Arbeitsagentur Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim

„Ausbildungsmarkt ist Bewerbermarkt“

Informationsgespräch bei der Tauberbischofsheimer Firma ElektroTechnik Weiter

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ella
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Bei der Firma ElektroTechnik Weiter fand die traditionelle Vorstellung der regionalen Ausbildungsbilanz statt. © Linda Hener

Odenwald-Tauber. Die Arbeitsagentur Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim stellt im Pressegespräch bei ElektroTechnik Weiter in Tauberbischofsheim die regionale Ausbildungsmarktbilanz vor.

„Voraussetzung ist für mich das Interesse am Job, das Interesse an der Elektrik. Ohne Interesse kann man keinen Beruf ausüben“, ist Klaus Weiter überzeugt. Dass jemand zu einer Ausbildung „genötigt“ werde, helfe keinem weiter, weder dem Auszubildenden, noch dem Unternehmen, denn beide Parteien seien irgendwann gefrustet. Der Inhaber der Elektrotechnik Weiter GmbH & Co. KG ist der Ansicht, dass man deshalb schon früh in der Erziehung ansetzen und Kindern und Jugendlichen bereits in der Schule und zuhause das Handwerk näherbringen müsse. So entstünde beim spielerischen Ausprobieren das Interesse am handwerklichen Arbeiten.

Klaus Weiters Betrieb ist an diesem Tag Ort eines Pressegesprächs, zu dem die Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim eingeladen hatte, um die Ausbildungsmarktbilanz für das Berichtsjahr 2022/23 vorzustellen. Neben Klaus Weiter sprachen Stefan Schubert, der Geschäftsführer Operativ der Agentur für Arbeit, Silke Ortwein, Regionsgeschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes Heilbronn-Franken, und Miriam Deschner vom Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur miteinander über die Ausbildungsmarkt-Entwicklung innerhalb des Main-Tauber-Kreises und des gesamten Agenturbezirks Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim.

Schwierige Situation

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„Jedes Jahr im Herbst ziehen wir Bilanz“, erklärte Stefan Schubert und anhand des Beispiels eines Betriebes, wie ElektroTechnik Weiter einer sei, wolle man die schwierige Situation griffig machen. Stefan Schubert berichtete, dass der „Ausbildungsmarkt ein starker Bewerbermarkt“ sei. Das bedeute, dass es auf einen Bewerber zwei Stellen gebe. Aus Sicht der Jugendlichen sei das anscheinend optimal, sie hätten Auswahl. Für die Unternehmen allerdings nicht, denn sie würden ausbilden wollen und händeringend nach jungen motivierten Menschen suchen.

Hier mache sich der demografische Wandel bemerkbar. Dieser habe direkte Auswirkungen auf die Verfügbarkeit potenzieller Auszubildender. Ein besorgniserregender Trend sei überdies die gestiegene Tendenz, dass „nicht Wenige ungelernt ins Berufsleben einsteigen.“ In Deutschland gebe es 2,46 Millionen Menschen, die zwischen 20 und 34 Jahren keine Berufsausbildung hätten, fügte Silke Ortwein an: „Das können wir uns als Gesellschaft und für die Wirtschaft nicht leisten. Uns fehlen die Fachkräfte.“ In Baden-Württemberg würden laut einer aktuellen Studie im Jahr 2022 110 000 Menschen unter 25 Jahren ohne eine Ausbildung arbeiten „und leider bleibt ein guter Teil davon ohne“, erläuterte Stefan Schubert. Hinzu käme, dass die Abbrecherquote hoch wie nie sei, die Gründe dafür wären vielfältig.

„Hands-on-Mentalität“

Klaus Weiter berichtete in seinem Fall von einem Anstieg der Bewerbungen für Hilfsjobs und Leiharbeiter-Anfragen aus der kriselnden Baubranche. „Für viele ist so ein Job ausreichend, Hauptsache Geld verdienen.“ Es fehle bei vielen ein Engagement von innen heraus, eine „Hands-on-Mentalität“ – „viele wollen Befehlsempfänger sein, keine Verantwortung tragen.“ Ein dagegen für ihn sehr erfreuliches Beispiel sei sein Auszubildender Michael Tartaglia, der eine Industrie-Schaltschrankbaulehre absolviere. Der 18-Jährige sei aufgeschlossen und quirlig.

In der Diskussion um die „Generation Z“ verwies Miriam Deschner darauf, dass dieses Thema „zu negativ gesehen“ werde. „Sie legen den Fokus auf sich selbst und ihre Freizeit – aber warum machen sie das? Auch weil der Gewinn aus Arbeit nicht mehr so hoch ist wie früher. Heute arbeiten beispielsweise beide Partner und es reicht nicht mehr für einen Hauskauf.“ Die Konzentration liege auf dem Jetzt. Zudem fehle es häufig von Arbeitgeberseite an „Lob und Tadel“, meinte Klaus Weiter.

Verbindlichkeit wichtig

Auf das Entgegenkommen zwischen den Generationen käme es an, bestätigte Miriam Deschner. Man müsse sich dabei vor Augen halten, in welcher Zeit die Jugendlichen groß geworden seien – in einer von Unsicherheit, Krisen und Corona geprägten: „Da muss man Verständnis aufbringen“, stellte Silke Ortwein fest. Ein Thema allerdings, „was man größtenteils wieder beibringen muss, ist Verbindlichkeit“.

Trotz vieler Herausforderungen sei das Ausbildungssystem in Deutschland gut, so Stefan Schubert. Mit der (Dualen) Ausbildung und Übergangsmöglichkeiten böte es viele Chancen. Große Aufgabe sei, die Wertigkeit und Vorteile der Ausbildung besser in der Öffentlichkeit herauszustellen.

Die Ausbildungsmarktbilanz

Die Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim verzeichnete von Oktober 2022 bis September 2023 einen Anstieg von Ausbildungsstellen. Insgesamt wurden 5890 Lehrstellen gemeldet, was einem Zuwachs von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Etwa 19 Prozent der Stellen konnten nicht besetzt werden. Das bedeutet, dass 1080 Ausbildungsbetriebe Schwierigkeiten hatten, den richtigen Nachwuchs zu finden und die Besetzungsprobleme weiter zunehmen. Die Agentur für Arbeit unterstützte im vergangenen Ausbildungsjahr 2871 Bewerber bei ihrer Berufsorientierung und Vermittlung. Dies entspricht einer Steigerung von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (52,9 Prozent der Bewerber starteten in eine Ausbildung, bei 21,4 Prozent führte der Weg in eine Schule, Studium oder Praktikum. Bei 6,1 Prozent begann die Erwerbstätigkeit, 2,8 Prozent waren bei einem gemeinnützigen Dienst tätig, 1,6 Prozent blieben unversorgt.)

ElektroTechnik Weiter in Tauberbischofsheim wurde 2020 gegründet. Klaus Weiter hat den Beruf von der Pike auf gelernt. Vor drei Jahren machte er sich selbständig und übernahm sechs Mitarbeiter der ehemaligen Firma Kupka. Mittlerweile hat der Elektrotechnik-Spezialist zwölf Mitarbeitende. Das Unternehmen ist breit aufgestellt und diese Vielschichtigkeit will der Inhaber ausbauen. Die Arbeiten liegen im Bereich der klassischen Elektroinstallation, bei Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder im industriellen Schaltschrank- und Steuerungsbau. Ziel von Klaus Weiter ist ein gesundes Unternehmen. Er biete grundsätzlich drei Ausbildungsberufe an: den „Elektroniker für Energie und Gebäude“ sowie den „Betriebstechniker für Industrie“ und den „Elektroniker für Gebäudesystemintegration“. ella

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