Mannheim. Die Straße ist holprig, ein kurzes Stück lang werden die Fahrgäste in dem großen Stadtbus ordentlich durchgeschüttelt. Dann wird der Boden wieder ebener, der Fahrer beschleunigt, um kurz darauf in einer scharfen Kurve mit stark abfallender Fahrbahn abzubremsen. Der Bus stoppt und steht stabil - trotz der tonnenschweren Batteriemodule, die auf seinem Dach verbaut sind.
Die widrigen Gegebenheiten auf der Strecke sind kein Zufall, sondern gewollt. Hier, auf der hausinternen Teststrecke von Daimler Buses in Mannheim, werden die neuen Modelle des Busherstellers einem Stresstest unterzogen: im konkreten Fall der eCitaro Range Extender, ein Gelenkbus mit Platz für 128 Personen, der neben vier Batterie-Modulen auch eine Brennstoffzelle enthält. Damit erhöht sich die Reichweite der Fahrzeuge.
150 Elektrobusse mit Range Extender will Daimler Buses in Mannheim 2024 produzieren
Das Modell wird seit dem vergangenen Jahr neu in Mannheim produziert, ungefähr 150 Stück davon sollen in diesem Jahr hier gebaut werden. „Dank der Brennstoffzelle kann man diesen Bus einsetzen wie ein Diesel-Fahrzeug“, sagt Rainer Bickel, Versuchsingenieur bei Daimler Buses. Lange Ladezeiten brauche es nicht, was gerade für Stadtbusse wichtig sei. „Die sind in der Regel 18 bis 20 Stunden am Tag im Einsatz - da bleibt nicht viel Zeit zum Laden der Batterien“, sagt Bickel.
Die sind in der Regel 18 bis 20 Stunden am Tag im Einsatz - da bleibt nicht viel Zeit zum Laden der Batterien.
Das Mannheimer Werk von Daimler Buses hat schon vor einigen Jahren begonnen, die hier produzierte Stadtbus-Flotte schrittweise von Dieselmotoren auf elektrische Antriebe umzustellen. Seit 2018 werden am Standort batteriebetriebene Fahrzeuge gebaut, 2023 kam der eCitaro Range Extender dazu. Inzwischen seien praktisch alle Busse „made in Mannheim“ elektrifiziert - Dieselfahrzeuge würden nur noch in Ausnahmefällen auf Wunsch gebaut, heißt es.
Daimler Buses erwartet stärkere Nachfrage durch Kommunen
Daimler Buses, eine 100-prozentige Tochter von Daimler Truck, ist nach eigenen Angaben der einzig verbliebene Bushersteller mit Produktion in Deutschland. In Mannheim werden Modelle für den Öffentlichen Nahverkehr gebaut, in Neu-Ulm Reisebusse. Allerdings muss man wissen, dass der Mannheimer Rohbau (Karosseriebau) aus Kostengründen bis 2028 komplett an den tschechischen Standort Holysov verlagert wird.
Davon sind 650 der insgesamt 3200 Beschäftigten betroffen. Sie sollen bestenfalls weiterqualifiziert werden und in anderen Abteilungen arbeiten. Denn Mannheim soll künftig Kompetenzzentrum für E-Stadtbusse werden. Das Werk steht laut Daimler-Buses-Chef Till Oberwörder schon allein daher nicht zur Diskussion. Erst vor Kurzem hatte Oberwörder hervorgehoben, dass kein weiterer Abbau von Arbeitsplätzen geplant sei. Betriebsbedingte Kündigungen sind laut einer Vereinbarung ohnehin bis zum Jahr 2033 ausgeschlossen.
Nach einem Knick durch Corona sieht sich Daimler Buses zurück in der Spur. Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Verkehrsmitteln steige kontinuierlich, sagt Oberwörder. Daimler Buses will zudem Schritt für Schritt profitabler werden. Zur Strategie gehört, das Servicegeschäft auszubauen - um die Absatzzahlen der E-Busse zu steigern. Die Tochtergesellschaft Daimler Buses Solutions soll Verkehrsbetrieben bei der Konzeption und beim Aufbau einer Infrastruktur für Elektrofahrzeuge helfen. Dazu gehört ein dichtes Werkstattnetz. Die Infrastruktur sei so wichtig wie die Produkte selbst, sagt Oberwörder.
Elektrobusse werden zum Großteil in Handarbeit zusammen gebaut
Gebäude 30, hier ist die Hauptmontage im Mannheimer Werk. In der großen Halle reihen sich schwarze Buskarosserien aneinander, in denen Mitarbeiter Schritt für Schritt weitere Elemente verbauen. Nur 20 Prozent der Arbeiten seien maschinelle Tätigkeiten, der Rest läuft manuell. „Das ist Handwerk“, sagt Alexander Seidel, Leiter der Bus-Montage. Menschen mit verschiedenen Berufen arbeiten zusammen: Feinmechaniker und Mechatroniker zum Beispiel. An der Hochvolt-Technik dürfen nur Beschäftigte mit Hochvolt-Qualifizierung arbeiten.
Für ein Elektromodell fallen laut Seidel im Schnitt rund 30 Prozent mehr Arbeitsstunden an als bei einem Dieselfahrzeug, generell ist die Spanne aber immens: Sie variiert je nach Ausstattungswunsch der Kunden. Sonderwünsche gibt es reichlich: 88 000 waren es im vergangenen Jahr. Mal wünscht ein Kunde eine besonders bunte Lackierung, mal ist eine zusätzliche Außenkamera für die Sicherheit beim Ein- und Ausstieg gefragt. Die verarbeiteten Batterien kommen von einem Hersteller aus Darmstadt; die Brennstoffzellen liefert der japanische Toyota-Konzern.
Wer heute einen eCitaro bestellt - die Kunden sind vorrangig Kommunen - muss sich gedulden: Die Wartezeit liegt Seidel zufolge aktuell bei mehr als sechs Monaten. „Die Auftragsbücher sind voll“, sagt er. Derzeit arbeitet die Belegschaft in Mannheim im Ein-Schichtbetrieb, zehn bis zwölf Busse können damit an einem Tag gebaut werden.
Nach der Hauptmontage wird es ernst: Bremsenprüfstand, Beregnungstest, Endabnahme. Dann wird der Bus ausgiebig Probe gefahren, auf der internen Testrecke und auf öffentlichen Straßen. Wenn alles in Ordnung ist, kann der Kunde das Fahrzeug abholen.
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