Ranking

Start-up-Standort Deutschland punktet gegen die USA

Deutschland ist für manche Gründer attraktiver als Amerika. Die Start-up-Branche sichert sich Milliarden. Die Gründe dafür.

Von 
Björn Hartmann
Lesedauer: 
Das unbemannte Kampfflugzeug CA-1 Europa ist eine Designstudie des Rüstung-Start-ups Helsing. Das Unternehmen zählt zu Deutschlands wertvollsten Start-ups. © picture alliance/dpa

Berlin. Wer hätte das gedacht? Die Wirtschaft insgesamt schwächelt, der Ausblick ist eher verhalten und die Stimmung unter Deutschlands Gründern war auch schon mal besser. Aber der Standort D wird offenbar im internationalen Vergleich attraktiver, wie der aktuelle Start-up-Monitor zeigt, der die Branche jedes Jahr durchleuchtet.

Vor allem gegenüber den Vereinigten Staaten kann die Bundesrepublik punkten. 39,8 Prozent der Gründerinnen und Gründer schätzen die Anziehungskraft Deutschlands inzwischen höher ein als die USA. Ein Jahr zuvor waren es nur 33,5 Prozent. Wird nur Europa betrachtet, sehen 61 Prozent die Bundesrepublik vorn.

Zu viel Bürokratie und noch zu wenig Risikokapital

„Die Zahlen zeigen, dass die deutsche Start-up-Szene Aufwind hat. Dabei spielt uns der Kurs der amerikanischen Regierung in die Karten“, sagt Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Start-up-Verbands, der den Monitor herausgibt. „Dieses Momentum zu nutzen, ist nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus politischer Sicht entscheidend, um technologische Abhängigkeiten zu reduzieren.“ Das spricht für große Chancen, die die Bundesregierung nutzen kann. Allerdings besteht offenbar Nachholbedarf.

So finden 53 Prozent der Jungunternehmer, dass Deutschland im internationalen Vergleich gering digitalisiert ist. In der Verwaltung sieht es noch dramatischer aus. Acht von zehn werten die Digitalisierung dort als gering oder sehr gering. Ebenso viele halten die digitale Souveränität der Bundesrepublik für schwach – die Abhängigkeit von Technologien, die nicht aus Europa kommen, ist sehr hoch. Dazu zählen zum Beispiel Software wie Windows von Microsoft oder Bezahlsysteme wie die der Kreditkartenfirmen Mastercard und Visa.

Die Zahlen zeigen, dass die deutsche Start-up-Szene Aufwind hat. Dabei spielt uns der Kurs der amerikanischen Regierung in die Karten.
Verena Pausder Vorstandsvorsitzende des Start-up-Verbands

Und auch sonst hakt es nach Ansicht der Gründer etwas – zu viel Bürokratie, zu wenig Risikokapital, auch wenn sich hier etwas tut. Insgesamt flossen in diesem Jahr bereits 5,4 Milliarden Euro in deutsche Start-ups. Der Verband rechnet für das Gesamtjahr mit rund acht Milliarden Euro, ein Plus von gut acht Prozent. Rekordwert bisher: 14,6 Milliarden Euro 2021.

Als Start-ups sieht der Verband Unternehmen, die innovative Technologien auf den Markt bringen und vor allem schnell und stark wachsen wollen. Zudem dürfen sie höchstens zehn Jahre alt sein. Der neue Klempner gehört also nicht dazu, das Unternehmen, dessen Software Daten von Produktionsmaschinen nutzt, um die Anlagen zu optimieren, schon. Derzeit gibt es rund 23.000 solcher Firmen in Deutschland. Sie gelten als große Arbeitgeber von Morgen.

Fusionsenergie oder gedruckte menschliche Organe

Der Onlinehändler Zalando etwa startete 2007 mit drei Personen im Wohnzimmer und ist heute im Deutschen Aktienindex Dax notiert. Zahlreiche Firmen wie der Berliner Onlinebroker Trade Republic oder Celonis aus München, die Firmenabläufe optimiert, sind inzwischen mehrere Milliarden Euro wert und beschäftigen mehrere tausend Mitarbeiter, in jungen Start-ups sind es im Schnitt 16.

Zu den Neugründungen gehören oft sogenannte Deep-Tech-Unternehmen. Sie arbeiten an grundlegend neuen Technologien, nutzen neueste wissenschaftliche Forschung. Und es dauert, bis ein Produkt auf den Markt kommt. Dazu zählen zum Beispiel Fusionsenergie oder gedruckte menschliche Organe. Auch sonst verschiebt sich gerade etwas – was sich auch daran zeigt, wo Wagniskapitalgeber Geld investieren. Da ist zum einen Künstliche Intelligenz. 45 Prozent der jungen Unternehmen gaben an, dass die Technologie Kern ihres Produktes sei. 2,1 Milliarden Euro flossen in derartige Gründungen.

Drei von zehn Beschäftigten stammen nicht aus Deutschland

Und dann ist da noch alles rund ums Militär. Nur zwei Prozent aller Start-ups beschäftigen sich mit Verteidigung, dafür sammelten sie bisher schon 900 Millionen Euro ein, doppelt so viel wie 2024. Bekannteste Firma der Branche ist Helsing aus München, die unter anderem Drohnen entwickeln. Auch wenn die Summen üppig aussehen, stecken Investoren das große Geld immer noch in Firmen anderer Länder. Zwischen 2022 und 2024 erhielten allein US-Start-ups im Jahresschnitt 169,4 Milliarden Dollar (145 Milliarden Euro), in Großbritannien waren es 16,4 Milliarden Dollar, in Deutschland 7,4 Milliarden Dollar.

Mehr zum Thema

Schuldenfalle

Experten warnen vor „Buy now pay later“-Angeboten

Veröffentlicht
Von
Björn Hartmann
Mehr erfahren
Künstliche Intelligenz

SAP und OpenAI wollen Verwaltungen ab 2026 mit sicherer KI versorgen

Veröffentlicht
Von
Christoph Dernbach
Mehr erfahren
Markenrecht

Bleibwacker trotzt Ritter Sport im Markenstreit um Quadrat

Veröffentlicht
Von
Tatjana Junker
Mehr erfahren

Bezogen auf die Wirtschaftsleistung, das Bruttoinlandsprodukt, liegt Singapur unter den 40 größten Volkswirtschaften an der Spitze, vor Israel und den USA. Deutschland erreicht Rang 18. Geld ist auch einer der Gründe, warum fast ein Drittel der Jungunternehmer für das nächste Start-up lieber ins Ausland gehen wollen. 70,7 Prozent geben an, dort besser an Kapital zu kommen. 61,4 Prozent setzen auf niedrigere Steuern. Und 87,8 Prozent freuen sich über weniger Bürokratie und schnellere Verfahren. Was Personal betrifft, setzen Start-ups stark auf das Ausland. Drei von zehn Beschäftigten stammen im Schnitt nicht aus Deutschland. In Berlin sind es sogar vier von zehn.

Was Deutschland für die Fachkräfte attraktiv macht, sind aus Sicht der Jungunternehmen die Lebensqualität, die Jobchancen und die gesellschaftliche Offenheit. 87 Prozent der Gründerinnen und Gründer haben studiert, vor allem Volkswirtschaft oder Betriebswirtschaft, sind Ingenieure oder Informatiker. Der Antrieb, etwas Neues zu wagen, geht immer von Einzelnen aus. Allerdings unterstützen einige Universitäten offenbar stärker. Top-Hochschulen sind dem Start-up-Verband zufolge die Technische Universität München, die Universität zu Köln und die RWTH Aachen vor der Freien Universität Berlin und der Uni Münster.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen