Mannheim. Nein, der Prozess gegen einen nordbadischen Getränkegroßhändler wegen Steuerhinterziehung ist am Mannheimer Landgericht nicht geplatzt. Die Große Wirtschaftsstrafkammer mit dem Vorsitzenden Richter Boos verwarf den Antrag der Verteidigung, die Anklage wegen unkonkreter Umgrenzung der zur Last gelegten Tatvorwürfe als unwirksam zu erklären.
Der 57-jährige Unternehmer sitzt (wie berichtet) in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzende einer in Hirschberg ansässigen AG für Getränkegroßhandel – inzwischen insolvent – nicht das erste Mal auf der Anklagebank. In dem am 20. Oktober gestarteten Steuerprozess geht es um neue, aber ähnlich gelagerte Vorwürfe. Geblieben ist der Strafverfolger: Oberstaatsanwalt Kai Sackreuther sieht sich allerdings nicht mehr eines Verteidiger-Aufmarsches mit bis zu fünf Männern und Frauen in Anwaltsrobe gegenüber. Von dem juristischen Team, das dem Unternehmer im vorausgegangenen „Biersteuer-Prozess“ zur Seite gestanden hat, ist nur noch Rechtsanwalt Klaus Walter übrig.
Im Januar verhängte Gefängnisstrafe noch nicht rechtskräftig
Sechs angeklagte Fälle von Umsatzsteuerhinterziehung in einer Gesamthöhe von 728.000 Euro gilt es diesmal auszuleuchten. Erneut wird hoch streitig verhandelt. Vorsorglich hat der Kammervorsitzende die ursprünglich elf vorgesehenen Termine bis in den Januar verlängert. Im Prozess davor war das Urteil nach 64 turbulenten wie zähen Verhandlungstagen gefallen. Die schließlich im diesjährigen Januar verkündete Gefängnisstrafe von sechs Jahren ist aufgrund der eingelegten Revision nicht rechtskräftig. Dass der Unternehmer gleichwohl im Gerichtssaal verhaftet wurde und seitdem in U-Haft sitzt, hängt mit den neuen Anklagevorwürfen zusammen.
Welche Rechercheaufträge die Steuerfahndung von der Staatsanwaltschaft bekommen hat, berichtet eine geladene Beamtin dieser Behörde. In ihrer Befragung geht es immer wieder um jene Warenlieferungen innerhalb des EU-Binnenmarktes, die zwar im Ursprungsland umsatzsteuerfrei erfolgen – für die der jeweilige Erwerber im Empfängerstaat aber sehr wohl Abgaben entrichten muss. Die für solcherart Lieferungen verpflichtenden „Zusammenfassenden Meldungen“ seien von dem angeklagten Unternehmer nicht abgegeben worden.
Identifikationsnummern von Firmen bereits gelöscht
Erstaunlicherweise tauchten solche „ZM“ vor Prozessbeginn auf – als der Geschäftsmann bereits in Untersuchungshaft saß. Auf die Frage, wer diese elektronisch übermittelt hat, erklärt die Steuerfahnderin: „Das ist für uns nicht einsehbar, wird aber gerade recherchiert.“ Zur Sprache kommen „Missing Trader“, mit denen der Getränkegroßhandel zusammengearbeitet hat. Beim Einholen von Auskünften mittels ausländischer Behörden, berichtet die Zeugin, seien die Identifikationsnummern mancher Firmen, die abtauchen, sobald Verpflichtungen an den Fiskus fällig werden, bereits gelöscht gewesen.
Thema ist auch die Durchsuchung von Firmenräumen samt der angrenzenden Wohnung in Hirschberg. Die Beamtin sagt aus, dass im Januar 2025 „keinerlei Hinweise auf eine existierende Buchhaltung“ oder einen damit beauftragten Steuerberater gefunden wurden.
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