Auch weil Alternativen wegbrechen, heben immer mehr Verbraucher an der Ladenkasse Bargeld ab. Der Einzelhandel sieht sich unfreiwillig in die Mit-Verantwortung für die Bargeldversorgung gedrängt. Eine neue Variante des Bargeld-Abhebeservice in Supermärkten könnte Bewegung bringen in den Streit um die Finanzierung des für Nutzer kostenlosen Angebots.
Erste Kreditinstitute, darunter die Postbank, bieten einen neuen Service an. Die Postbank nennt ihn „Bargeld-Code“: Danach können Postbank-Kunden teilnehmenden Läden knapp 1000 Euro pro Tag abheben oder einzahlen. Der Service funktioniere über einen Barcode, generiert über die Postbank-App, erklärt das Institut. Partner seien unter anderem Rewe, Penny, die Drogeriemärkte dm, Rossmann und Budni, Netto, die toom Baumärkte, Real, Tegut oder Kaufland – mehr als 12.500 Standorte bislang.
Postbank: Begleitender Einkauf ist nicht notwendig
Ein begleitender Einkauf ist laut Postbank nicht nötig. Anders als beim klassischen „Cashback“-Verfahren werde der Händler von der Bank beauftragt und erhalte eine Gebühr, erklärt ein Sprecher der Postbank. Organisiert werde der Zahlungsvorgang über einen Zahlungsdienstleister. Der mögliche Auszahlungsbetrag sei bis zu fünfmal höher, Kunden könnten in derselben Höhe Geld auf ihr Girokonto einzahlen. Das sei wichtig für Geschäftskunden. Die Postbank App zeige alle teilnehmenden Geschäfte in der Nähe an.
Auch die Commerzbank-Tochter Comdirect bietet nach eigenen Angaben ein ähnliches Angebot. Möglich seien Ein- und Auszahlungen. Derweil werden Abhebungen an der Supermarktkasse bei den Deutschen immer beliebter. „Wir stellen eine deutliche Zunahme fest“, sagt Ulrich Binnebößel, Abteilungsleiter für Zahlungsverkehrsthemen beim Branchenverband HDE. Einer aktuellen Studie des Handels-Marktforschungsinstituts EHI zufolge wurden im Jahr 2024 in 136,8 Millionen Cashback-Transaktionen 13,5 Milliarden Euro an Kunden ausgezahlt. Im Jahr davor waren es noch 122 Millionen Transaktionen mit einer Auszahlungssumme von 12,3 Milliarden Euro.
Binnebößel: Banken verlassen sich zunehmend auf den Handel
Binnebößel spricht von einer Verfünffachung seit 2019. Im Durchschnitt hoben die Kunden pro Ladenkassen-Transaktion nach Angaben des HDI etwas über 99 Euro ab. Das vor ein paar Jahren zunächst als zusätzlicher Service eingeführte Angebot gewinne auch deshalb stark an Bedeutung, weil es immer weniger Alternativen gibt, betont der HDE. Banken und Sparkassen schließen aus Kostengründen Filialen und bauen Bankautomaten ab. Gerade auf dem Land, wo es teurer wird, ein dichtes Filialnetz aufrechtzuerhalten, verließen sich die Kreditinstitute zunehmend auf den Service des Handels, registriert der Handelsverband.
Nach Angaben der für die Bargeldversorgung zuständigen Deutschen Bundesbank wurden seit dem Jahr 2018 16 Prozent des bestehenden Bankautomatennetzes abgebaut. Ein aktuelles Beispiel ist die Direktbank DKB, die im Juni ihre letzten Geldautomaten aus dem Verkehr genommen hat. Der Betrieb der Automaten verursache hohe Kosten, so die DKB. Auch ändere sich das Zahlungsverhalten der Nutzer.
Service an Tankstellen wird eingestellt
Bis zu 1000 Euro Bargeld konnten Kunden bis vor Kurzem noch an Shell-Tankstellen abheben – sogar ohne zu tanken. Doch auch dieser Service endet. Die Cash Group, der unter anderem Deutsche Bank, Commerzbank und Postbank angehören, stelle den Service ein, meldet diese. Bislang hatten 1.300 von 2.000 deutschen Shell-Tankstellen an der Kooperation teilgenommen.
Der Einzelhandel übernehme zunehmend die Aufgaben der Banken und entlaste die Kreditwirtschaft von Kosten durch die Vorhaltung von Filialen und Bankautomaten, kritisiert der HDE. Die Händler fordern von den Kreditinstituten deshalb, wenigstens auf Gebühren zu verzichten, die sie bezahlen müssen, wenn sie ihren Kunden Barabhebungen beim Einkauf ermöglichen. Nach Angaben des EHI Retail Institute fallen für die Händler pro Girocard-Transaktion zwischen 0,1 und 0,2 Prozent des ausgezahlten Betrages als Gebühr an. Die Kosten würden auf die Endpreise umgelegt.
Geldabheben ist rechtlich an den Einkauf gekoppelt
Nach geltendem Recht haben die Kunden allerdings keinen Anspruch auf den bequemen Bargeldbezug im Supermarkt. Außerdem dürfen Händler einen Mindestumsatz zur Bedingung machen. Ohnehin ist das Geldabheben an der Ladenkasse rechtlich immer an einen Einkauf gekoppelt. Dafür gibt es keine Branchenbeschränkung, Geldabheben ist theoretisch auch im Baumarkt möglich.
Die Deutsche Kreditwirtschaft argumentiert bislang vor allem mit der Freiwilligkeit des Angebots. Die Möglichkeit, Bargeld an der Kasse anzubieten, werde von den Händlern als Service und als Profilierungsmöglichkeit genutzt. Das sogenannte „Cashback“- Verfahren ergänze die Bargeldversorgung der Banken und Sparkassen, es ersetze sie nicht.
Logistische Herausforderungen für den Handel
Für den Handel ist der Service mit logistischen Herausforderungen verbunden, schließlich muss immer ein ausreichender Bargeldvorrat sichergestellt werden, auch morgens, wenn noch nicht viele Kunden eingekauft haben und nur kleine Bargeldbeträge für das Wechselgeld in den Kassen sind.
Problematisch könnte es werden, wenn die EU im Rahmen der geplanten neuen Zahlungsrichtlinie eine Entkoppelung von Abhebung von Einkauf erlaubte. Allerdings wäre das Angebot nach bisherigem Stand voraussichtlich auch dann weiterhin freiwillig.
Das neue Verfahren der Postbank komme gut an, betont der Sprecher. Monatlich verzeichne man ein zweistelliges prozentuales Wachstum bei den Nutzerzahlen. Ab Ende August könnten auch die Kunden der Deutschen Bank den Bargeld-Code über ihre App nutzen.
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