Wertheim..
„Unser lieber Ryu ist über die Regenbogenbrücke gegangen“, postet Diana Jung (Name geändert) am 26. Juli auf ihrer Facebook-Seite unter das abstrakte Acryl-Gemälde eines Hundes. „Das Bild hatte ich für meinen Mann zum Geburtstag gemalt“, erzählt die Wertheimerin. Jung und ihre Familie durchleben schwere Tage, seit der Rüde am Montag vor zwei Wochen vermutlich einen Giftköder gefressen hat.
Diese Tipps können helfen
Beim Verdacht einer Vergiftung mit den entsprechenden Symptomen sollte auf alle Fälle der Tierarzt aufgesucht werden.
Eine spezielle Kohlepaste oder Sauerkraut können helfen, sofern man sie gleich zur Hand hat. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, insbesondere bei mechanischen Ködern mit Nägeln oder Rasierklingen. Denn diese können beim Verdauen den Magen-Darm-Trakt schwer verletzen. Der Hund sollte auf keinen Fall selbst zum Erbrechen gebracht werden.
Wenn Hundehalter einen Giftköder finden, sollten sie ihn möglichst einsammeln. Wichtig: Köder sollen nicht mit bloßen Händen angefasst werden. Daher verwendet man am besten einen Hundekotbeutel.
Tierhalter sollten gewappnet sein, ihre Notfallkontakte kennen und immer bereithalten. Dazu zählen die Telefonnummer des Tierarztes sowie die der nächstgelegenen Tierklinik.
Im Internet gibt es Homepages, auf denen man Informationen über Giftstoffe erhält.
Die Giftnotrufzentrale in Freiburg, zuständig für ganz Baden-Württemberg, berät auch zu Vergiftungen bei Tieren. Weitere Informationen unter www.giftberatung.de. Bei Notfällen ist die Zentrale unter Telefon 0761 / 19240 zu erreichen. mg/sc
An jenem Abend war Jungs Mann mit dem elfjährigen Shiba Inu zur letzten Gassirunde an das nahe gelegene Tauberufer gegangen. Dort lässt er das Tier von der Leine, um vom Messbrückle in Richtung Main-Tauber-Halle zu laufen. Eine halbe Stunde sind Hund und Herrchen unterwegs. Alles scheint wie immer.
Rüde erbricht in der Nacht
Diana Jung wundert sich noch, warum Ryu zum Schlafen nicht wie sonst in den zweiten Stock kommt. „In der Nacht hat er sich dann erbrochen“, schildert sie den Krankheitsverlauf. Beim Gassigehen am Morgen erbricht sich der Hund erneut. Es ist so heftig, dass er auf den Rücken fällt und sein Atem aussetzt. Zuhause entscheiden Jung und ihr Partner abzuwarten. „Schließlich kommt es immer einmal vor, dass sich ein Hund erbricht.“ Doch Ryus Zustand verschlechtert sich weiter. „Er hat sich den Bauch geleckt und war völlig schlapp. Da unsere Tierärztin erst am Nachmittag öffnet, haben wir dann einen anderen Tierarzt angerufen. Zufällig war er gerade auf der Odenwaldbrücke unterwegs und in zwei Minuten bei uns“, beschreibt Jung.
Der Arzt untersucht das Tier: Er gibt ihm eine Spritze gegen die Schmerzen und erstmals kommt die Option zur Sprache, dass Ryu eingeschläfert werden muss. Später meldet sich die Tierärztin der Familie, der Jung auf den Anrufbeantworter besprochen hatte. Sie empfiehlt, den Rüden sofort in eine Tierklinik zu bringen.
Nach Herzstillstand in Tierklinik wiederbelebt
Dort wird der Hund per Ultraschall untersucht. Die Ärztin stellt fest, dass der Darm gelähmt ist. Sie spricht von einer massiven Intoxikation.
Ryus Bauch wird geöffnet, bei der OP werden unter anderem der Magen und der Bauchraum gespült. 75 Prozent des Giftes sollten nun aus dem Körper sein, sagt sie. Der Hund verbringt die Nacht in der Klinik. Die Familie erhält am Abend einen Anruf, dass es gut für Ryu aussieht, nur die Nierenwerte gefallen den Ärzten nicht. Wenig später meldet sich die Klinik erneut: Der Hund hatte einen Herzstillstand und musste wiederbelebt werden.
Als die Familie Ryu in den nächsten Tagen besucht, ist er nicht mehr derselbe. Er ist kaum ansprechbar. „Beim Besuch am Freitag habe ich sein Köpfchen angehoben. Sobald ich aber meine Hand weggezogen habe, ist der Kopf wieder zurückgesunken“, erinnert sich Jung. Nun treffen Diana Jung und ihr Mann die schwere Entscheidung: „Wir lassen ihn gehen.“
Es gibt keinen Beweis
Im sozialen Netzwerk Facebook verfolgen hunderte Nutzer Ryus Schicksal, seitdem Diana Jung es zwei Tage nach Ryus Vergiftung geteilt hatte. „Meine Motivation, das bei Facebook zu teilen war, andere zu warnen und so anderen Hunden das Leben zu retten“, begründet sie den Schritt in die Öffentlichkeit.
400 Mal wurde der erste Beitrag seither geteilt. Knapp 90 Nutzer kommentierten – um ihr Mitgefühl und ihr Unverständnis über die vermutete Tat auszudrücken. Ob Ryu wirklich Giftköder gefressen hat, ist nicht sicher: „Wir haben nichts gesehen und ich kann nichts beweisen“, sagt Jung. Ein anderer Grund für die diagnostizierte Vergiftung ihres Hundes scheint ihr jedoch unrealistisch.
Zumal in den vergangenen Wochen zahlreiche Hinweise auf mögliche Giftköder, die im Wertheimer Raum ausgelegt worden sein sollen, über Messenger und soziale Medien verbreitet wurden. Zuletzt warnten auch die Gemeindeverwaltung Faulbach, die Stadtverwaltung Wertheim und das Polizeipräsidium Heilbronn per Pressemitteilung unter anderem im Bereich Bestenheid, Main-Tauber-Halle, Mainfähre Mondfeld und Reicholzheim vor Ködern. „
Dass es sich in einem bestimmten Fall möglicherweise um einen Giftköder für Ratten gehandelt hat, kann unsererseits definitiv nicht bestätigt werden“, weist Fachbereichsleiter Volker Mohr von der Stadtverwaltung Wertheim Gerüchte zurück.
Präparierter Knochen in Mondfeld
In einem anderen Fall war ein Köder mit einem Nagel und einer Schnur an einem Baum angebracht. „Meine Frau war mit unserem Hund auf dem Radweg an der Fähre in Mondfeld unterwegs. Der Hund hat den Köder gerochen und dort hingezogen“, berichtet ein Hundebesitzer den FN. Er habe den frischen Knochen dann fotografiert und die Polizei verständigt. „Wenn so eine Sache nur über soziale Medien verbreitet wird, wird das nicht ernst genommen“, ist er überzeugt. Auf Anfrage berichtet Polizeisprecherin Annika Schulz, dass sie sowohl die Stadtverwaltung als auch ein Bürger mit dem Hinweis auf Giftködern kontaktiert habe. Dafür, dass bereits zwei Hunde infolgedessen verstorben sein sollen, wie über einen Messenger-Dienst verbreitet, lägen der Polizei jedoch keine Erkenntnisse vor.
Schulz empfiehlt Hundehaltern, wachsam zu sein, damit der Hund nichts Falsches zu sich nimmt. „Wer etwas findet oder wenn sich ein Tier sogar vergiftet, sollte man immer die Polizei verständigen“, sagt sie. Das gelte, auch wenn sich mancher Fall – wie vor kurzem ein Giftköderfund in Bestenheid – als falscher Alarm herausstelle. „Unsere Kollegen aus dem Ordnungsamt sind sensibilisiert und nehmen entsprechende Hinweise von Passanten und Hundeführern jederzeit entgegen“, bekräftigt Volker Mohr.
Hundetrainerin Lara Kleinschmidt erreichten in den vergangenen Wochen zahlreiche Hinweise auf mögliche Giftköder. „Eine Kundin aus Bestenheid beobachtet beispielsweise seit einiger Zeit, dass im Bereich des Norma-Marktes regelmäßig Fleischstücke ausgelegt werden“, berichtet Kleinschmidt. Sie sieht ein jährliches Aufflackern des Themas – im vergangenen Jahr seien zum Beispiel in Nassig Köder gefunden worden.
Außerdem melden sich vermehrt besorgte Hundehalter, die mit ihrem Hund ein Giftködertraining absolvieren möchten. Prävention sei die beste Möglichkeit, seinen Hund vor einer Vergiftung zu schützen. „Im Training lernen die Hunde, dass sie nichts aufnehmen dürfen, was auf dem Boden liegt – auch wenn es noch so lecker riecht“, fast Kleinschmidt zusammen. Mit einem gut aufgebauten Training könne das jeder Hund lernen, ist sie überzeugt. Wer keinen speziellen Kurs belegen möchte, finde dazu im Internet Anleitungen.
Hundetrainerin Lara Kleinschmidt rät zum Maulkorb
Also kurzfristige Lösung rät Kleinschmidt, den Vierbeinern einen Maulkorb anzulegen. „Der Hund muss allerdings an einen Maulkorb gewöhnt sein.“ Hunde, die den Maulkorb noch nicht akzeptieren, sollten an der kurzen Leine geführt und von ihren Besitzern jederzeit im Auge behalten werden. Außerdem gelte es, wachsam zu sein, um eventuelle Köder vor dem Tier zu entdecken.
„Sollte der Hund etwas gefressen haben oder hat man auch nur den Verdacht, rate ich den Besitzern, sofort zum Tierarzt zu fahren. Dort bekommt der Hund eine Spritze, die ihn zum Erbrechen bringt.“, weiß Kleinschmidt. So könne die Überlebenschance des Tieres vergrößert werden.
Für Ryu kam letztlich jede Hilfe zu spät. Diana Jung fragt sich seither, warum ihr Hund sterben musste. „Das lässt mich an der Menschheit zweifeln. Ich stelle mir vor, dass dieser fehlgeleitete Mensch das Bild meines Hundes im Internet sieht und sich totlacht“, beschreibt sie ihre Gedanken. Für ihre Familie stehe fest, dass sie nach diesem Verlust erst einmal keinen neuen Hund aufnehmen werden.
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