Traditionsunternehmen

Wie Hutchinson aus Mannheim vom Rüstungsboom profitiert

Das Mannheimer Traditionsunternehmen hat viel Geld ins neue Logistikzentrum investiert. Doch der Automobilzulieferer hat auch ein zweites Standbein.

Von 
Walter Serif
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Im Logistikzentrum von Hutchinson in Mannheim erledigen vor allem die Roboter die Arbeit. © Christoph Blüthner

Mannheim. Die deutsche Automobilindustrie produziert gegenwärtig fast nur noch schlechte Schlagzeilen – unter deren Krise leidet natürlich auch die Zuliefererbranche. Vor diesem Hintergrund ist es schon ein großes Ding, dass das französische Unternehmen Hutchinson sich zu seinem Standort in Mannheim bekennt und dort mehr als sieben Millionen Euro in den Neubau eines hochmodernen Logistikzentrums investiert hat. Immerhin hat der internationale Konzern keine leichten Jahre hinter sich, weil im Bereich Automotive die alten Glanzzeiten schon seit langem vorbei sind.

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Da ist eine solch hohe Investition eine Ansage. „Ich bin jetzt seit 2017 Geschäftsführer in Mannheim und habe das Gefühl, dass der Restrukturierungsprozess nie aufhört“, sagt Michael Klein bei der offiziellen Einweihung des neuen Logistikzentrums für Präzisionsdichtungen, die in praktisch jedem Auto verbaut sind. Dass Mannheim im Wettbewerb mit zwei anderen europäischen Standorten am Ende die Nase vorn hatte, macht den Manager „sehr stolz“. Immerhin hat er sich nach seinen eigenen Worten „während der schwierigen Krisenjahre sehr dafür eingesetzt, das Unternehmen an seinem traditionellen Standort in Mannheim zu halten“.

„Die Hutsch“ hat schon schlechtere Tage erlebt

Das nach der Eichbaum-Brauerei zweitälteste Unternehmen in Mannheim – im Volksmund liebevoll „die Hutsch“ genannt – hat mit Blick auf die Zahl der Beschäftigten in der Tat schon bessere Tage erlebt. Vor einem größeren Umbruch Ende der 1990er waren am Standort rund 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Lohn und Brot, danach schrumpfte die Belegschaft zusammen. Gegenwärtig arbeiten in Mannheim nur noch 237 Leute. Aber immerhin, Geschäftsführer Klein geht davon aus, dass es in näherer Zukunft eher mehr als weniger in der einstigen „Gummiwarenfabrik Hutchinson“ in der Neckarstadt-West einen Job haben.

Michael Klein, Geschäftsführer der Hutchinson GmbH in Mannheim. © Christoph Blüthner

Das klingt überraschend, denn das vollautomatisierte Logistikzentrum beschäftigt nur noch wenige Menschen, aber viele Roboter. Einer von ihnen schafft sechs Meter pro Sekunde. Rationalisierungsmaßnahmen sind in der Regel ja immer Gift für die Beschäftigung. Allerdings: Wer nicht mit der Zeit geht, verspielt am Ende alles. Es kommt da immer auf die Dosis und die Strategie an. Abrissbirne oder Innovation.

Das Hutchinson Management hat offensichtlich die alten Zöpfe abgeschnitten und auf dem 3700 Quadratmeter großen Gelände die Logistik optimiert. Jetzt berechnet der Algorithmus die idealen Lieferwege, und die Maschinen melden selbstständig den Materialbedarf. Hutchinson adaptiert also den Industrie 4.0-Ansatz, bei dem Maschinen und Abläufe intelligent vernetzt sind. Der Konzern spricht im allgemeinen PR-Sprech von einem „Meilenstein in seiner industriellen Transformation“, die demnach auf Innovation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.

Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht bei der Einweihung des Hutchinson-Logistikcenters. © Christoph Blüthner

Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht sieht im neuen Logistikzentrum jedenfalls ein „starkes Signal für den Standort Mannheim und die Metropolregion Rhein-Neckar“. Und natürlich freut er sich über Kleins Lob, der der Stadt – und den Bauämtern! - einen maßgeblichen Beitrag während der Planungs- um Umsetzungsphase attestiert. Dass Wirtschaftsmanager Politik und Verwaltung loben, hat nicht nur in Mannheim Seltenheitscharakter. Fakt ist, dass es vom Spatenstich im Juli 2024 bis zur offiziellen Eröffnung des Logistikzentrums nicht sonderlich lange gedauert hat. „Wir haben noch ein paar Flächen für Sie in der Stadt“, wirbt Specht mit einem Lächeln im Gesicht.

Das alte Fabrikgebäude in der Neckarstadt-West. © Christoph Blüthner

Das neue Logistikzentrum ist zweifelsohne ein weiteres Pfund zur Sicherung des Standorts in der Neckarstadt-West. Der reine Umsatz beträgt gegenwärtig zwar nur 160 Millionen Euro im Jahr. Das ist ein Klacks verglichen mit dem des Konzerns, der auf insgesamt fünf Milliarden Euro kommt. Aber: „Die Hutsch“ ist zusätzlich Systemlieferant für die Gruppe und erwirtschaftet mit diesem Geschäft 650 Millionen Euro. Das ist dann schon eine andere Hausnummer.

Außenansicht: Das neue Logistikzentrum im Mannheimer Industriehafen. © Christoph Blüthner

Damit ist die Geschichte aber noch nicht auserzählt: Der Standort profitiert gegenwärtig auch von der veränderten Sicherheitslage in Europa. Stichwort Putin. „Wir produzieren 28.000 Räder für geschützte Fahrzeuge“, sagt Klein. Hutchinson ist so gesehen ein Krisenprofiteur in einem Geschäftsfeld, das in Zukunft - so traurig das auch klingen mag - enorme Wachstumschancen birgt. „Für die Rüstung stehen allein in Deutschland 500 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist ein Riesenmarkt auch für Hutchinson“, ergänzt Specht. Und dafür muss sich der „Mischkonzern“ - wie es Klein nennt - anders als vielleicht in der Vergangenheit auch nicht schämen. Immerhin, das ist dem Geschäftsführer dann schon wichtig zu erwähnen, verkauft Hutchinson „keine Munition.“

Hutchinson in Mannheim

Das Unternehmen wird 1853 von dem US-amerikanischen Ingenieur Hiram Hutchinson in Frankreich gegründet.

1860 beginnt die französische Gummi- und Kautschukfabrik „Etablissement Hutchinson“ im Mannheimer Quadrat S 6,1. 1902 siedelt sie in einen Neubau an den Industriehafen in der Neckarstadt-West.

Mannheim ist inzwischen die deutsche Zentrale der Hutchinson GmbH. was

Gegenwärtig setzt Hutchinson im Automotive-Bereich mit drei Milliarden Euro im Jahr noch mehr um als im Segment Verteidigung und Aerospace. Aber das Verhältnis könnte sich noch ändern. „Früher war es so: Wenn das Automotive-Geschäft gut ging, ging es dem anderen Bereich nicht so gut. Jetzt stehen wir wieder an einem Wendepunkt“, sagt Klein. Im vergangenen Jahr erzielte der Konzern als Zulieferer für die Automobilindustrie noch ein Plus. In diesem Jahr, dürfte es schwierig werden, wenigstens eine schwarze Null zu erzielen. „Die Welt ist nicht mehr in Ordnung, aber wir kommen damit klar“, haben sich Klein & Co. auf die veränderte Großwetterlage bereits eingestellt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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