Nachhaltigkeit

Warum die Sparkassen jetzt den TransnetBW-Sparbrief anbieten

Die Sparkassen-Finanzgruppe im Südwesten hat sich mit rund einer Milliarden Euro am Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW beteiligt. Jetzt lockt sie ihre Kundschaft mit einem speziellen Energienetze-Sparbrief

Von 
Walter Serif
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Die Sparkassen haben eine Milliarde Euro in die Übertragungsnetze von TransnetBW investiert. © TransnetBW

Es ist eine gigantische Zahl: Sechs Billionen Euro soll die Dekarbonisierung der Wirtschaft im Zeitraum von 2021 bis 2045 kosten. „Dies entspricht einem jährlichen Investitionsvolumen von 245 Milliarden Euro, was etwa sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts von 2022 ausmacht“, so Matthias Neth im Juli bei der Halbjahrespressekonferenz des Sparkassenverbands Baden-Württemberg in Stuttgart. Dass der Staat mit so hohen Investitionen überfordert wäre - diese Gewissheit hat Neth natürlich nicht für sich allein. „Private Investitionen müssen mobilisiert und attraktiver werden“, lautet sein Credo.

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Dass dies keine Verbandslyrik ist, hat die Sparkassen-Finanzgruppe mit ihrem großen Coup im Mai 2023 bewiesen. Sie sicherte sich damals für eine Summe von rund einer Milliarde Euro einen Minderheitsanteil - nämlich 24,95 Prozent - am Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW, einer Tochter des Karlsruher Energieunternehmens EnBW. Die zweite Tranche - ebenfalls 24,95 Prozent - hat inzwischen der Bund gekauft.

Neben den Sparkassen soll es damals auch Interessenten aus der privaten Finanzwelt gegeben haben. Medienberichten zufolge gehörten dazu die US-Investmentgesellschaft BlackRock, der Versicherer Allianz und weitere Fonds. Eingefädelt hatte den Deal Neths Vorgänger Peter Schneider, der für den Einstieg bei TransnetBW gleich zwei Motive nannte: „Unsere Kundinnen und Kunden wollen in grüne Anlagen investieren, außerdem muss sich die Finanzgruppe als öffentliche Organisation an der Transformation der Wirtschaft beteiligen.“

Sparkasse Esslingen-Nürtingen geht als erstes Geldinstitut voran

Dazu muss man wissen, dass die Sparkassen hinter den Kulissen Stimmung gegen die Konkurrenz gemacht hatten, indem sie betonten, dass sie ja auch einen öffentlichen Auftrag hätten und nicht nur an Gewinnmaximierung interessiert seien. Die Betonung liegt aber auf „nicht nur“. Mit dem Investment wollen die Sparkassen natürlich auf lange Sicht Geld verdienen. Das werden sie auch brauchen. Denn die EnBW will mit dem Teilverkauf der TransnetBW den Ausbau der Stromnetze finanzieren. Die neuen Anteilseigner müssen deshalb neben dem Kaufpreis auch in Zukunft zusätzliches Kapital investieren.

Mit Blick auf die Kundschaft ist sich Neth sicher: „Viele finden diese Investition in das Rückgrat der Energiewende sehr sinnvoll und möchten ihren Beitrag dazu leisten.“ Die Geldinstitute wollen nun die Kunden an dem Geschäft teilhaben lassen, ohne dass diese eine direkte Beteiligung eingehen. Den ersten Versuchsballon lässt die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen im Oktober starten. Sie bietet ihren rund 250 000 Kundinnen und Kunden den Sparbrief „Impulsgeber Energiewende“ an - „im Rahmen eines Pilotprojekts“, wie es Neth ausdrückt. Dass eine Bank auf diesem Weg versucht, Sparer in die Finanzierung der Energiewende einzubeziehen, ist neu. Inzwischen hat sich auch die Kreissparkasse Ostalb zum Mitmachen entschlossen.

Beteiligt am Kauf der TransnetBW-Anteile haben sich nach Angaben des Sparkassenverbands unter Führung der SV Sparkassenversicherung mehr als 30 Sparkassen, Banken, Versicherungen und Körperschaften aus dem Südwesten. Dazu gehört auch die Sparkasse Rhein Neckar Nord, sie denkt nach Angaben ihres Pressesprechers Rico Fischer derzeit aber nicht darüber nach, den Energiewende-Sparbrief ebenfalls anzubieten. Die Sparkasse Heidelberg hat nach ihrer Darstellung kein Geld in TransnetBW investiert. „Das Wichtige ist, dass wir jetzt starten und Erfahrungswerte gewinnen“, sagt Neth.

Die Idee der Sparkassen, als Anlage einen Sparbrief auf dem Markt zu lanciert, kommt nicht von ungefähr. Sparbriefe waren lange Zeit aus der Mode, erleben aber nach den wieder gestiegenen Zinsen ein fulminantes Comeback. Nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands ist die Entwicklung fast schon atemberaubend. Demnach haben sich seit der ersten Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank im Juli 2022 die Bestände um rund 81 Milliarden Euro erhöht und damit verachtfacht.

Ein Trend, von dem auch die Sparkasse Rhein Neckar Nord profitiert. „2023 flossen bei uns 183 Millionen Euro in Sparbriefe - mehr als das Dreifache im Vergleich zum Vorjahr“, so Fischer. Eine Entwicklung, die sich nach seinen Angaben in diesem Jahr fortgesetzt hat: „Bis Ende Juni legten unsere Kundinnen und Kunden fast 165 Millionen Euro in Sparbriefen an.“

Die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen will einer breiten Kundschaft den Erwerb des Sparbriefs ermöglichen. Der Einstiegsbetrag wird voraussichtlich bei 500 Euro liegen. Die genauen Details folgen bei der Markteinführung. Die geplante Laufzeit dürfte zwischen zwei und drei Jahren und der Zinssatz bei 2,5 Prozent liegen. Da die Nachhaltigkeit bei institutionellen Anlegern nach Einschätzung der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen eine wichtige Rolle spielt, will sie ihnen diese Möglichkeit nicht verwehren. Allerdings ist der Höchstbetrag auf 500 000 Euro gedeckelt, deshalb dürfte der Sparbrief eher für Privatkunden reizvoll sein. Anders als bei Aktien oder anderen Wertpapieren gibt es für sie kein Risiko, weil beim Sparbrief Zins und Laufzeit ja vorab festgelegt sind. Umgekehrt wirft dieser dann natürlich auch keine fetten Renditen ab.

Verband kritisiert geplanten Anstieg des Eigenkapitalanteils

Beim „Impulsgeber Energiewende“ kommt noch eine Besonderheit dazu: Die Sparkassen dürfen nicht mehr Geld über die Sparbriefe einsammeln, als sie selbst für den TransnetBW-Kauf ausgegeben haben. Die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen strebt ein Volumen von 50 Millionen Euro an. Die Kreissparkasse muss regelmäßig das Absatzvolumen überprüfen. Damit alles mit rechten Dingen zugeht, kontrollieren externe Prüfer die sogenannte Mittelverwendungsbilanz. Dadurch soll eine Zweckentfremdung der Mittel ausgeschlossen werden.

Nach dem Start im Oktober können auch andere Sparkassen das Sparbrief-Modell übernehmen. „Wir sind überzeugt, dass weitere Sparkassen auf ihre Kundinnen und Kunden zugehen werden. Darüber hinaus wird man sicherlich an weiteren Möglichkeiten der Transformationsfinanzierung arbeiten müssen“, sagte eine Sprecherin des Sparkassenverbands.

Allerdings sieht der Verband „Handlungsbedarf bei der Bankenaufsicht“. Nach Darstellung der Sprecherin würde sich die Eigenmittelanforderung für Infrastrukturbeteiligungen wie bei TransnetBW bis 2030 mehr als verdoppeln. „Dies würde künftige Investitionen in die Infrastruktur deutlich erschweren oder möglicherweise sogar verhindern“, warnt die Sprecherin. Offensichtlich hat die Sparkassen-Finanzgruppe beim Kauf der TransnetBW-Anteile auch in dieser Hinsicht einen optimalen Zeitpunkt erwischt.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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