SV Pülfringen – TSV Gerchsheim 5:3
Pülfringen: Mutschler, Baumann, Farcau, Glock, Busch, Duda, Grohs (90. Haas), Michael Haberkorn, Manuel Haberkorn, Hochstatter, Retzmann.
Gerchsheim: Wörner, Drixler (71. Ziegler), Krumpholz (85. Fuchs), Winkler, Endres (62. Weiß), Kleespies, Konrad, Rappl (67. Weis), Sack, Stoy, Wendt.
Tore: 0:1 Wendt (30.), 0:2 Wendt (32.), 0:3 Stoy (39.), 1:3 Hochstatter (53.), 2:3 Hochstatter (58.), 3:3 Hochstatter (65.), 4:3 Farcau (77.), 5:3 Retzmann (80.). – Schiedsrichter: Tim Höpfner (Martinsheim).
Diese kaum vorstellbare Wende der Kreisliga-Tauberbischofsheim-Begegnung zwischen dem SV Pülfringen und dem TSV Gerchsheim zeichnete sich während der Halbzeit schon ein wenig ab. 3:0 stand es da für die Gäste aus dem Norden des Fußballkreises gegen eine Pülfringer Mannschaft, die nach gutem Beginn dann aber 30 Minuten so desolat auftrat, als wolle sie gleich freiwillig absteigen. In der Pause aber gab es etwas auf die Ohren: SVP-Trainer Jochen Eisenhauer stauchte seine Mannen lautstark, und auch noch weit von der Umkleidekabine entfernt hörbar, zusammen. Es wackelten die Wände.
Nur wenige Meter weiter ging es deutlicher leiser zu. Ein Gerchsheimer Fan flüsterte seinem beim Kumpel beim gemeinsamen Pipi-Gang leise zu: „Hoffentlich brechen sie nicht wieder ein.“
Elfmeter verschossen
Eine knappe Stunde später hatte die Heimmannschaft aus dem 0:3 ein 5:3 gemacht. Die kernigen Worte Eisenhauers hatten sich die Spieler zu Herzen genommen und gleich mehrere Schippen draufgelegt. Und die Gerchsheimer? Die waren nach Wiederanpfiff, wie jenem Fan auf der Toilette schwante, zwar wieder auf dem Platz, aber nicht mehr wiederzuerkennen. Sie agierten ängstlich und fehlerhaft und kassierten ein Gegentor nach dem anderen – und verschossen noch einen Elfmeter zum möglichen 4:5.
„Nur geschrien habe ich auch nicht“, sagte Jochen Eisenhauer nach dem Spiel. Er grinste ein wenig. Zwei Minuten lang habe er gebrüllt, dann habe drei Minuten lang Stille in der Kabine geherrscht, danach seien Inhalte vermittelt worden. Ganz so schwer sei es allerdings nicht gewesen, an die Jungs heranzukommen. „Die haben sich regelrecht geschämt für eine halbe Stunde grottenschlechten Fußball“, so der Trainer.
Erst geschämt, dann gefeiert. Die gut 100 Pülfringer Fans bejubelten nach dem Spiel ihre kickenden Helden und reichten reichlich Getränke in braunen 0,5-Literflaschen. Mit solch einem verrückten Spielverlauf war die Basis gelegt für eine herrliche Feier nach diesem kernigen Kerwe-Kracher im Dorfgemeinschaftshaus. Wegen der Kerwe war das Spiel auf Samstag verlegt worden. „Sonntags sind doppelt so viele Zuschauer da. Wir sind halt ein Dorfverein und da haben die Leute samstags noch ihr Zeug daheim zu erledigen“, sagte Jochen Eisenhauer.
Herz und Pulsadern
Dieses Dorfgemeinschaftshaus, das auch gleichzeitig als Sportheim dient, und „diese Leute“ – das sind auch Herz und Pulsadern des SV Pülfringen, der durch großen Gemeinschaftsgeist angetrieben und zusammengehalten wird. Die Mannschaft verdeutlichte diese Eigenheit mit ihrer Leistung in der zweiten Hälfte dieses Kreisliga-Kellerduells eindrucksvoll. „Der Verein lebt, alle helfen mit, und das wäre auch so, wenn wir einmal absteigen würden. Für uns ist es eine Ehre, mit einem kleinen Kader jedes Jahr in der Kreisliga spielen zu dürfen“, sagte Jochen Eisenhauer. Er weiß: „Wer einmal hier war, der will nicht mehr weg.“ Die personelle Fluktuation im Kader sei stets gering. Lediglich drei Auswärtige seien in der Startelf gegen Gerchsheim gestanden. Einer stach da am Samstag hervor: Marco Hochstatter (einst Külsheim) brachte mit seinem Kopfball-Freistoß-Elfmeter-Hattrick seine Mannen auf die Siegerstraße.
Dieses besondere Innenleben des SV Pülfringen ist auch der Antrieb dafür, weiter eigenständig zu bleiben. In der Nachbarschaft agiert der FV Brehmbachtal schon seit einigen Jahren als Zusammenschluss von SV Königheim und FC Gissigheim. In der Jugend gehört auch der SV Pülfringen mit zum FVB – nicht aber bei den Herren. „Wir wollen auch so lange wie möglich eigenständig bleiben“, sagte Eisenhauer ganz deutlich. Nur drei oder vier Heimspiele pro Saison – das würde der SV Pülfringen auf Dauer nicht überleben, mutmaßte er.
Nach diesen Worten schulterte er seine Jacke und stapfte gen Dorfgemeinschaftshaus – zu einem Kerwe-Abend, der nach diesem unglaublichen Spielverlauf sicher noch ein bisschen länger ging als eigentlich geplant war…
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