Leserbrief

Bürokratismus bei AU: Mehr Zeit für Kranke schaffen

Leserbrief zu „Gehen die Deutschen zu oft zum Arzt“ (FN, 26. Juli)

Von 
Dr. Carsten Köber
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Ein Hausarzt sitzt in einem Sprechzimmer seiner Hausarztpraxis an einem Schreibtisch neben einem Stethoskop und arbeitet am Computer. (Symbolbild) © picture alliance/dpa

Bad Mergentheim. Wenn Arzt-Patienten-Kontakte reduziert werden sollen, gibt es dafür einen Weg: Abschaffen des unsäglichen Bürokratismus von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) bei kurzfristigen und banalen Erkrankungen (Kopfschmerzen, grippaler Infekt, etc.). Sie basieren in der Regel auf Befindensäußerungen der Erkrankten, die sich durch ärztliche Expertise nicht objektivieren lassen.

Unzählige Arbeitgeber fordern gar ab dem ersten Tag ärztliche Atteste. Stunden knapper Ressourcen ärztlicher Zeit werden dafür vergeudet. In unserer allgemeinmedizinischen Praxis werden wöchentlich im Schnitt mehr als 100 AU ausgestellt - der weit größte Teil für Erkrankungen, die keinerlei ärztlicher Behandlung bedürfen. In einer Woche bindet dies etwa sechs bis acht Stunden Arztzeit – ein Sprechstundentag in Vollzeit. Der Zeitansatz wäre noch höher, bestünde keine Möglichkeit zur telefonischen Ausstellung.

Andere europäische Länder praktizieren anders. In Schweden und Großbritannien sind Atteste erst ab dem achten Tag der Erkrankung erforderlich, in Dänemark nur bei Anmeldung von Zweifeln durch den Arbeitgeber. Im Vergleich der durchschnittlich wöchentlich verlorenen Arbeitszeit durch Krankheit (Zahlen nach der European Labour Force Survey und der OECD) zeigt sich, dass eine Ausweitung der Möglichkeit zur „Krankmeldung ohne Arztkontakt“ nicht automatisch zur Explosion der Ausfalltage führen muss. Großbritannien liegt hier bei drei Prozent, Dänemark bei etwa vier Prozent, Schweden zieht mit 6,8 Prozent mit Deutschland gleich.

Verschwenden wir nicht länger knappe Ressourcen, sondern schaffen mehr Zeit für Kranke.

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