Mulfingen. Mit derartigen Folgen hat wohl keiner gerechnet. Nachdem der Mulfinger Gemeinderat im Juli beschließt, die Kindergartengebühren zu erhöhen, wird plötzlich eine Rathausmitarbeiterin zur Zielscheibe – und der Bürgermeister wüst beschimpft.
Doch von vorne. 174 statt wie bisher 99 Euro werden die Mulfinger bald für die Kinderbetreuung zahlen müssen. „Wir haben uns da echt Gedanken gemacht“, beschreibt Bürgermeister Sören Döffinger im Gespräch mit den FN. Man werde die Gebühren gestaffelt anheben. Der neue Satz sei außerdem „das Minimum bei anderen Kommunen“, denn man folge damit lediglich den Empfehlungen von Kirchen und Landesverbänden.
Dennoch schien das einige nicht zu besänftigen. Rund zwei Dutzend Hassmails gingen bei Bürgermeister Döffinger ein. Der Christdemokrat veröffentlicht sie teilweise im Amtsblatt der Gemeinde. „Wenn Sie jemals Kinder bekommen, wünschen wir Ihnen nur das Schlechteste“, ist dort ebenso zu lesen wie wüste Beschimpfungen. Und ein unbekannter Täter geht sogar noch einen Schritt weiter. Er beschmierte das Wohnhaus einer langjährigen Rathaus-Mitarbeiterin großflächig mit greller Farbe. „Ein riesiger Farbklecks, der sich über die halbe Hauswand zog, über Fenster und Tür“, so beschreibt es ein Nachbar dem SWR. Die betroffene Frau verantwortet die Gemeindefinanzen der 3.700-Einwohner-Gemeinde und ist damit auch für die Umsetzung der Gebührenerhöhung zuständig.
Der Rathauschef stellt sich im Gespräch schützend vor seine Mitarbeiterin, die sich selbst im Gespräch mit dem SWR „enttäuscht“ über die Attacke zeigt. „Wir sind als Verwaltung zwar Dienstleister für die Bürger, aber ein respektvolles Miteinander ist Pflicht“, mahnt Döffinger. Zumal es sich hier um einen demokratisch gefassten Beschluss des Gemeinderates handle, die Mitarbeiterin hat mit der ursprünglichen Entscheidung also erstmal nichts zu tun.
„Wir sind uns bewusst, dass diese Entscheidung emotional ist und auch zu unterschiedlichen Einschätzungen führen kann. Das ist legitim und Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Oft werden in diesem Zusammenhang allgemeine Lebenshaltungskosten thematisiert – ein sehr berechtigtes Anliegen. Doch viele dieser Rahmenbedingungen, wie etwa die Grundsteuerreform oder Änderungen beim Elterngeld, entziehen sich dem Einfluss der Kommune. Hier stehen wir als Gemeinde im Spannungsfeld übergeordneter Entwicklungen“, wird der junge Verwaltungschef im Amtsblatt der Gemeinde Mulfingen zitiert. Persönliche Anfeindungen, Hassbotschaften oder gar Übergriffe auf das private Umfeld von Mitarbeitern seien in diesem Zusammenhang jedoch nicht hinnehmbar.
Die betroffene Rathausmitarbeiterin beschreibt allgemein einen „raueren“ Ton im alltäglichen Geschäft mit Bürgern. Verbal habe sie schon einiges erlebt. Sören Döffinger erklärt, man sei in der Belegschaft nun wachsamer und falls es in einem Raum zu lauteren Diskussionen komme, würden Kollegen dort Präsenz zeigen, um zu signalisieren, dass man das Verhalten im Blick habe. Kein Mitarbeiter ist alleine mit etwaigen Pöbeleien – so die Botschaft. Anzeigen wollen die Frau und auch die Verwaltung das Verhalten des Farbschmierers und auch der Verfasser von Hassbotschaften nicht. Döffinger belässt es bei einem Appell an „Moral, Erziehung und den gesunden Menschenverstand“. Ansonsten wolle man das Ganze „unter uns regeln“, wie er es formuliert.
Im Gespräch mit den FN bemüht sich Döffinger, das ganze Thema nicht zu sehr zu dramatisieren. „Klar waren wir überrascht, dass es sowas auch hier bei uns gibt. Aber Ausreißer hat man eben überall“, fasst er zusammen. Er wolle den Fokus lieber auf positive Dinge wie das „super Miteinander“ lenken. Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, wie etwa Security im Rathaus, hält er nicht für notwendig. Eine solche Vorkehrung wurde beim Landratsamt des Hohenlohekreises getroffen, nachdem dort wiederholt Scheiben eingeworfen wurden. Und auch anderswo im Hohenlohekreis geht es rabiat zu: In Künzelsau sorgte ein 71-Jähriger im Mai für Schlagzeilen, als er einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes mit einer Rute attackiert hatte. Von einer Zunahme verbaler Attacken wird landes- und bundesweit immer wieder berichtet.
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