Technischer Fortschritt in der Redaktion

Das reinste Monstrum

Die technische Entwicklung hat den Beruf des Redakteurs in den letzten 40 Jahren grundlegend verändert / 1981 war ein Faxgerät noch fast so groß wie eine Waschmaschine und PCs waren in weiter Ferne.

Von 
Arno Boas
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Ein technischer Quantensprung war die Einführung von Fax-Geräten Anfang der 1980-er Jahre. Am 26. Juni 1982 wurde das umfassend modernisierte Frankoniahaus in Tauberbischofsheim an einem Tag der offenen Tür der Bevölkerung präsentiert. Volontär Arno Boas (rechts) hatte die Aufgabe, den Besuchern das neue Wunderwerk der Technik zu erklären. Laufend faxten er und ein Kollege in Bad Mergentheim sich Nachrichten hin und her – und das Publikum staunte Bauklötze. © Fränkische Nachrichten

Wissen Sie, was ein Faxgerät ist? Sind Sie zufällig vor 1990 geboren? Dann stehen die Chancen gut, dass Ihnen ein solcher Kommunikations-Dino schon mal unter die Augen gekommen ist. Es gab aber auch Zeiten, als ein Faxgerät die Spitze des technischen Fortschritts war und bei Technik-Freaks leuchtende Augen hervorrief. Zum Beispiel 1982. Das ist noch nicht mal 40 Jahre her – gesamtgeschichtlich gesehen quasi nur einen Wimpernschlag.

Die Fränkischen Nachrichten hatten sich damals gerade vom Bleisatz verabschiedet und waren in die Moderne gestartet. „Fotosatz“ hieß das Schlagwort. Und weil 1982 auch das ganze Frankoniahaus in Tauberbischofsheim modernisiert wurde, gab es im Sommer einen großen Tag der offenen Tür. Die Menschen strömten in Massen in den Stammsitz der Zeitung.

Ich – gerade einmal seit einem Jahr als Volontär im Einsatz – hatte die Aufgabe, in Tauberbischofsheim an dem neuen Faxgerät zu stehen und mir mit dem Kollegen in der Redaktion Bad Mergentheim ständig Faxe hin- und her zu schicken. Es erschien mir eine stumpfsinnige Tätigkeit, vor einem Gerät zu stehen, das damals fast die Größe einer Waschmaschine hatte – aber ich hatte mich getäuscht. Die Besucher waren von diesem neumodischen Übermittlungsapparat so begeistert, dass im Fax-Raum durchgängig dichtes Gedränge herrschte und ich meinen Text in Dauerschleife herunter beten musste.

Quantensprung

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Sie haben richtig gehört – das Gerät war das reinste Monstrum. Man musste damals noch jedes Blatt einzeln einschieben – heute würde das unter „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ laufen. Damals war es ein Quantensprung in der technischen Entwicklung. Und es sollte in den nächsten 40 Jahren beileibe nicht der einzige bleiben. Nur ein paar Jahre später kam der Verlag mit einer völlig abstrusen Idee auf uns Redakteurinnen und Redakteure zu: Die gute alte Schreibmaschine sollte durch neuartige Geräte namens Computer ersetzt werden. Also, das ging gar nicht.

Wir waren an die Unmengen zerknüllten Papiers gewöhnt, an Tipp-Ex-Orgien, an das gemütliche Knattern der Tasten inklusive dem händischen Return. Für nach 1990 Geborene: Es gab in den 80-er Jahren noch manuelle Schreibmaschinen . . . und nun das! Die Umstellung kratzte an unserer Ehre – ungefähr drei Wochen lang. Dann war auch dem Letzten klar: Die Schreibmaschine hatte ausgedient, dem Computer gehörte die Zukunft. Es waren allerdings keine PCs von heutigem Format, die Bildschirme spotteten anfangs jeder Beschreibung, und ein automatisches Speicherprogramm war in weiter Ferne. Wer seinen Text zu speichern vergaß und seinen Platz verließ, schaute womöglich später in die Röhre. Da man sich anfangs den PC mit je einem Kollegen teilen musste, konnte es nämlich passieren, dass der Text weg war . . .

Wie wild gewedelt

Sind Sie schon einmal bei hochsommerlichen Temperaturen in einer kleinen Dunkelkammer gesessen und haben versucht, einen 36-er Film auf eine Spule aufzufädeln? War die Spule zum Beispiel schon nass, kam es vor, dass man dabei verzweifelte, weil sich der Film partout nicht dorthin bewegen wollte, wo er hin sollte: auf die Spule. Minute auf Minute verrann, bis das vermaledeite Ding endlich in die Dose mit der Entwicklerflüssigkeit gelegt werden konnte.

Dann hieß es warten – Wartezeit, die man durchaus sinnvoll nutze konnte – zum Beispiel zum Faxen. Dann wurde die Spule mit dem Film gewässert und ins Fixierbad befördert. Die richtige Herausforderung wartete aber erst noch: Wenn der Film fertig war, ging’s ans Bilderabziehen. Und da wurde manchmal gewedelt, was das Zeug hielt. Das hatte allerdings nicht etwa mit Frischluftzufuhr zu tun – es gab vielmehr auf den Negativen oft helle und dunkle Stellen. Um diese Schattierungen auszugleichen, griffen wir Redakteure zu altbewährten Hausmitteln: Wir wedelten mit der Hand über der Stelle, die zu hell war, um die dunkle Stelle des Films länger zu belichten.

Nun hatte man nach Schweiß treibender Arbeit zwar die schönsten Schwarz-Weiß-Bilder, die aber mussten ja noch irgendwie in die Zentrale geschickt werden. Fax: schied aus. Post: zu langsam. Bahn: perfekt.

Punktgenau

Jeden Abend pünktlich (!) um 18.06 Uhr fuhr der Zug im Bad Mergentheimer Bahnhof los. Als die FN ihre Außenstelle noch im zweiten Stock des Sparkassengebäudes hatten (bis 1986), war der Weg zum Bahnhof kurz – allenfalls 250 Meter. Doch auch die konnten ewig lang werden, wenn der Zug sich schon dem Bahnhof näherte, während die Post noch in der Redaktion eingepackt wurde. Was zwar nicht täglich, aber doch immer wieder mal der Fall war, denn „Zeitdruck“ war quasi unser zweiter Vorname. Während ich als gelernter Leichtathlet also schon Richtung Erdgeschoss los sprintete, packte der Kollege die Post zusammen, öffnete das Fenster, wartete, bis ich unten auf dem Gehsteig auftauchte und warf dann das Paket aus dem zweiten Stock genau in meine Arme – und im Eiltempo ging’s zum Bahnhof, wo der freundliche Beamte mir das Paket oft in letzter Sekunde abnahm, um es gerade noch rechtzeitig in den Zug zu bringen.

Und dann kam Anfang der 2000-er Jahre die Digitalkamera, und schlagartig war’s vorbei mit der Wedelei und der Rennerei. Jetzt ging alles super einfach. Chip rein in die Kamera, Chip raus aus der Kamera, Chip rein in den PC, fertig. Übertragung digital. Die moderne Technik hat unseren Redaktionsalltag massiv verändert – nichts ist wohl beständiger als der Wechsel.

Ich könnte Ihnen jetzt noch vom Ganzseitenumbruch berichten, von den digitalen Medien, die unsere Arbeit immer stärker prägen. Aber das sollen dann die mir nachfolgenden Kolleginnen und Kollegen machen, wenn die Fränkischen Nachrichten im Jahr 2046 ihren 100. Geburtstag feiern. Dann werden sie sich an die Dino-Technik aus dem Jahr 2021 erinnern und im besten Fall milde lächeln.

Redaktion Redakteur bei den FN

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