Main-Tauber-Kreis. Die Einführung des neuen Zollabkommens zwischen der EU und den USA hat auch erhebliche Auswirkungen auf die hiesige Industrie. Vor allem Maschinenbau-Unternehmen, die quasi das Rückgrat der regionalen Wirtschaft sind, können den neuen Regeln kaum etwas Gutes abgewinnen.
Das seit August geltende Zollabkommen sieht für die meisten EU-Produkte eine klare Linie von 15 Prozent Einfuhrzoll vor. Doch viele Maschinenbauprodukte sind davon ausgenommen und unterliegen stattdessen weiterhin den deutlich höheren US-Strafzöllen, speziell auf Stahl- und Aluminiumanteile, die bis zu 50 Prozent betragen können. Die Liste dieser Produkte wurde zuletzt deutlich ausgeweitet, so dass nach Einschätzung des Branchenverbands VDMA rund 30 Prozent der Maschinenexporte aus der EU betroffen sind – mit schwerwiegenden Folgen für die Unternehmen.
Während die EU-Kommission das Abkommen als Schritt zu mehr Stabilität und Berechenbarkeit im transatlantischen Handel wertet, bezeichnet der VDMA die Pläne als einen „Schlag ins Gesicht“ für den Maschinenbau und fordert dringend Nachverhandlungen. Neben den existenziellen Bedrohungen durch erhöhte Kosten und Wettbewerbsnachteile kritisiert der Verband die starke Unsicherheit, die durch regelmäßige Überprüfungen und Erweiterungen der Zolllisten noch verschärft wird. Die EU müsse sicherstellen, dass Maschinen und ihre Komponenten künftig klar und dauerhaft von sektoralen Strafzöllen ausgenommen werden.
Die Fränkischen Nachrichten fragten bei den regionalen Unternehmen nach den Auswirkungen des umstrittenen Deals und wie sie darauf reagieren. Der Konzern Kurtz Ersa, größter Arbeitgeber in der Wertheimer Region, teilt die Einschätzung des VDMA „voll und ganz“, wie Geschäftsführer Thomas Mühleck mitteilt. Das Zollabkommen sei „kein guter Deal“. „Zölle sind per se schlecht und behindern den freien Markt und Handel“, beklagt Mühleck. Der pauschalierte Satz von 15 Prozent bringe zwar Planungssicherheit. Es sei aber fraglich, ob dies an die Kunden weitergegeben werden könne.
Erhebliche Zusatzbelastung durch Bürokratie
„Die zusätzlichen Sonderzölle auf Stahl, Aluminium und Kupfer bringen allerdings statt Planungssicherheit, wie von der EU-Kommission verkündet, weiterhin Unsicherheit“, stellt Mühleck klar. Dazu komme eine erhebliche Zusatzbelastung durch Bürokratie, „weil wir die Stahl- und Aluminiumzölle sehr aufwändig ermitteln müssen, beispielsweise indem wir Erklärungen zum Ursprung der Stahlschmelze, zur Herkunft der Gussteile und zum Nachweis des Metallgehalts liefern sollen“. Diese Daten lägen nicht vor und müssten separat erhoben werden. „Und das bei 60.000 aktiven Materialien!“, macht er den hohen Aufwand deutlich.
Der Kurtz-Ersa-Chef erwartet „mehr Bürokratie, steigende Preise unserer Produkte und mehr Unsicherheit für uns und unsere Kunden, die notwendige Investvorhaben zurückhalten“. Allerdings rechnet er nur „in geringem Umfang“ mit Umsatzeinbußen und Herausforderungen bei der Kapazitätsauslastung. „Durch unsere weltweite Produktionsstrategie mit Werken in Deutschland, China, USA und Mexiko sind wir in der Lage, unsere Supply Chain zu optimieren“, erklärt er die Lieferkettenstrategie des Unternehmens.
Von den Zöllen seien alle Maschinen betroffen, die Kurtz Ersa herstellt – besonders jene mit einem hohen Metallanteil – wie beispielsweise die Schaumstoff- oder Gießereimaschinen. Die Lieferantenstruktur in Amerika sei insgesamt schwach und unzureichend, so dass man nicht beliebig Vorprodukte für die Fertigung vor Ort bekommen könne. Bereits vor 20 Jahren habe man mit der Gründung der Fabrik in Zhuhai (China) begonnen, die Wertschöpfung umzugestalten. „Neben Zollthemen gibt es für uns viel Wichtigeres: unsere Kunden und unsere Märkte“, so Mühleck. Diesbezüglich werde von den Kunden seit langem die lokale Präsenz gefordert. „Dadurch sind wir bereits sehr gut aufgestellt und können unser globales Netzwerk hervorragend nutzen“, stellt Mühleck klar.
König-MTM-Chef Host König erklärt: „Dieser Eingriff in den freien Handel trifft alle Unternehmen, mittelfristig auch die, die nicht direkt im USA-Geschäft sind. Aber am langen Ende trifft es die Verbraucher in den USA.“ Das EU-USA Zollabkommen werde eine große Belastung für deutsche und europäische Unternehmen darstellen und den Wertheimer Maschinenbauer belasten, heißt es aus dem Unternehmen, das jüngst zum Weltmarktführer gekürt wurde.
Man müsse mit Umsatzeinbußen rechnen. Das werde mittelfristig die Kapazitätsauslastung betreffen, denn es gelte, „das gesamtwirtschaftliche Umfeld, rund um den Maschinenbau, der massiv davon betroffen ist, zu betrachten“. Von den Regelungen seien die Spannwerkzeuge, die man direkt in die USA liefert, betroffen - indirekt auch die Ölhydraulikbauteile für namhafte internationale Kunden, welche die Komponenten in ihre Endprodukte verbauen. Man müsse sich durchaus darüber Gedanken machen, ob mehr Komponenten mit US-Ursprung verwendet oder Teile der Produktion in die USA verlagert werden können. Die Umsetzung sei aber „nicht einfach und verursacht hohe Kosten“. Das Unternehmen könne nicht ausschließen, dass die Ausweitung der Stahl- und Aluminiumzölle dazu beitragen, die internationale Lieferkette und Wertschöpfung zu überdenken – auch wenn dies ein schwieriges Unterfangen sei, so Schmedding.
„Das Zollabkommen schafft die dringend benötigte Planungssicherheit nach monatelanger Ungewissheit“, erklärt Gunther Wobser, Chef des Unternehmens Lauda, das wie berichtet in den kommenden Monaten „behutsam“ den Personalbestand reduzieren wird. „Mit 14 Prozent unseres Gesamtumsatzes ist der nordamerikanische Markt von großer Bedeutung. Die Vereinbarung ermöglicht uns eine bessere Geschäftsplanung, wenn auch die Zollbelastung unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber US-amerikanischen Herstellern beeinträchtigt“, so Wobser.
Lauda: Knapp eine Million Euro Mehrbelastung jährlich
Für das Unternehmen Lauda bedeute die Einigung auf das Abkommen mit den 15 Prozent Standardzöllen eine „Mehrbelastung von knapp einer Million Euro jährlich, die wir zum großen Teil an die Kunden weitergeben“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter. Von den hohen Stahl- und Aluminiumzöllen sei man nicht direkt betroffen, „jedoch entsteht erheblicher administrativer Mehraufwand durch die erforderlichen detaillierten Zolldeklarationen“.
Man sei „bereits seit einigen Monaten“ über eine deutliche Zurückhaltung bei Auftragserteilungen in vielen Ländern weltweit besorgt, da Kunden die Marktentwicklungen sehr schlecht einschätzen können. „Die Zollbelastungen, die wir an die Kunden weiterberechnen, führen zu Wettbewerbsnachteilen und zeitlichen Verschiebungen geplanter Aufträge und Projekte. Wir begegnen den Erschwernissen durch eine erhöhte Flexibilität in der Kapazitätsplanung an unserer Zentrale in Lauda-Königshofen und den weiteren Produktionsstandorten“, erklärt Wobser. „Konkret auf die USA bezogen liegen unsere Umsätze deutlich unter Plan“, stellt er klar.
Grundsätzlich sei von den unterschiedlichen Zollsätzen das komplette Portfolio aus den deutschen Produktionsstandorten Lauda-Königshofen und Burgwedel, dem spanischen Terrassa sowie aus China an die US-Vertriebsgesellschaft Lauda-Brinkmann betroffen. „Die Lieferungen von unserem US-amerikanischen Werk an Lada-Brinkmann sind hingegen außen vor“, erläutert Gunther Wobser.
Mit Lauda-Noah als US-Fertigungsstandort und Lauda-Brinkmann als US-Vertriebsgesellschaft sei man in den Vereinigten Staaten bereits sehr gut aufgestellt, was die Fertigung jenseits des Atlantiks angeht. Ein weiterer Ausbau der US-Produktion aufgrund der Zollbelastung sei derzeit nicht geplant. „Unsere globale Struktur ermöglicht es uns, den nordamerikanischen Markt trotz der Zollbelastungen weiterhin erfolgreich zu bedienen“, stellt Wobser klar. Die Entwicklungen führten dazu, dass man die globalen Lieferketten kontinuierlich überprüfe, um auf weitere Veränderungen reagieren zu können. „Als Familienunternehmen behalten wir alle strategischen Optionen im Blick, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern“, so der Gunther Wobser abschließend.
„Wittenstein ist ein weltweit agierendes Familienunternehmen. Hindernisse für den freien Handel wie etwa Zölle sehen wir grundsätzlich kritisch“, lässt Bertram Hoffmann, der Vorstandsvorsitzende des Igersheimer Spezialisten für Antriebstechnik. „Gleichzeitig bauen wir schon seit Jahren unsere internationalen Wertschöpfungsnetzwerke aus und beschaffen, produzieren und vertreiben, wo es sinnvoll ist, nach dem sogenannten Prinzip ‚Local for Local‘ (lokale Wertschöpfung).“, erläutert Hoffmann. Konkret habe man schon 2022 beschlossen, in die Erweiterung des Standorts Bartlett im US-Bundesstaat Illinois zu investieren. Der Spatenstich für die Erweiterung habe schon 2023 stattgefunden. „Wir denken bei unseren internationalen Investitionen also langfristig“, so Hoffmann. Es gehe vor allem darum für die internationalen Kunden präsent zu sein und auf besondere Anforderungen vor Ort besser eingehen zu können.
Spürbare Preissteigerungen im US-Markt
Als international agierendes Familienunternehmen mit starker Präsenz in den USA beobachte man die Entwicklungen der amerikanischen Zollpolitik mit großer Aufmerksamkeit, heißt es von ebm-papst (Mulfingen). Seit 1980 sei man mit eigenen Standorten in den US-Bundesstaaten Connecticut und Tennessee vertreten und beschäftige dort rund 500 Mitarbeitende. Der US-Markt mache etwa 15 Prozent des Gesamtumsatzes aus und sei besonders in den Bereichen Datacenter, Gebäudeklimatisierung und Kältetechnik von strategischer Bedeutung, so Pressesprecher Hauke Hannig.
Die Verständigung zwischen der EU und den USA sei ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der transatlantischen Beziehungen. „Sie bringt uns zunächst mehr Planungssicherheit – das ist positiv“, erklärt Hannig. Gleichzeitig zeige sich, dass die Vereinbarung in ihrer aktuellen Form für viele Industrieunternehmen, insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau, erhebliche Herausforderungen mit sich bringe.
„Unsere Produkte – darunter insbesondere Radial- und Axialventilatoren – sind direkt betroffen“, so Hannig. Die unterschiedlichen Zölle führten zu spürbaren Preissteigerungen im US-Markt. In welchem Umfang man die Mehrkosten weitergeben könne, werde der Vertrieb individuell mit den Kunden verhandeln.
Die lokale Präsenz in den USA – mit Werken in Farmington (Connecticut) und Johnson City (Tennessee) – helfe dem Unternehmen, flexibel auf geopolitische Entwicklungen zu reagieren. Dennoch seien rund 50 Prozent des US-Umsatzes von Zöllen betroffen. Man begegne ihnen mit einer konsequenten „Local-for-Local-Strategie“.
Neben den Ventilatoren mit hohem Metallanteil, die unter die Stahl- und Aluminiumzölle fallen, seien auch Komponenten, die man derzeit nicht lokal beschaffen könne, betroffen. „Wir bauen unsere Lokalisierung in den USA weiter aus“, so Hanning. Ziel sei es, mit der Strategie, die man seit 2017 in Asien, Europa und den Amerikas umsetze, „die Wertschöpfung regional zu stärken, Transportwege zu verkürzen, nahe am Kunden zu sein und uns unabhängiger von Zöllen und geopolitischen Risiken zu machen“.
Die aktuellen Entwicklungen bestätigten den strategischen Kurs: Man setze auf widerstandsfähige Lieferketten und regionale Wertschöpfung. „Die Ausweitung der Zölle ist ein klarer Impuls, unsere internationale Produktionsstruktur weiter zu diversifizieren und unsere Position in den jeweiligen Märkten zu festigen“, erklärt der Pressesprecher.
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