8000 BASF-Beschäftigte demonstrieren in Ludwigshafen für Brückenstrompreis

Die Debatte um einen Industriestrompreis ist in vollem Gange. Jetzt sind in Ludwigshafen nach Gewerkschaftsangaben mehr als 8000 BASF-Beschäftigte auf die Straße gegangen - mit klaren Forderungen

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Alexander Jungert
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Rund 8000 Menschen demonstrieren vor den Toren 1+2 der BASF in Ludwigshafen. © Thomas Tröster

Ludwigshafen. Der Protest für einen Brückenstrompreis formiert sich in Ludwigshafen zwischen dem zentralen Werkstor der BASF und der gesamten Karl-Müller-Straße. Überall rote Fahnen, Schilder mit Aufschriften wie „Bezahlbare Energie jetzt“ oder Mützen mit dem Slogan „Wir wehren uns“. Nach Angaben der Gewerkschaft IGBCE sind rund 8000 Beschäftigte der BASF gekommen, um Druck zu machen. Druck für einen staatlich subventionierten Strompreis für die Industrie. Aus Sorge um den Standort. Und aus Sorge um ihren eigenen Arbeitsplatz.

Demo für Brückenstrompreis bei BASF in Ludwigshafen

„Die Kolleginnen und Kollegen bei BASF haben heute ein klares Zeichen in Richtung Bundesregierung gesendet: Die Zeit des Zauderns ist vorbei – Handeln ist jetzt gefragt“, sagt der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis. „Die hohen Strompreise sind zur Belastung für die ganze Gesellschaft geworden: Bevölkerung, Mittelstand, Kommunen.“ Für große Teile der energieintensiven Industrie sei die Entwicklung sogar existenzgefährdend, denn Strom sei ihr entscheidender Kostenfaktor. „Dem kann die Politik nicht länger tatenlos zusehen. Die Belastung muss runter – jetzt!“, so Vassiliadis.

„Andernfalls droht ein Aderlass bei den energieintensiven Industrien – und damit der schmerzliche Verlust von Arbeitsplätzen, Wertschöpfung, Steuereinnahmen und Binnennachfrage“, warnt Vassiliadis. „Daran kann niemand Interesse haben – erst recht die Bundesregierung nicht.“ Notwendig sei jetzt, dass die Standorte in die klimagerechte Transformation und die Modernisierung investieren und attraktiv bleiben im Fachkräftemangel. Dafür brauche man aber wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen.

Ampel-Koalition uneins über Brückenstrompreis

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat erst vor ein paar Tagen auf eine schnelle Entscheidung innerhalb der Bundesregierung über einen staatlich subventionierten günstigeren Industriestrompreis gedrungen. Der Grünen-Politiker ist der Ansicht, die Hängepartie sei schlecht für die Unternehmen.

Vielleicht würden die Beratungen über den Bundeshaushalt 2024, die nun auf die Zielgerade einbiegen, eine gewisse Klarheit schaffen. „Aber versprechen kann ich das auch nicht.“ Er beziffert die Chancen, dass es einen Industriestrompreis gibt, auf 50:50. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich dazu bisher skeptisch geäußert. Die FDP lehnt die Pläne ab, Bundesfinanzminister Christian Lindner hält sie „schlicht für finanziell nicht darstellbar“.

Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium rät ebenso vom Industriestrompreis ab, weil er „notwendige strukturelle Anpassungsprozesse bremst“ – heißt: die Entwicklung energiesparender Technologien nicht vorangetrieben wird und energieintensive Unternehmen ihren Strombedarf bei einem günstigeren Preis eher erhöhen statt drosseln würden, was wiederum zu höheren Preisen am Strommarkt führen könnte.

Die IGBCE sieht das anders. Sie fordert einen bis 2030 befristeten Preisdeckel für Strom, den größten Kostenblock für energieintensive Unternehmen. Die Gewerkschaft hat sich dazu in der „Allianz pro Brückenstrompreis“ mit DGB, IG Metall und diversen Branchenverbänden zusammengeschlossen und unterstützt die Initiative der Bundesländer, die sich ebenfalls für eine Strompreisentlastung aussprechen. Die IGBCE ist mit mehr als 580 000 Mitgliedern die zweitgrößte Industriegewerkschaft Deutschlands.

BASF unterstützt Demo in Ludwigshafen

In anderen Unternehmen in der Region haben Beschäftigte zuletzt auch für einen Brückenstrompreis demonstriert, so zum Beispiel beim Hygienepapierhersteller Essity in Mannheim.

BASF-Standortleiterin Melanie Maas-Brunner hat vor der Kundgebung in Ludwigshafen gesagt, das Unternehmen unterstütze einen Industriestrompreis für energieintensive Sektoren für einen Zeitraum bis 2030 – wie den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Brückenstrompreis. Eine Transformation der Industrie insgesamt könne nur über Elektrifizierung erreicht werden.

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Bettina Eschbacher und Alexander Jungert
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Auch BASF-Vorstandsvorsitzender Martin Brudermüller hält das Instrument für sinnvoll. „Ich bin kein Freund von Subventionen“, hat er erst vor wenigen Tagen auf einer Telefonkonferenz zum dritten Quartal erklärt. Aber die energieintensiven Unternehmen bräuchten für eine Übergangszeit Hilfe, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Auch wenn die Energiepreise aktuell in Europa zurückgehen, sind sie laut BASF ungefähr vier Mal so hoch wie in den USA. Und in Deutschland, so Brudermüller, stiegen die Preise weiter. Für die Transformation der Industrie von fossilen zu erneuerbaren Energien werde viel Strom benötigt.

Der BASF-Betriebsratsvorsitzende Sinischa Horvat droht mit Protesten in Berlin, falls die Bundesregierung die Kundgebungen in Ludwigshafen und anderen Orten nicht zur Kenntnis nehme. „Wenn das nicht ausreicht, werden wir uns vors Kanzleramt bewegen“, sagt er mit kräftiger Stimme ins Mikrofon. Danach Rufe und Trillerpfeifen. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung wären wohl bereit, sofort nach Berlin zu fahren.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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