Großbaustelle

Wie es an der Großbaustelle Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt aussieht

Von 
Christian Schall
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Am Bahnhof Walldorf (Hessen) herrscht bei der Generalsanierung der Riedbahn schon Hochbetrieb. Hier durchtrennt ein Arbeiter die Oberleitung. © Christian Schall

Mörfelden-Walldorf. Wer sich bislang gefragt hat, was unter dem Begriff Generalsanierung im Zusammenhang mit der Riedbahn zu verstehen ist, kann sich an vielen Orten entlang der Strecke zwischen Mannheim und Frankfurt nun ein Bild davon machen. Es sind noch keine zwei Tage vergangen, seitdem die Strecke für den Personen- und Güterverkehr gesperrt ist, da geht es vielerorts bereits richtig zur Sache. Es herrscht Hochbetrieb am Gleis, und es wimmelt von Maschinen und Menschen.

Beispielhaft für den neuen Ansatz, alles auf einmal zu sanieren anstatt abschnittsweise einzelne Gewerke, steht das Umfeld des Bahnhofs im hessischen Walldorf (Kreis Groß-Gerau). „Wir erneuern hier nicht alles, aber wir arbeiten an allen Anlagen gleichzeitig“, beschreibt Projektleiter Julian Fassing das Vorgehen, und zählt auf: „Wir bauen einen neuen, barrierefreien Mittelbahnsteig, eine Lärmschutzwand und erneuern die Oberleitung.“

Riedbahn-Projektleiter Julian Fassing erläutert im Baubüro in Mörfelden-Walldorf die Koordination der Baufahrzeuge auf den Gleisen. © Christian Schall

Geduldig erläutert er den Vertretern zahlreicher Medien die Maßnahmen und wird plötzlich jäh unterbrochen: Vom gegenüberliegenden Bahnsteig dröhnen laute, hämmernde Geräusche. Der Bahnsteig vibriert, Fassing ist nicht mehr zu verstehen. Zu sehen ist, dass mit einem Baugerät eckige Pfosten in den Boden gerammt werden, zwischen Gleis und Bahnsteig. Als die Baumaschine kurz pausiert, erklärt Fassing, wofür sie gebraucht werden: Der Bahnsteig wird abgetragen, so dass dort ein großes Loch entsteht. Damit nichts abrutschen kann, wird vorübergehend eine Art Stützwand - in der Fachsprache „Verbau“ - errichtet.

Wie der Projektleiter den Auftakt der Arbeiten bewertet

Seit Montagabend, 23 Uhr, ist die 70 Kilometer lange Bahnstrecke gesperrt. „Der Start war sehr gut“, freut sich Fassing. Pünktlich sei die Oberleitung abgeschaltet und geerdet worden - eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit die Arbeiter mit ihren großen Maschinen ungefährdet arbeiten können.

Weil die Leit- und Sicherheitstechnik, also unter anderem die Signale, ebenfalls längst abgeschaltet ist, könnte auf der Strecke ohnehin kein Zug mehr fahren. Die allerletzte Sicherheit besiegelt ein Arbeiter, der auf der Hebebühne eines Schienenbaufahrzeugs steht: Mit einem Bolzenschneider durchtrennt er die Oberleitung. Der Fahrdraht, wie er in der Fachsprache heißt, hängt zunächst auf Augenhöhe über dem Gleis durch und kracht schließlich mit dem zweiten Schnitt zu Boden ins Gleisbett und auf den Bahnsteig.

Fakten zur Riedbahn

  • Die Riedbahn zwischen Mannheim und Frankfurt ist nach Angaben der Deutschen Bahn Deutschlands meistbefahrene Bahnstrecke.
  • Mehr als 300 Züge des Fern-, Nah- und Güterverkehrs rollen täglich über die zweigleisige Strecke.
  • Jeder siebte Fernverkehrszug fährt über die Riedbahn, mit bis zu 60 000 Reisenden. Im Nahverkehr nutzen täglich 16 000 Fahrgäste die Strecke.
  • Die 70 Kilometer lange Strecke ist an der Kapazitätsgrenze: Die Auslastung liegt bei über 150 Prozent. 

„Die große Herausforderung ist, alle Maßnahmen auf engem Raum gleichzeitig durchzuführen“, sagt der Projektleiter. Aus diesem Konzept ergibt sich gleichzeitig ein Vorteil: „Wir warten nicht, bis das eine fertig ist, sondern verschachteln die Gewerke, wie es sinnvoll und möglich ist.“ Parallel zum Gleisbau werden beispielsweise Elemente der Leit- und Sicherheitstechnik montiert. Fassing rechnet damit, dass bereits nach dem nächsten Wochenende in einzelnen Abschnitten erste Arbeiten fertig sind.

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Damit der Hochbetrieb in den Gleisen geordnet abläuft, braucht es eine gute Koordination. Dazu hat die Bahn zwei Baubüros eingerichtet, von wo aus Mitarbeiter die Belegung der Gleise und den Fahrweg der Baufahrzeuge steuern. Eines davon befindet sich in einem Gewerbegebiet in Mörfelden-Walldorf, es ist zuständig für den Abschnitt Frankfurt/Zeppelinheim bis Biblis. Genau dieser Bereich ist auf fünf nebeneinander aufgestellten Großbildschirmen dargestellt, mit jedem Gleis und jeder Weiche, die allesamt durchnummeriert sind. Orange Punkte stehen für Bagger, gelbe Rechtecke für Arbeitszüge. Hinzu kommen Abkürzungen wie ZWB, das für „Zweiwegebagger“ steht - ein Bagger, der auf Straßen und Schienen fahren kann.

Wie die Schienenfahrzeuge durch die Gleise gelotst werden

So sieht das Personal - analog zu Fluglotsen nennt Fassing sie „Lotsen für die Gleisbedienung“ - , welches Gleis wo durch welches Fahrzeug belegt ist. Das ist wichtig für die Koordinatoren, denn so können sie verhindern, dass Fahrzeuge sich gegenseitig behindern und der Ablauf gestört wird. Zu beachten ist außerdem, dass für Materialanlieferungen immer ein Gleis befahrbar sein muss. Der Aufwand ist zusätzlich höher, da die Stellwerke nicht mehr in Betrieb sind und Weichen vor Ort von Hand gekurbelt werden müssen. Manchmal kommen die Fahrzeuge auch nur über kleine Umwege weiter, da einzelne Weichen schon ausgebaut sind.

Nur weil die Strecke für den Personen- und Güterverkehr gesperrt ist, herrscht nicht automatisch weniger Betrieb auf den Gleisen. „Heute Morgen waren auf der gesamten Strecke 20 bis 30 Fahrzeuge unterwegs, jetzt (am Vormittag) sind es schon 70 - Tendenz steigend“, veranschaulicht der Projektleiter den Abstimmungsbedarf. In den Baugleisen gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h. Für die Mitarbeiter in der Schaltzentrale heißt das: „Wo können sich Fahrzeuge behindern, und was müssen wir tun, damit sie sich nicht behindern.“ Anders als auf der Straße können sich die Maschinen nicht einfach gegenseitig ausweichen.

„Diesen Raum gibt es zweimal“, spielt Julian Fassing auf das andere Baubüro an. Es ist in Mannheim eingerichtet und koordiniert den Verkehr auf dem südlichen Abschnitt von Mannheim bis Biblis. Das Personal dort ist nicht weniger beschäftigt. Auch in diesem Abschnitt gibt es viel zu tun.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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