Mannheim. Ludwig Erhard hat den Deutschen einst „Wohlstand für alle versprochen“ - doch in Zeiten von Inflation und Rezession geht bei vielen die Angst vor dem Abstieg um. Grünen-Chefin Rebecca Lang hat jedenfalls Erhards Leitspruch für ihre Sommertour ein wenig angewandelt. „Wohlstand mit allen“ lautet ihr Motto. Auf der letzten Station stattet sie am Freitag dem Grosskraftwerk Mannheim (GKM) ihren Besuch ab.
Das ist natürlich ein heikler Termin für Lang und ihre Gastgeber. Für die Grünen ist Kohle besonders schmutzig. Das GKM wiederum will nicht als Schmuddelkind diskriminiert werden. Das Dilemma liegt auf der Hand: Niemand liebt die Kohle, aber ohne sie kommen wir noch nicht aus.
Ricarda Lang auf Besuch im Grosskraftwerk Mannheim: Ausstieg bereits begonnen
Das größte Steinkohlekraftwerk soll aber immerhin bis 2030 bei der Fernwärmeproduktion klimaneutral sein. Der Ausstieg hat bereits begonnen. „Aber es könnte alles schneller gehen. Wir brauchen klare und stabile Rahmenbedingungen. Und nicht nur Träume, sondern Realismus“, gibt Vorstand Gerard Uytdewilligen der Politikerin mit auf den Nachhauseweg.
Wir sind Verbündete. Die Energiewirtschaft muss natürlich wissen: Was wird wo produziert und was wird genehmigt. Die Menschen brauchen Planungssicherheit
Damit hat der Niederländer, der seine Kritik in wohldosierten Portionen verteilt, den Nerv getroffen. Lang ist Profi genug, um sich auf keinen Streit einzulassen, sondern gibt im Gegenteil zu verstehen, dass sie verstanden hat, was den Mannheimern auf den Nägeln brennt. Uytdewilligen lässt derweil nicht locker. Er bringt selbstverständlich das liebe Geld ins Spiel. Auch bei der Energiewende muss es da nach seiner Ansicht - wir erinnern uns an Langs Motto „Wohlstand mit allen“ - ein Fordern und ein Fördern geben.
Die Grünen-Chefin nimmt den Ball auf und appelliert an den Teamspirit. „Wir sind Verbündete. Die Energiewirtschaft muss natürlich wissen: Was wird wo produziert und was wird genehmigt. Die Menschen brauchen Planungssicherheit“, sagt sie. Die Appelle des Vorstands haben offensichtlich gefruchtet.
Zukunft des Grosskraftwerks: Mitarbeiter brauchen Sicherheit
Aber auch Betriebsratschef Ümit Lehimci will jetzt seine Chance nutzen: „Heute vor genau 37 Jahren habe ich hier im GKM angefangen, wir können stolz darauf sein, was wir geleistet haben“. Nur, wie sieht es um die Zukunft des GKM aus? Nicht nur die Geschäftsführung braucht Sicherheit. Auch die Beschäftigten sind anscheinend völlig verunsichert. „Wir können die Leute nicht ewig halten, die laufen uns weg, wenn sie glauben, dass es hier keine Perspektive mehr gibt“, sagt der Betriebsratschef.
Er erzählt von einem Mitarbeiter, der bei seiner Bank keinen Kredit mehr bekommt, weil dem Sachbearbeiter dessen Job zu unsicher ist. „Einen Vorstand kann man von heute auf morgen austauschen, einen Politiker vielleicht auch, aber ein Facharbeiter bei uns braucht zehn bis 15 Jahre bis er alles kann“, sagt Lehimci. Da gibt es so schnell keinen Ersatz.
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