Berlin. „Leider habe ich bislang keine Möglichkeit finden können, dass dem Moritz geholfen werden kann“, schreibt eine Tierhalterin an den Deutschen Tierschutzbund: Die Katze Moritz leide unter FORL- einer bei Katzen häufigen und schmerzhaften Zahnerkrankung. Zwei Katzen habe sie in Pflege genommen, sagt sie, jetzt könne sie auflaufende Tierarztrechnungen nicht mehr bezahlen. Die Behandlung der sogenannten Katzenkaries ist teuer: Moritz müsse operiert und wahrscheinlich mehrere Zähne gezogen werden.
„Kostensteigerungen für tierärztliche Behandlungen machen der Bevölkerung zu schaffen, das ist in jedem Fall zu spüren“, registriert der Deutsche Tierschutzbund. „Die uns angeschlossenen Tierheime berichten, dass vermehrt Tiere abgegeben werden, weil sich Tierhalter notwendige tierärztliche Behandlungen nicht mehr leisten können“, erklärt eine Sprecherin.
Ein Auslöser für die Geldsorgen von Tierhaltern ist offenbar die Überarbeitung der tierärztlichen Gebührenordnung aus dem November 2022, welche die Kosten für Tierarztbehandlungen regelt. Viele der darin aufgeführten Leistungen sind deutlich teurer geworden.
Von signifikanten Preiserhöhungen in der tiermedizinischen Versorgung spricht etwa der Versicherer HanseMerkur. Weil selbst aufopferungsvolle Tierhalter mit den steigenden Kosten zuweilen überfordert sind, boomen Tierversicherungen: „Wir stellen eine überaus hohe Nachfrage fest“, meldet eine Unternehmenssprecherin. Fast die Hälfte der Deutschen habe ein Haustier, stellen die Unternehmensberater von KPMG fest: „Versicherungen für Tiere bieten enorme Wachstumschancen.“
Erhöhung im Schnitt zwischen 20 und 25 Prozent
Das zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) spricht von einer Erhöhung der Tierarztkosten zwischen 20 und 25 Prozent im Durchschnitt. Außerdem können Tierärzte je nach Aufwand den dreifachen– im Notdienst mitunter sogar vierfachen – Satz abrechnen. Die Berufsverbände empfehlen den Praxen, angesichts der steigenden Kosten grundsätzlich mindestens den 1,25-fachen Satz anzulegen.
Laut dem aktuellen tierärztlichen Leistungskatalog kostet etwa die Kastration einer Hündin zwischen 192 (einfacher Satz) und 384 Euro, die Entfernung eines Tumors in komplizierteren Fällen 330 Euro, für ein Ganzkörper-CT werden zwischen 500 und 1500 Euro berechnet. Muss das Tier wegen des Grauen Stars am Auge operiert werden, sind rund 2000 Euro fällig. Teurer wird außerdem die routinemäßige Gesunderhaltung: Rund 200 Euro müssen jährlich für Impfungen einkalkuliert werden, warnen Online-Plattformen für Tierhalter. Die Entfernung von Zahnstein koste bei einem Hund bis zu 160 Euro, eine Wurzelbehandlung 230 Euro. Hat der vierbeinige Lebensgefährte Diabetes, müssten Herrchen oder Frauchen nach Berechnungen von Tierversicherungen mit mindestens 500 Euro jährlich rechnen.
Ohne die teilweise deutlichen Steigerungen sei ein positiver Umsatz in Tierarztpraxen kaum noch möglich, argumentiert die Bundestierärztekammer, die Standesvertretung der Tierärzte. Die Anpassung der Gebühren sei wegen der stark gestiegenen Praxiskosten überfällig.
Inzwischen passen auch einige Versicherungen ihre Tarife an. „Die Erneuerung der Gebührenordnung hat die Schadenaufwendungen aller Versicherer am Markt deutlich erhöht, was bereits zu Beitragsanpassungen auf dem gesamten Markt führte“, analysiert HanseMerkur. Wer es sich leisten kann, ist offenbar bereit, tief in die Tasche zu greifen: Kunden legten verstärkt Wert auf einen umfassenden Schutz, so der Versicherer. „Sie wählen nicht unbedingt die günstigste, sondern die leistungsstärkste Versicherung.“
Die zum Teil erheblichen Erhöhungen erschwerten vor allem die Situation für sozial schlechter gestellte Tierhalter, betont die Sprecherin des Tierschutzbunds. Keine Tierarztpraxis akzeptiere eine Ratenzahlung, klagt Moritz’ Betreuerin, die auf Bürgergeld angewiesen ist. Allein wegen der Katzenkaries seien von April bis Juni für beide Tiere 1722 Euro an Tierarztkosten aufgelaufen.
„Viele Tiere wurden gerade im direkten Nachgang der Gebührenerhöhung in katastrophalen Zuständen in den Tierheimen abgegeben“, registriert der Tierschutzbund. „Das ging und geht auch so weit, dass die Tierheime nichts anderes mehr tun können, als die Tiere von ihrem Leiden zu erlösen.“
Tierschützer sorgen sich um die Behandlung kranker Vierbeiner
Es sei davon auszugehen, dass insbesondere kostspielige Therapien, wie (Notfall-)Operationen oder Behandlungen internistischer Erkrankungen, die nicht ambulant vorgenommen werden können, für die Besitzer zum Problem werden, warnt der Tierschutzbund. Die Tierschützer befürchten, dass notwendige Behandlungen wegen der hohen Kosten nicht mehr stattfinden.
Auch für die Heime selbst werde es durch den steigenden Andrang und zunehmende Behandlungskosten finanziell immer enger. „Fast alle Tierheime bundesweit stehen aktuell mit dem Rücken zur Wand und müssen zum Teil sogar immer wieder Aufnahmestopps für bestimmte Tierarten verhängen“, sagt die Sprecherin des Tierschutzbunds.
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