Transformation

So kommt die Autoindustrie aus der Krise

Mehr Innovation, Tempo und Mut zur Veränderung – Experten sehen die Chancen für die angezählte Branche im autonomen Fahren und in neuen Technologien.

Von 
Dominik Bath
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Volkswagen machte im dritten Quartal Verlust. Die Lage in Wolfsburg steht sinnbildlich für die Krise der gesamten Branche in Deutschland. © picture alliance/dpa

Berlin. Der einstige Glanz? Ein wenig verblasst. Stattdessen strukturelle Krise und gesunkene Nachfrage im Inland. Und im wichtigsten Markt China zeigen günstige Wettbewerber den einst etablierten deutschen Platzhirschen die Rücklichter.

So ließe sich die aktuelle Lage von Volkswagen, Mercedes, BMW & Co. zusammenfassen. Wichtige Fragen und Antworten zum Zustand der Automobilindustrie.

Warum häufen sich gerade die schlechten Meldungen?

Mercedes, Porsche und Volkswagen haben jüngst Einblicke in die aktuelle Finanzlage ihrer Unternehmen gegeben. In der kommenden Woche folgt noch BMW. Der VW-Konzern verkündete am Donnerstag rote Zahlen. Im abgelaufenen dritten Quartal musste man einen Verlust von gut einer Milliarde Euro hinnehmen, was besonders am jüngsten Strategieschwenk der Konzerntochter Porsche lag. Porsche hatte Mitte September verkündet, die Ambitionen bei der Elektromobilität herunterzuschrauben und an einigen Verbrenner- und Plug-in-Hybrid-Modellen bis „weit in die 2030er“ hinein festhalten zu wollen.

Mercedes hatte in dieser Woche einen Gewinneinbruch um ein Drittel im abgelaufenen Quartal verkündet. Als Gründe nannte der Autobauer geringe Absatzzahlen, Belastungen durch die US-Zölle und Kosten des Stellenabbaus. Das Unternehmen hatte rund 40.000 Beschäftigten außerhalb der Produktion in Deutschland ein freiwilliges Ausscheiden gegen Abfindung angeboten. Tausende machten davon Gebrauch.

Welche Fehler haben die deutschen Autobauer gemacht?

Grundsätzlich habe man zu spät bemerkt, dass die Elektromobilität das nächste große Ding ist, sagte der Automobilprofessor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach im Gespräch mit dieser Redaktion. Das räche sich nun vor allem, weil man zugehörige Wertschöpfungsketten, etwa bei der Batteriezellentechnik, nicht lückenlos und kostengünstig in Europa abgebildet bekomme. „Das holt uns jetzt ein und setzt uns unter Druck“, so der Automobilfachmann. Mittlerweile hätten die Autobauer diesen Fehler zwar versucht zu korrigieren. Aber die Musik, was die Elektromobilität angehe, spiele in China.

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Hinzu kommen Unzulänglichkeiten bei der Software. Laut Bratzel befänden sich die deutschen Hersteller weiterhin im Übergang von alter zu neuer Welt innerhalb eines Automobils. Früher seien die Systeme verteilt gewesen, viele Steuergeräte kämen von unterschiedlichen Zulieferern. Heute seien hingegen zentrale, softwareorientierte Plattformen nötig, mit wenigen leistungsfähigen Rechnern und übergreifenden Betriebssystemen. Tesla, BYD und andere neue Hersteller hätten von Beginn an auf diese moderne Software-Architektur gesetzt. VW, BMW und Mercedes müssten hingegen bestehende Systeme, Zulieferstrukturen und Entwicklungsprozesse umfassend umbauen, was laut Bratzel zu höheren Kosten führe.

Welche Rolle spielt dabei das Inland?

Standortnachteile in Deutschland und eine gesunkene Nachfrage deutscher Verbraucher nach Pkw verschärfen die Lage der Autobranche zusätzlich. Liefen im Jahr 2016 noch 5,75 Millionen Autos hierzulande vom Band, waren es 2019 – also vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie – nur noch 4,66 Millionen Fahrzeuge. Im vergangenen Jahr zählte der Verband der Automobilindustrie (VDA) schließlich nur noch 4,11 Millionen. Damit liegt die Inlandsproduktion um rund zwölf Prozent unter dem Vor-Pandemie-Niveau von 2019 – und sogar um fast 30 Prozent unter dem Spitzenjahr 2016.

Bemerkenswert ist, dass die Branche trotz dieses massiven Produktionseinbruchs vergleichsweise stabil an der Zahl ihrer Beschäftigten festgehalten hatte. Laut VDA arbeiteten 2024 noch rund 773.000 Menschen direkt bei Herstellern und Zulieferern der Automobilindustrie – nur etwa sieben bis acht Prozent weniger als auf dem Höchststand im Jahr 2018, als rund 834.000 Beschäftigte gezählt wurden. Vereinfacht ausgedrückt: Zu viele Menschen bauen hierzulande zu wenige Autos. Mittlerweile versuchen Hersteller und auch Zulieferer wie Bosch oder ZF Kostenstrukturen zu verschlanken. Das dürfte über die nächsten Jahre innerhalb der Branche einige Zehntausend Jobs kosten.

Wie kann die deutsche Autobranche wieder aufholen?

Aus dem toxischen deutschen Standort-Cocktail aus vergleichsweise hohen Arbeits- und Energiekosten sowie zum Teil zermürbender Bürokratie wird man zunächst nicht so schnell herauskommen, vermutete Experte Stefan Bratzel. „Wir müssen also wieder so viel besser und innovativer werden, als wir teurer sind“, empfahl er. Hersteller und Zulieferer müssten wieder „vor die technologische Welle“ kommen. Man brauche kurzfristig einen Aufholprozess. „Wir können von den Chinesen lernen, wie man die Geschwindigkeit erhöht und auch neue Kompetenzen in den Automobilbau hineinbringt“, so Bratzel. Allerdings: Die chinesische Konkurrenz wird bleiben. Daran werde man sich gewöhnen müssen.

Große Hoffnungen setzt Bratzel auf das autonome Fahren. „Da müssen wir vorne mitspielen“, sagt er. Ansätze von Mercedes und BMW seien dabei auch gut. Die Technologie werde in den 2030er-Jahren so weit sein, um dann breit ausgerollt zu werden. Gelingt das, könne die deutsche Automobilbranche einer der Pfeiler für die gesamte deutsche Industrie bleiben, so Bratzel.

Noch mehr müsse man allerdings im Bereich selbstfahrender Shuttles und Taxis tun. Marktführer Waymo ist in den USA bereits mit autonomen Robo-Taxis auf Straßen unterwegs. Das Geschäftsmodell auszurollen, ist aber teuer – ein Grund, warum die deutsche Industrie bislang davon Abstand genommen hat.

Welchen Einfluss haben die Rahmenbedingungen?

Der schleppende Hochlauf der E-Mobilität liegt der Branche zufolge auch am unzureichenden Ausbau der Ladeinfrastruktur und – zumindest in Deutschland – am Hin und Her bei der Förderung. Immerhin: Die Koalition hatte jüngst beschlossen, wieder eine Subventionierung für den Kauf von Elektroautos einführen zu wollen. An der Stelle sollen vor allem einkommensschwache Haushalte unterstützt werden. Beim von der EU beschlossenen Verbot, dass ab 2035 keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden dürfen, wünschen sich VW, Mercedes & Co. schlichtweg mehr Flexibilität.

„Es braucht jetzt: Planungssicherheit durch Gesetze und verbindliche Maßnahmen aus Berlin und Brüssel, Schwerpunktsetzung auf europäische Wertschöpfung und den Aufbau resilienter Lieferketten für zukunftsfeste Produkte“, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Christiane Benner, dieser Redaktion. Sie warnte aber davor, weiter Arbeitsplätze zu streichen. Von hoch bezahlten Managern erwarte sie mehr strategische Weitsicht und Innovationsgeist. „Sonst müssen sie sich fragen, ob nicht vielleicht sie diejenigen sind, die sich einen anderen Job suchen sollten“, erklärte die Gewerkschafterin.

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