Gammesfelder Bank - Fritz Vogt und die Raiffeisenbank „waren eins“ / Der verwurzelte Hohenloher trat stets für das Wohl seiner Heimat ein

Zeitlebens ein sympathischer Kämpfer

Von 
Erwin Zoll
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Streitbar, aber immer mit einem Lächeln: Fritz Vogt war der Prototyp des fröhlichen Christenmenschen. © Peer Hahn

Bankrebell, Raiffeisen-Jünger, Antikapitalist: Fritz Vogt aus Gammesfeld trug viele Ehrentitel. In erster Linie war er aber ein feiner Mensch. Er ist gestorben, wie jetzt bekannt wurde.

Gammesfeld. Zwei Worte genügten: „Vogt, Gammesfeld!“ So meldete sich Fritz Vogt, wenn in der Bank das Telefon klingelte. Dass der Anrufer mit der Raiffeisenbank Gammesfeld verbunden war, brauchte nicht eigens erwähnt zu werden. Fritz Vogt und seine Bank – das war eins. Und dieser Name in Verbindung mit diesem Ort war längst eine Marke geworden.

Die FN berichteten erst in ihrer Donnerstagssausgabe über die Geschichte der Bank – zwischenzeitlich ist ihr langjähriger Motor gestorben.

Lange bevor der gelernte Landwirt als Kapitalismuskritiker in den lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Medien sowie in dem Dokumentarfilm „Schotter wie Heu“ präsent war, hat Fritz Vogt Geschichte geschrieben. Die Raiffeisenbank Gammesfeld hat unter seiner Regie den Kampf gegen die Bankenaufsicht aufgenommen und sich in den Jahren 1984 bis 1990 mit Erfolg gegen ihre Schließung gewehrt. Sie zog dabei bis vor das Bundesverwaltungsgericht. Seitdem wissen Finanzexperten und -politiker in Berlin und Brüssel, wo Gammesfeld liegt.

Für Fritz Vogt, Jahrgang 1930, der 1967 nach einer Ausbildung zum Rechner als Geschäftsführer der Bank die Nachfolge seines Vaters und seines Großvaters angetreten hatte, ging es nicht allein um das Gammesfelder Kässle. Ihm ging es um den Genossenschaftsgedanken als solchen, und es ging ihm um sein Dorf. Ein Prinzip des genossenschaftlichen Bankwesens hatte Friedrich Wilhelm Raiffeisen so formuliert: „Das Geld des Dorfes dem Dorfe.“ Dieser Gedanke ist in Gammesfeld noch heute so lebendig wie nirgendwo sonst. Er war in Finanz angelegenheiten die oberste Richtschnur für Fritz Vogt. Man nannte ihn deshalb den „letzten Jünger Raiffeisens“. „Wenn ich auf einen Titel stolz bin, dann auf diesen“, sagteVogt.

Große Banken „eine Farce“

Es tat ihm in der Seele weh, wenn er sah, wie der Mensch dem Menschen ein Wolf ist. Wenn er den Eindruck hatte, dass jeder nur auf den eigenen Vorteil schaut, ohne sich zu fragen, was das für den Nächsten bedeutet. Seine Überzeugung: Nur, wenn sich Bankkunden untereinander kennen und Bankverantwortliche zur Dorffamilie gehören, kann Vertrauen gedeihen und ein Vorteil für alle entstehen – Hilfe zur Selbsthilfe. Immer größer werdende Volks- und Raiffeisenbanken nannte er „eine Farce“.

Fritz Vogt predigte nicht nur, er trat mit allem, was er hatte, für seine Überzeugungen ein. Bequemlichkeit war seine Sache nicht. Als er die Bankgeschäfte in den 1980er-Jahren ohne Erlaubnis weiterführte, stand er mit einem Bein im Gefängnis. Angst gehabt habe er deshalb nicht. „Aber bitte nach Stammheim!“, habe er stattdessen gefordert. Zu den politischen Gefangenen also. Fritz Vogt lachte, als er das erzählte.

Er verlor nie seinen Humor

Ja, auch in den heikelsten Lagen verlor er nie seinen Humor. Auf schlechte Nachrichten pflegte er locker mit einer Anekdote, einer Redensart, einem Zitat oder gerne und immer haargenau passend mit einem Bibelspruch zu reagieren. Er war der Prototyp des fröhlichen Christenmenschen, ohne jeden Anflug dogmatisch-entrückter Frömmigkeit und Jenseitsfixierung. Stattdessen begriff er es als seine Pflicht, sich hier, auf dieser Erde, einzumischen. Denn hier müsse das Leben ja weitergehen.

Jesus war neben Raiffeisen sein großes Vorbild – nicht als strahlende Heiligenfigur, sondern als Rebell und Sozialrevolutionär. „Für mich ist das Christentum keine Religion“, sagte Vogt, „sondern eine Lebenseinstellung, eine Anleitung dazu, wie man das Leben in dieser Welt friedvoll, versöhnungsbereit und ethisch gestaltet.“ Alles, was dem entgegenlief, hatte mit dem Einspruch dieses bodenständigen Widerständigen zu rechnen.

In der evangelischen Kirche engagierte sich Fritz Vogt als Vorsitzender des Jugendwerks im Kirchenbezirk Blaufelden und als Leiter des Gammesfelder Posaunenchors. Und auch da ging er gerne den steinigeren Weg: Gespielt wurden unter seiner Anleitung nicht nur eingängige Liedchen, sondern herausfordernde Musikstücke.

Weiter Horizont

Er, der verwurzelte Hohenloher, der zeitlebens blieb und für das Wohl seiner Heimat eintrat, hatte eben einen Horizont, der nicht am Gammesfelder Kirchturm endete. Die Umweltzerstörung und das Artensterben trieben den Naturliebhaber und ökologisch wirtschaftenden Bauern deshalb ebenso um wie die Ausbeutung der Dritten Welt.

Bei alldem hatte er fast 60 Jahre lang seine Frau Else fest an der Seite. Zusammen lasen sie morgens in der Zeitung und in der Bibel, zusammen trieben sie die Landwirtschaft um und zogen ihre vier Kinder groß. Sie gab ihm den Halt, den er bei seinen Kämpfen brauchte, und sie hielt ihn auch am Boden, wenn er abzuheben drohte. „Mein Korrektiv“, sagte Vogt und meinte es so liebevoll, wie man es nur meinen kann. Seit Else Vogt vor nicht ganz zwei Jahren starb, ist das Leben für ihn schwerer geworden.

Ob er Angst vor dem Tod habe, wurde Fritz Vogt einmal gefragt. „Aber kein bisschen“, antwortete er. „Wenn ich in dieser Welt gewollt gewesen bin, bin ich auch nach dem Tod gewollt. In welchem Zustand auch immer.“

Zuletzt wurde er immer schwächer, am vergangenen Samstag starb Fritz Vogt, nur wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag.

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