Mannheim. Der legendäre Ur-Bulldog von Lanz war gerade zwei Jahre erfunden, als das Mannheimer Traktorenwerk beschloss, eine zentrale Werkstatt für Lehrlinge einzurichten. Welch visionäre Wende bei der internen Berufsvorbereitung! Schließlich sind bis dahin jugendliche Schulabgänger erst mal für Hilfstätigkeiten eingesetzt worden. Jetzt feierte John Deere 100 Jahre Ausbildungswerkstatt mit großem Programm und Blick hinter die Kulissen.
1923 ist für „Lanz“ ein ereignisreiches Jahr: Der Knicklenker mit Allradantrieb wird vorgestellt, der Schlepper „Felddank“ mit 38 PS und Zwei-Zylinder Glühkopfmotor befindet sich auf der Zielgeraden. Was für eine Erfolgsgeschichte die damals gegründete Ausbildungswerkstatt schreiben würde, hat sich in dem Unternehmen vermutlich niemand träumen lassen. Umso stolzer blickt bei der Jubiläumsfeier Thomas Peuntner, Personalleiter Europa, auf 100 Jahre innerbetriebliche Ausbildung zurück. Werksleiter Linus Baumhauer betont, dass es beim Vermitteln von technischen Fähigkeiten auch um das „grün-gelbe Herzblut“ von John Deere gehe. Und Mannheims frisch gewählter Oberbürgermeister Christian Specht betont, wie wichtig es ist, „jungen Menschen eine Perspektive zu geben“ – beispielsweise mit einer zukunftsträchtigen Ausbildung.
In die 2004 bezogene neue Halle, die auf 2200 Quadratmetern Platz für 160 Azubis bietet, hat das Unternehmen fünfeinhalb Millionen Euro investiert. In den Folgejahren sind konventionelle Maschinen fürs Drehen, Fräsen, Schleifen und Bohren mit elektrotechnischen Anlagen, CNC-Technologie sowie 3D-Druckern ergänzt worden. Wie sehr sich die mit rasanten Technik-Entwicklungen verknüpfte Ausbildung gewandelt hat, davon kündet eine Wand mit alten Fotos von ausschließlich männlichen Lehrlingen. Ein Zeugnisbuch von 1926 weist zudem noch Noten für „Fleiß und Aufmerksamkeit“ aus.
Von Veränderungen weiß auch der ehemalige Ausbildungsmeister Werner van Rickeln zu erzählen. Als er diese Aufgabe 1979 übernahm, „da haben die Azubis noch ein ganzes Jahr lang mit mechanischen Arbeiten am Schraubstock gestanden“. Computer waren unbekannt. Mitte der 1980er sollten die ersten Schulabgängerinnen den Sprung in Männer-Berufe wagen. Damals Exotinnen. „Zuerst hatten wir zwei Mädchen, die sich hervorragend bewährt haben“, blickt van Rickeln zurück. Überhaupt habe es mit den jungen Frauen bestens geklappt. Auch wenn gewerblich-technische Ausbildungen nach wie vor männerdominiert sind, so hat bei John Deere der Anteil weiblicher Azubis auf 15 bis 20 Prozent zugenommen.
Der Berufsweg von Arthur Zimmer steht dafür, dass bei dem Landmaschinen-Hersteller Karrieren von der Pike bis in die Managementebene möglich sind. Mit 15 Jahren kam er zu John Deere, um Werkzeugmacher zu werden. „Im zweiten Lehrjahr war mit der IHK-Revolution alles anders.“ 1987 startete das neue Berufsbild des Industriemechanikers. Nach der Abschlussprüfung bildete sich Arthur Zimmer nicht nur zum Meister weiter, er holte die Hochschulreife nach, absolvierte ein Informatikfachstudium, übernahm mehrere Führungsaufgaben, ehe er 2017 zum Gesamtleiter der Ausbildung avancierte.
Die Zeiten mit jährlich um die 1000 Bewerbungen, die noch Werner van Rickeln erlebt hat, sind vorbei. Das Interesse an gewerblich-technischen Berufen „ist in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen“, so Zimmer. Hingegen sollte sich das Angebot von dreijährigen Studiengängen in Kooperation mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg als Erfolgsknüller erweisen. Zimmer: „Da könnte ich jeden Platz vielfach besetzen.“
Maßgeschneidertes Studium
Das Besondere: Alle drei Monate wechseln theoretische und praktische Unterrichtsblöcke, die eng auf die Erfordernisse des Unternehmens ausgerichtet sind. Motto: „Heute lernen, morgen anwenden“. Von den 160 jungen Menschen, die momentan bei John Deere ausgebildet werden, streben 140 gewerblich-technische Berufe an, 20 absolvieren einen maßgeschneiderten dualen Studiengang, mal mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung, mal mit Schwerpunkten wie Software Engineering oder Maschinenbau.
„Vielseitige Ausbildung“
Bei der Jubiläumsfeier sind neugierige Blicke und vor allem Gespräche in der Ausbildungswerkstatt erwünscht. Azubis der Berufsfelder Elektronik, Mechatronik, auch speziell für Kfz, sowie Industriemechanik arbeiten dort während der ersten eineinhalb Jahr nahezu ausschließlich. Als Highlight der Ausbildung gilt „LIMO“, die „Lerninsel Montage“, an der im dritten Jahr innerhalb von vier Wochen gemeinsam ein kompletter Traktor gebaut und später den Kunden übergeben wird.
Zu den „Azubis“, die in „ihrer“ Werkstatt Gäste bei Mitmachaktionen betreuen, gehört Luisa Brenzinger. Sie entschied sich nach dem Realschulabschluss vor einem Jahr, Industriemechanikerin zu werden. Ihre Entscheidung hat die 17-Jährige nicht bereut, sie schwärmt geradezu über die „gute Atmosphäre“ und „Super-Unterstützung“. Neben ihr nickt Ronny Heckmann, bereits im zweiten Lehrjahr, zustimmend. Er habe die „vielseitige Ausbildung“ gewählt, weil ihm entgegenkomme, als Industriemechaniker „einen Allround-Job mit vielen Möglichkeiten“ zu erlenen.
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