Immobilien

So wird der Wohnungsbau auch in Mannheim ausgebremst

Hohe Zinsen, gestiegene Rohstoffpreise, behördliche Auflagen, Normen und Gesetze - es gibt viele Gründe, die das Bauen zunehmend unattraktiv machen. Experten aus Mannheim und der Region ordnen die Lage ein

Von 
Christian Schall
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Neue Bauprojekte in der Größenordnung – wie dieses mit 3500 Wohneinheiten bei Hannover – sind angesichts steigender Bau- und Finanzierungskosten in den nächsten Jahren nicht mehr zu erwarten. © dpa

Rhein-Neckar. Auf dem privaten Wohnungsmarkt sind die goldenen Jahre vorbei. Hohe Baupreise, gekoppelt mit teurem Baugeld machen den Immobilienkauf für viele unerschwinglich. Beim Immobiliengipfel Rhein-Neckar war kürzlich die regionale Immobilien- und Finanzbranche darüber im Austausch. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was hat das Bauen und Wohnen zuletzt so verteuert?

Dafür gibt es viele Gründe. Einer beeinflusst die Entwicklung seit Jahren: hohe Nachfrage nach Eigentum bei einem Angebot, das damit nicht Schritt halten konnte. Die Nachfrage wurde durch günstiges Baugeld angeheizt. So wurde der Käuferkreis größer, auch von denjenigen, die nicht unbedingt den Plan hatten, Eigentümer zu werden. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), belegt das mit Zahlen: Bestand in Deutschland in den 1960er Jahren eine Eigenheimquote von 36 Prozent, liegt diese nun bei über 50 Prozent. Sie ist überzeugt: „Die Korrektur bei den Preisen ist im laufenden Gange. Aber der Einbruch wird nicht so stark wie manche glauben.“

Was sind weitere Gründe für die hohen Preise?

Zum Beispiel der Anstieg der Rohstoffkosten: Gesägtes und gehobeltes Holz sowie Stahl sind schon vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine deutlich teurer geworden. Der Krieg hat die Preise erneut nach oben getrieben. Inzwischen haben sie wieder etwas nachgegeben, befinden sich aber weiterhin über dem Niveau von vor drei Jahren. Seit Jahresbeginn kosten außerdem Sand, Kies und Dachziegel deutlich mehr. Hohe Energiekosten haben natürlich ebenfalls Auswirkungen.

Mit welcher Zinsentwicklung ist zu rechnen?

Traud spricht über das jahrelange Niedrigzinsniveau mit unter zwei Prozent von einer „Ausnahme“. Es sei nicht normal, wenn Geld nichts mehr koste. „Wir sollten uns daran gewöhnen, dass das nicht wieder kommt.“ Gemessen mit Anfang der 1990er Jahre sind die Hypothekenzinsen immer noch niedrig. Damals kratzten sie an der Zehn-Prozent-Marke. Nach Angaben des Verbraucherratgebers finanztip.de sind die Bauzinsen auf einem Niveau von etwa vier Prozent (zehn Jahre Laufzeit, Beleihung bis 80 Prozent) stabil.

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Betreffen die hohen Immobilienpreise nur Käufer?

Nein. Weil viele Kaufinteressenten ihre Eigenheim-Pläne zurückstellen (müssen), steigt die Nachfrage nach Mietwohnungen. Das erhöht den Druck auf die Mieten. Hinzu kommt ein Bevölkerungsanstieg, auch durch Zuwanderung.

Wenn die Nachfrage nach Wohnraum so hoch ist, warum wird dann nicht mehr gebaut?

Hier sind wir wieder bei den hohen Kosten. Wenn Zinsen sich vervierfachen und Baukosten steigen, dann werden Projektentwickler und Bauunternehmen zurückhaltend. Es erschwert ihnen die Finanzierung. Außerdem stehen Käufer nicht mehr Schlange, so dass sie unter Umständen auf den neu gebauten Wohnungen sitzenbleiben, weil sie fast niemand mehr bezahlen kann.

Wann gab es zuletzt eine solche Flaute?

Heinz Scheidel, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Mannheimer Diringer & Scheidel-Unternehmensgruppe, kennt sich in der Branche aus und sagt: „Ich habe in meinem langen, langen Berufsleben schon einige Krisen erlebt, doch die Situation momentan ist einmalig.“ Grund sei nicht nur eine, sondern verschiedene Ursachen. Generell sei der Wohnungsbau durch steigende Baukosten - hauptsächlich durch immer mehr Auflagen, Vorschriften und steigende Grundstückspreise veranlasst - zuletzt immer schwieriger geworden. Spätestens nach dem plötzlichen Wegfall der KfW55-Förderung im vergangenen Jahr, dem Ukraine-Krieg und stark steigenden Zinsen sei es nicht mehr darstellbar, diese Kosten aufzufangen.

Welchen Faktor spielen Vorgaben und Gesetze?

Scheidel nennt zwei Kategorien: zum einen Gesetze mit Vorgaben von Bund und Ländern wie (DIN-)Normen. So werde vorgeschrieben, dass 80 Prozent der Wohneinheiten „ready besuchsgeeignet“ sein müssen, also schwellenlos erschlossen. Um eine KfW-Förderung für nachhaltigen Wohnungsbau zu erhalten, müsse aufwendig zertifiziert und dokumentiert werden. Im Falle von zwei Zertifikaten sei der Aufwand ohne Nutzen für die Bewohner, erhöhe die Baukosten aber etwa um zwei Prozent. Im Bereich des Schall- und Wärmeschutzes gebe es „viele unnötige, nicht sinnvolle Vorschriften, die sich zum Teil konterkarieren“. Das Zweite sind Auflagen und Vorgaben von Kommunen, etwa, wie Gebäude gestaltet sein müssen. Karl-Heinz Frings, Geschäftsführer der Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft GBG, kritisiert die vielen Vorschriften ebenfalls: „Nicht noch mehr Regulierung - das ist das, was uns als Unternehmen hindert, Lösungen zu finden. Lieber mal auf Regulierung und Vorschriften verzichten und uns das Bauen überlassen.“

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Was ist mit Vorgaben zur Energieeinsparung?

Auch die bleiben nicht folgenlos. Frings sagt, dass viele politische Ziele (wie Senkung der CO2-Emissionen, Umstellung auf erneuerbare Energien oder Reduzierung des Verbrauchs von Grund und Boden) gut, wichtig und nachvollziehbar seien. Dabei würden jedoch zu wenig die Ziele der anderen am Prozess Beteiligten berücksichtigt. „Zunehmend ist für uns Investoren das Problem, dass die Zielkonflikte immer wieder zulasten der Immobilienunternehmen ,gelöst‘ werden. Dadurch, dass man Bauen immer komplizierter und komplexer macht, löse ich die Zielkonflikte nicht. Im Gegenteil, ich verschärfe den Prozess, er wird teurer, aufwendiger“, kritisiert Frings.

Was bedeuten die Kostensteigerungen für soziale Bauprojekte?

Die Finanzierung wird schwieriger. Konnte man früher noch über frei finanzierte Wohnungen quersubventionieren, gelingt das wegen der Preise kaum noch. „Wir erreichen Größenordnungen, die sich irgendwann am Markt nicht mehr durchsetzen lassen“, sagt Frings und wird noch deutlicher: „Immobilienwirtschaft und Bauen ist ein langfristiges Geschäft, da brauche ich einfach verlässliche Rahmenbedingungen. Alle paar Monate Förderprogramme zu beenden oder zu verändern, funktioniert nicht. Solange das nicht auf allen politischen Ebenen verstanden und akzeptiert wird, wird der Trend weiter nach unten gehen.“

Wie kann man das in Zahlen wiedergeben?

Laut Frings hatte beim preiswerten oder geförderten Wohnen vor einigen Jahren der Zins ungefähr einen Anteil von zehn Prozent an der erhobenen Miete. „Mittlerweile liegen wir bei 25 Prozent. Die Steigerungen sind also Baukosten-, aber auch zinsgetrieben“, so Frings.

Sind Neubauprojekte für gefördertes Wohnen damit tot?

Experten sehen geförderte Wohnungen nur noch im Bestand realisierbar. Ohne Fördermittel müssten im Neubau pro Quadratmeter Mietpreise zwischen 17 und 20 Euro oder sogar darüber verlangt werden.

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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