Bauen

Warum sich Diringer & Scheidel auch um kleinere Aufträge bemüht

Das Mannheimer Familienunternehmen bekommt die Baukrise zu spüren. Neue Mega-Projekte sind zur Zeit nicht in Sicht. Aber ein Vorzeigeprojekt in der Mannheimer Innenstadt ist bald fertig.

Von 
Bettina Eschbacher
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In New 7, dem Vorzeigeprojekt von Diringer & Scheidel in der Mannheimer Kunststraße, entstehen Geschäfte, Büros und Wohnungen. © Christoph Blüthner

Das Wichtigste in Kürze

- Das Unternehmen Diringer & Scheidel spürt die Baukrise und setzt auf kleinere Aufträge in Mannheim.

- Der Bau von New 7 in der Kunststraße mit Wohnungen, Büros und Geschäften steht kurz vor der Fertigstellung.

- Die Gastronomie im Einkaufszentrum Q6 Q7 soll belebt werden.

Mannheim. Die Bauwirtschaft steckt noch immer in der Krise, Großprojekte sind rar geworden. Das bekommt auch die Mannheimer Diringer & Scheidel-Gruppe (D&S) zu spüren. „Die Baubranche hat natürlich zu kämpfen. Aber wir schlagen uns gut durch dank unserer Diversifizierung und eigenen Projekten“, sagt Seniorchef Heinz Scheidel. Der Bau ist nach wie vor die größte Sparte des Familienunternehmen. Das zweite große Standbein sind die Dienstleistungen mit Pflegeeinrichtungen und Hotels.

Heinz Scheidel: Wohnungsbau fast tot

„Der private Wohnungsbau ist fast tot“, sagt Heinz Scheidel. Größere Aufträge kämen dank langjähriger Kontakte in der Region vor allem von den städtischen Baugesellschaften. Für diese baue D &S in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen. Zum Beispiel ist D&S am Bau der Grünen Mitte, der markanten Hochhäuser in Buchstabenform, in neuen Mannheimer Stadtteil Franklin beteiligt.

Scheidel lässt anklingen, dass die Ziele angesichts der Branchenkrise aktuell bescheidener als in den Boomjahren sind. „Wir bemühen uns verstärkt um kleinere Aufträge, sind also etwas nach unten ausgewichen.“ Da sei man zum Glück als Mittelständler flexibel und daher gut ausgelastet. „Ich sage immer: Die Vögel werden auch satt, wenn sie mehr kleinere Portionen picken“, so Scheidel.

D&S-Leistung geht 2024 zurück



  • Diringer & Scheidel ist ein mehr als hundert Jahre altes Mannheimer Familienunternehmen. Die Gruppe setzt sich aus zwei Standbeinen, dem Bau und den Dienstleistungen , zusammen.
  • D&S baut für Auftraggeber, kauft und entwickelt aber auch Projekte in Eigenregie . Außerdem betreibt das Unternehmen Pflegeeinrichtungen und Hotels.
  • 2024 hat D&S eine Leistung von 580 Millionen Euro erzielt. Das sind 9 Prozent weniger als 2023.
  • Das Ergebnis wird traditionell nicht verraten. Es sei aber gemessen an den Rahmenparametern zufriedenstellend , sagt Finanzchef Tobias Volckmann mit Blick etwa auf die Bauträger-Krise.

2024 hat D&S zum Beispiel das neue Bauhaus-Verwaltungsgebäude in Mannheim fertiggestellt. Ein weiteres Vorzeigeprojekt ist der Alice-Bensheimer-Saal im Mannheimer Congresscenter Rosengarten, der zum Jahresende eingeweiht wurde. Immer wichtiger wird das Bauen im Bestand, also Sanieren statt Abreißen. Im Heidelberger Patrick-Henry-Village renoviert D&S zwei große Wohngebäude mit einem Auftragsvolumen von 15 Millionen Euro. Und in Karlsruhe mit dem Marktgräflichen Palais ein Großprojekt, das Umbau und Neubau kombiniert. In Wiesloch baut man eine Reha- und Suchtklinik.

Heinz Scheidel setzt auf einen Auftragsschub im Bereich Energie. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Dazu kommt, dass ein Baubereich weiter gut läuft. Mit dem Tief- und Rohrleitungsbau ist D&S bundesweit an vielen innerstädtischen Infrastrukturprojekten beteiligt. In der Industrie wiederum halten sich die Unternehmen mit Investitionen zurück, hier ist D&S vor allem bei Sanierungsarbeiten aktiv.

D&S erhofft sich Aufträge von den Infrastruktur-Milliarden des Bundes

Volle Auftragsbücher hat auch die Rohrsanierungssparte, die inzwischen auf 500 Beschäftigte angewachsen und international aktiv ist. Gerade haben die Mannheimer einen Großauftrag in Bahrain ergattert. Für rund 18 Millionen Euro saniert D&S dort Abwasserkanäle.

Von dem großen Infrastrukturpaket der Bundesregierung erhofft sich auch D&S ein Stück vom Milliarden-Kuchen. Vor allem in der grünen Transformation erwarte man einen Auftragsschub, ob für Umspannwerke, Kabeltrassen oder Fernwärme-Ausbau. In der Energiewirtschaft stiegen bereits jetzt die Auftragsvolumen, heißt es aus der Geschäftsleitung. Im Bereich Verkehr rechnet man sich vor allem beim Gleisbau mehr Aufträge aus.

„Deshalb investieren wir jetzt schon trotz Baukrise in Geräte und bauen auch Personal auf. Solche Ressourcen lassen sich nicht auf einen Schlag verdoppeln“, erklärt Tobias Volckmann, in der Geschäftsleitung für Finanzen verantwortlich. Ein Saugbagger etwa, der vor allem im innerstädtischen Bereich eingesetzt wird, kostet rund 600.000 Euro.

Tobias Volckmann ist bei D&S für die Finanzen verantwortlich. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Baupreise haben sich um fast die Hälfte verteuert

Enttäuscht ist man in der D&S-Zentrale in Mannheim-Neckarau dagegen von den ersten Versuchen, das Bauen wieder einfacher und damit billiger zu machen. Einfacher bauen sei nur machbar, wenn sich die Gesetzeslage ändere. Scheidel nennt ein Beispiel: Es nütze nichts, die Vorgaben für Trittschall im Boden zu verringern, wenn Mieter trotzdem noch gegen die Lärmbelästigung klagen können.

Und dann hätten die Kommunen mit der Grundsteuerreform auch noch dafür gesorgt, dass die Grundstückspreise entgegen der Marktlage hoch blieben. Die Kommunen hätten die Bodenrichtwerte so stark angehoben, dass Verkäufer den Wert ihres Grundstücks oft überschätzten. Und das bei einer ohnehin schon extremen Verteuerung der Baupreise um 45 Prozent seit 2020. Ein wesentlicher Preistreiber sei die CO2-Abgabe für Baumaterialien wie Zement oder Kalk.

New 7 in der Mannheimer Kunststraße vor Fertigstellung

Das Traditionsunternehmen baut nicht nur für Auftraggeber, sondern auch als Projektentwickler in Eigenregie. Nach dramatischen Insolvenzen von Projektentwicklern in den vergangenen Jahren – darunter der Zusammenbruch des Reichs von René Benko– ist dieser Markt abgestürzt, eine Erholung ist noch nicht in Sicht. Hier agiert auch D&S vorsichtig, große neue Projekte sind derzeit kein Thema. Denn auch bei den Investoren sitzt das Geld längst nicht mehr locker: Nach wie vor ist zum Beispiel das fertige Bürogebäude Loksite noch nicht verkauft, trotz bester Lage nahe dem Mannheimer Hauptbahnhof und Voll-Vermietung.

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Das derzeit größte Projekt im D&S-Portfolio ist New 7. In der Mannheimer Kunststraße baut das Unternehmen den früheren Kaufhof komplett um. Aus einem Kaufhaus wird ein Gebäude mit Wohnungen, Praxen, Büros und Einzelhandel. New 7 ist bereits an einen Investor verkauft, Ende des Jahres soll es fertig sein.

Ein weiteres eigenes Projekt ist das Goethe-Quartier in Heidelberg. Auf dem ehemaligen Bauhaus-Standort entstehen Büros und Wohnungen und Service-Appartments. Vor der Haustür, in Neckarau, wird außerdem das Projekt Gartenhöfe vorbereitet mit 140 Wohnungen und Einrichtungen für die Diakonie. Je nach Marktlage könnte dort der Bau im Frühjahr beginnen.

Sorgenkind Stadthaus: D&S will endlich Entscheidung

Und dann ist da noch das Sorgenkind Stadthaus. D&S hatte sich daran beteiligt, mit dem Ziel, es abzureißen und etwas ganz Neues zu bauen. Doch es kam anders, das Gebäude am Mannheimer Paradeplatz wurde überraschend unter Denkmalschutz gestellt. Inzwischen kommt aber Bewegung in die jahrelange Hängepartie mit mehreren Kehrtwenden: Dort könnte jetzt die neue Stadtbibliothek entstehen, sofern der Gemeinderat zustimmt. „Wir sind von einer anderen Nutzung ausgegangen. Aber wir könnten uns heute vorstellen, dass das komplette Gebäude als Stadtbibliothek genutzt wird.“, sagt Achim Ihrig, ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung.

Beim Stadthaus hofft D&S, dass es jetzt endlich eine Entscheidung zum Umbau gibt. Das Projekt hatte man sich ganz anders vorgestellt. © Thomas Tröster

Wie das genau ausgestaltet werde, müsse mit der Stadt geklärt werden. „Fakt ist aber, dass man es uns nicht zumuten kann, das Projekt weiter auf die lange Bank zu schieben. Wir sind bereit, unseren Beitrag für eine Lösung zu leisten, aber wir haben keine Zeit für eine ewige politische Diskussion.“

Achim Ihrig lobt Bettensteuer in Heidelberg

Im zweiten Standbein, der Sparte Dienstleistungen, betreibt die Gruppe unter anderem Hotels und Pflegeeinrichtungen. „Unsere vier Hotels in Mannheim haben sich am Markt gut etabliert, das Geschäft läuft zufriedenstellend“, sagt Ihrig, der für die Dienstleistungen verantwortlich ist. Das Radisson Blu sei als Spitzenhotel eindeutig die Nummer 1 in Mannheim – auch preislich. Er sehe daher keine Veranlassung sich auf Preiskämpfe in der Branche vor Ort einzulassen. Nach wie vor sieht er kritisch, dass sich immer neue Hotels, vor allem in den unteren Preisklassen, in der Stadt ansiedeln. „Der Markt in Mannheim kann die Hotels nicht mehr absorbieren.“

Achim Ihrig hält den Hotelmarkt in Mannheim für ausgereizt. © Pressefotoagentur Thomas Tröster

Dass nach Mannheim nun auch der große Tourismus-Konkurrent Heidelberg eine Bettensteuer eingeführt hat, beobachtet Ihrig mit einer gewissen Genugtuung. Dadurch werde die Marktungleichheit korrigiert. „Die Heidelberger machen das besser als die Mannheimer, weil sie die Steuer, die sie von den Gästen erheben, zweckgebunden für den Tourismus einsetzen – im Gegensatz zu Mannheim.“ Er wünsche sich auch für Mannheim ein solche Lösung.

Pflegesparte Avendi wird 25

Die Pflegesparte Avendi feiert in diesem Jahr 25. Geburtstag. Es wird viele kleine Feste in den einzelnen Einrichtungen geben statt einer großen Veranstaltung. Avendi zählt mit 21 Pflege-Einrichtungen und vier ambulanten Diensten einem Branchenjournal zufolge zu den 30 größten privaten Betreibern in Deutschland. Zuletzt wurde 2024 eine Pflegeeinrichtung auf der Schwäbischen Alb neu eröffnet. Ob weitere Einrichtungen dazukommen, hänge laut Ihrig vom Immobilienmarkt ab. Derzeit werden schlicht nicht genug Immobilien entwickelt.

Tanzevent auf dem Münzplatz von Q6 Q7 beim jüngsten Mannheimer Erlebniswochenende. Diringer & Scheidel betreibt nicht nur Pflegeeinrichtungen, sondern auch das innerstädtische Einkaufszentrum. © Christoph Blüthner

„Die Marktbedingungen in der Pflege sind nicht einfacher geworden, es gab in den vergangenen Monaten so viele Insolvenzen wie noch nie“, sagt Ihrig. Es habe vor allem kleinere Betriebe getroffen. Deren Problem sei nicht die Nachfrage – die ja in unserer alternden Gesellschaft steigt – sondern der massive Personalmangel verbunden mit strenger Regulierung. Fehlt eigenes Personal, müssten die Einrichtungen teure Leasingkräfte holen, um die vorgegebene Fachkraftquote in der Pflege zu erfüllen. Das könnten sich viele Betriebe nicht mehr leisten. Deshalb hat Avendi in der Pflege massiv in das eigene Ausbildungsprogramm investiert, um weiter auf eigene Fachkräfte zurückgreifen zu können. In der Pflege brauche es dringend eine Strukturreform, fordert Ihrig, die auch eine Lockerung der Fachkraftquote bringe.

Q6 Q7: Bei der Gastronomie ausgebremst

D&S betreibt auch das Einkaufscenter Q6 Q7. Aktuell arbeite man verstärkt daran, die Gastronomie wiederzubeleben, erklärt Ihrig. Dort ist man in einer unangenehmen Situation: Wegen des Insolvenzverfahrens eines Betreibers sind noch einige Gastro-Flächen blockiert. „Wir könnten diese Fläche vermieten, bekommen aber nicht die Freigabe vom Insolvenzverwalter.“

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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