in der Stimme der Vorsitzenden des Klimasachverständigenrates mit, als sie Ende Januar im Umweltausschuss spricht. „Ich kann Ihnen die Angst nehmen. Zu viel Klimaschutz geht nicht“, sagt Maike Schmidt, Leiterin des Fachgebiets Systemanalyse beim Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Wäre der zeitliche Ablauf nicht ein anderer, könnte man meinen, die Landesregierung hätte sich den Rat wirklich zu Herzen genommen. Ein Bündel von 250 Einzelaktionen haben sich die Ministerien in dem Klima-Maßnahmen-Register vorgenommen, das am Dienstag durch das Kabinett gehen soll und das dieser Zeitung vorliegt.
Das Maßnahmenregister ist gewissermaßen der Werkzeugkasten, mit dessen Hilfe das Land die Klimaziele erreichen will, die es sich im gerade novellierten Klimaschutzgesetz vorgenommen hat: eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 und Treibhausgasneutralität bis 2040. Im Juni 2022 wurden bereits von Wissenschaftlern errechnete Ziele für Sektoren wie Verkehr oder Energie vorgelegt, die von führenden Wirtschaftsverbänden wiederum hart kritisiert wurden. Der klimapolitische Sprecher der FDP, Daniel Karrais, bezeichnete die Sektorziele jüngst als „reine Ideologie und Symbolpolitik“. Doch das Land hält daran fest, und nun geht es darum, wie diese erreicht werden können.
Und wer nun große Überraschungen erwartet, dürfte enttäuscht werden. Eine ganze Reihe von Maßnahmen, die sich im Klima-Maßnahmen-Register finden, sind längst bekannt und teilweise bereits umgesetzt. Dazu gehört die Solarpflicht auf Neubauten, dass das Land nur noch in grüne Finanzanlagen investieren will, was der Landtag jüngst beschlossen hat, oder das Jugendticket, das das Land ab März einführen wird.
20 Radschnellwege geplant
Auch die Aufstellung des Landesentwicklungsplans, bei dem der Klimaschutz in den Blick genommen werden soll, ist aufgelistet, oder auch der Ausbau des Einsatzes von Videotechnik bei Gerichtsprozessen. Auch dass die Landesverwaltung selbst klimaneutral werden will, ist keine Neuigkeit.
An einigen Stellen im Maßnahmenregister wird es konkreter. So nimmt sich das Verkehrsministerium vor, nach der bereits bekannten Potenzialanalyse bis 2030 insgesamt 20 Radschnellwege auszubauen. Das Umweltministerium will beim Recycling bis 2030 die Anteile von Bioabfall und Wertstoffen im Restmüll reduzieren. Durchsetzen müssen das aber Stadt- und Landkreise, sie sollen die Zusammensetzung des Restabfalls durch Abfallanalysen alle drei Jahre überprüfen. Im Vorfeld hatten die Kommunalverbände bereits Bedenken angemeldet, weil sie einen Teil der Maßnahmen schultern müssen.
In der Kabinettsvorlage, über die der Ministerrat am Dienstag entscheiden wird, gesteht die Landesregierung aber bereits ein, dass die bislang aufgeführten Maßnahmen voraussichtlich nicht ausreichen werden, um die Klimaziele zu erreichen. Die Ressorts müssten das Register vielmehr dafür nutzen, zusätzlich notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Interessant wird bei der offiziellen Vorstellung am Dienstag vor allem, was die Vorsitzende des Klimasachverständigenrats, Maike Schmidt, zu dem Register sagen wird. Denn das Land hat längst nicht alle Vorschläge der Experten umgesetzt.
Dem Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch, ist schon vor Veröffentlichung klar, dass das Klima-Maßnahmen-Register nicht überzeugt. Es brauche konkrete Verpflichtungen und Fristen, mahnte er, „keine Aufzählung dessen, was schon gemacht wird“. Auch der SPD-Fraktion greift das Register zu kurz: Es sei ein „ wirkungsloser Papiertiger“, eine „Man-könnte-mal-Liste“, urteilte Fraktionschef Andreas Stoch.
Regierung will Klagen abwehren
Zumindest ein Punkt dürfte vom Tisch sein. Die Umwelthilfe hatte erfolgreich vor dem Verwaltungsgerichtshof auf die Umsetzung des Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzepts (IEKK) geklagt. Mit dem geänderten Gesetz und dem darin verankerten Maßnahmenregister, das das IEKK ersetzt, ist das vom Tisch. Gleichzeitig versucht die Landesregierung im Klimaschutzgesetz künftige Klagen abzuwehren. „Das Klima-Maßnahmen-Register ist kein Plan oder Programm im Sinne des Umweltverwaltungsgesetzes“, heißt es. Damit fehlt ein Angriffspunkt für mögliche Klagen.
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