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Handwerk: So vielfältig sind Betriebe in Heidelberg

Kaum eine Branche bietet so viele unterschiedliche Berufe wie das Handwerk. Eine spannende Rundfahrt in Heidelberg mit der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald

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Alexander Jungert
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Ein Auszubildender im Metall-Handwerk. © Felix Kästle

Heidelberg. Handwerk ist vielfältig, das zeigt ein Blick in Betriebe des Bezirkes der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald

Janssen Sanitär und Heizung

Um den Beschäftigten „etwas Gutes zu tun“, hat Janssen Sanitär und Heizung seit Juli eine Vier-Tage-Woche eingeführt. Von Montag bis Donnerstag werden täglich neun Stunden gearbeitet, der Freitag ist frei. 36 statt 40 Stunden die Woche bei vollem Lohnausgleich. Zunächst ist die Vier-Tage-Woche ein Test; Inhaber Wolfgang Wurster, 57, will im November alles durchrechnen und ein Fazit ziehen. Wenn es passt, bleibt die schöne neue Arbeitswelt im Gewerbegebiet Heidelberg-Pfaffengrund. Kunden jedenfalls hätten positiv reagiert, sagt Wurster. Bei Aufträgen werde so geplant, dass es keine Verzögerungen gebe.

Bei Janssen Sanitär und Heizung in Heidelberg: Wolfgang Wurster zeigt die Deckenheizungselemente. © Christoph Blüthner

Die Idee für die Vier-Tage-Woche stammt von der Geschäftsführung. Mehr Geld oder mehr Freizeit - lange überlegen musste die Belegschaft offensichtlich nicht. Tochter Sophia Wurster, sie kümmert sich um das Personalmanagement, hat das Projekt mit umgesetzt. Nach einer Ausbildung zur Erzieherin hatte sie sich dazu entschieden, doch lieber in Mannheim Unternehmensführung zu studieren und dann in den elterlichen Sanitär- und Heizungsbetrieb einzusteigen. Es mache Spaß, mit Menschen zu arbeiten, erklärt Sophia Wurster. Zufriedene Mitarbeiter seien das A und O. Es gebe jederzeit Wasser, Obst, an heißen Tagen Eis für die 30 Beschäftigten - und traditionell eine Betriebsfeier.

Die Eheleute Wolfgang und Stefanie Wurster übernahmen den Betrieb 2002 von den Eheleuten Janssen, die ihn 1962 gegründet hatten. Wolfgang Wurster selbst war 1983 Auszubildender im Hause Janssen und ging seinen Weg zum zweifachen Meister: Er ist Heizungsbau- und Sanitärmeister und zudem staatlich geprüfter Techniker sowie Energieberater. Neben Tochter Sophia arbeitet auch Sohn Luca im Betrieb, wie der Vater machte er nach der Lehre den Meister und Techniker. Insgesamt teilen zwei von drei Kindern die Begeisterung fürs Handwerk. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

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Über energiebewusste Heiztechnik - also Solar, Pellets oder Wärmepumpen - und die umstrittenen Vorgaben der Politik könnte Wolfgang Wurster stundenlang diskutieren. Natürlich entgeht ihm nicht, dass Privatkunden und Wohnungsbaugesellschaften verunsichert sind. Welche Heizung soll man einbauen und welche nicht? Verbraucherinnen und Verbraucher bräuchten mehr Planungssicherheit, kritisiert Wurster in Richtung Bundesregierung. Und verbindlichere Förderungen. Diese dürften nicht plötzlich enden, wenn ein Topf leer sei.

Café Schafheutle

in Kaffeehaus? Das ist doch nur etwas für alte Leute. Martina Schafheutle-Kübel hört das oft. Als Inhaberin des Café Schafheutle in der Heidelberger Altstadt weiß sie es besser: „Zu uns kommen Menschen aller Altersgruppen - auch junge Leute mit ihren Eltern.“

Das Café gibt es seit mehr als 90 Jahren. „Ging man ins ’Schafheutle’, wurde man gesehen, und man sah all die anderen wichtigen Menschen aus Heidelberg und Umgebung“, hat Autor Peter Pit Elsasser einmal geschrieben. Und ja: Es ist wohl bis heute so.

Das Café Schafheutle in der Heidelberger Altstadt. © Christoph Blüthner

Die Lage an der Hauptstraße mit vielen Touristen und Studenten ist Gold wert. In Mannheim oder Ludwigshafen würde das Kaffeehaus vermutlich nicht funktionieren, sagt die gelernte Konditorin.

Sieben Tage die Woche ist von morgens bis zum frühen Abend geöffnet. Samstag ist der umsatzstärkste Tag, Gäste verbinden den Besuch oft mit einer Shopping-Tour in der Fußgängerzone.

Wer das Café Schafheutle betritt, sieht zuerst die Theken mit feinen Kuchen, Torten und Pralinen. Die Produkte, so das Versprechen, werden ausschließlich in klassischer Handarbeit gefertigt. Vorbei an den Theken geht es zum Wintergarten und zu einer großen Terrasse.

Schafheutle-Kübel macht keinen Hehl daraus: Das tägliche Geschäft ist alles andere als einfach. Kosten für Energie und Rohstoffe sind in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt. Zuletzt habe man den Umsatz zwar steigern können - unter dem Strich sei aber trotzdem weniger übrig geblieben, erklärt sie. Die höheren Kosten könne man nicht komplett an die Kundinnen und Kunden weitergeben. Zumal seit Anfang dieses Jahres wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gelte.

Relativ hohe Gehälter wie in der Industrie kann das Café nicht bieten. Fachkräfte für die Küche oder für den Verkauf zu finden ist schwierig - sie zu halten, noch mehr.

Über die Gäste könnte die Inhaberin ein Buch schreiben. Sie kennt viele mit Namen, erkundigt sich nach dem Befinden der Familie, weiß um die Gewohnheiten. Ein Mann etwa besucht seit 40 Jahren jeden Tag das Café und bestellt das gleiche Frühstück. Ein anderer schreibt stundenlang seine philosophischen Gedanken auf Postkarten nieder. „Manchmal bekomme ich eine Karte“, sagt Schafheutle-Kübel.

1933, zur Eröffnung des „Theatercafé Schafheutle“, gab es in Heidelberg 20 Kaffeehäuser mit einem Konditorbetrieb, die in dieser Form heute alle nicht mehr existieren. Schafheutle-Kübel geht davon aus, dass sie mittlerweile die einzige reine Konditorei der Stadt betreibt. Mit Sohn Julian Kübel, einem Konditormeister, ist seit 2015 die vierte Generation an Bord. „Ich brenne für die Kaffeehaus-Kultur“, sagt Schafheutle-Kübel. Schon als Schulkind habe sie die Sonntage in der Backstube geliebt. Man glaubt es ihr sofort.

Adviva

Wer Adviva besucht, lernt erst einmal den Unterschied zwischen Orthesen und Prothesen: Orthesen sind orthopädische Hilfsmittel, die Haltungen nach Unfällen, Operationen, bei Fehlstellungen oder altersbedingt, wiederherstellen oder sichern. Prothesen ersetzen hingegen komplette Gliedmaßen. Ein Rundgang in den Werkstätten macht das noch klarer, doch dazu später mehr.

In den Fertigungsräumen von Adviva bekommt man Einblick über die unterschiedlichen Arbeitsschritte in der Orthopädie- und Rehatechnik. © Christoph Blüthner

Das Gesundheitsunternehmen Adviva, gegründet 1997 von Gerhard Biber und Klaus Happes, bietet an vier Standorten in der Region eine Palette an Sanitätsprodukten sowie Orthopädie- und Rehatechnik an. Zusammen mit Karin Happes und Olaf Weber leiten sie das Unternehmen, das 132 Mitarbeiter beschäftigt. Sitz ist seit 2019 im Gewerbegebiet Heidelberg-Pfaffengrund- direkt neben dem markanten Wärmespeicher der Stadtwerke, dessen Außentreppe von weitem so aussieht wie eine Wasserrutsche. 2022 wurde Adviva Teil der Oped-Sanitätshäuser aus dem bayerischen Valley/Oberlaindern. „Das Unternehmen ist bekannt für hohes technisches und medizinisches Know-how“, sagt Adviva-Geschäftsführerin Karin Happes selbstbewusst. Für die „bestmögliche Versorgung“ sollen die Patienten interdisziplinär in Zusammenarbeit mit Ärzten, Physiotherapeuten und Krankenkassen betreut werden.

Adviva ist unter anderem spezialisiert auf Kinder. Orthesen stellen die Beschäftigten in eigenen Werkstätten her. Mittlerweile sogar mit digitaler Hilfe. Statt einem Gipsabdruck erfolgt ein 3D-Scan des jeweiligen Körperteils, der die Form des Anwenders einliest und an die Software übermittelt. Auf der Plattform kann der Orthopädietechniker nun die Schiene digital erstellen und anpassen. Das soll schneller gehen und bei der Produktion weniger Material verbrauchen. Einen klassischen Gipsraum gibt es trotzdem noch. Orthesen und Prothesen lassen sich individuell gestalten. Gerade Kinder wünschen sich oft gemalte Blumen, Zootiere oder einen Astronauten auf dem Mond.

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Heike Barowski
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Der Markt für Orthopädie- und Rehatechnik ist hart umkämpft. So nutzt Adviva auch die räumliche Nähe zur Reha-Klinik in Heidelberg-Schlierbach wenig, denn die Klinik hat ihre eigenen Werkstätten für Orthesen und Prothesen.

Neue Konzepte hält das Unternehmen bereit: Gemeinsam mit den Stadtwerken plant Adviva einen Energie- und Bewegungspark für Patienten. Er soll Ende 2025 eröffnet werden.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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