Neckar-Odenwald-Kreis. Zum „Landrat-Gespräch“ treffen wir uns auf Schloss Zwingenberg. Es schüttet aus Kübeln und aus dem geplanten Foto übers Neckartal wird nichts. Trotz der widrigen Umstände lässt Achim Brötel tief in seine Arbeits- und Gedankenwelten blicken.
Herr Brötel, warum treffen wir uns zum „Landrat-Interview“ auf Schloss Zwingenberg?
Dr. Achim Brötel: Ich liebe dieses Schloss und den Ausblick von hier ins Neckartal. Ich habe eine sehr emotionale Verbindung mit den Schlossfestspielen, auch weil ich von der Musik komme.
Sind Sie an diesem schönen Ort auch auf die Idee gekommen, Landrat zu werden?
Brötel: Nein. Das war bei mir eher ein Zufall. Ich hatte mich nach meinem Studium zunächst in der Justiz sehr wohl gefühlt. Ich habe mich dann aber für den Weg in die Kommunalpolitik entschieden, weil ich gerne nah bei den Menschen bin. Da war Bürgermeister meiner Heimatstadt Buchen genau das Richtige. Ich habe bis dahin nie einen Gedanken an den Posten eines Landrats verschwendet. Dann kam die überraschende Nachricht, dass Detlef Piepenburg nach Heilbronn geht, und ich hatte Anfragen aus dem Kreis. Und im eigenen Landkreis verbietet es sich, nein zu sagen.
Können Sie als Landrat überhaupt so nahe bei den Menschen sein, wie Sie sich das wünschen?
Brötel: Ich gebe zu: Als Bürgermeister ist man näher bei den Menschen. Aber als Landrat bin ich immer noch näher dran als in der Justiz. Ich genieße es, in unserem Kreis unterwegs und dadurch bei den Menschen zu sein.
Sie sagten, dass Sie mit diesem Job Ihre berufliche Erfüllung gefunden haben. Wie äußert sich die?
Brötel: Es ist meine Lebensaufgabe, ja. Die Erfüllung äußert sich darin, dass ich nach meinem Amtsantritt nie mehr einen Gedanken daran verschwendet habe, etwas anderes zu machen – bis heute.
Daten und Fakten zu Dr. Achim Brötel
Geboren: 9. September in Heilbronn.
Schule: Abitur 1982 am Burghardt-Gymnasium Buchen.
Bundeswehr: 1982/83 Grundwehrdienst in Walldürn.
Studium: Rechtswissenschaften in Würzburg und Heidelberg. 1988 erste juristische Staatsprüfung an der Uni Heidelberg, die zweite legte er 1992 in Stuttgart ab.
Promotion: 1990 an der juristischen Fakultät Heidelberg.
Berufliche Stationen als Jurist: Zivilrichter in Tauberbischofsheim, Jugendstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Mosbach. 1993 an das Justizministerium Stuttgart abgeordnet, Seit 1997 Richter auf Lebenszeit.
Bundesgerichtshof: Persönlicher Referent des Präsidenten 1997/98.
Bürgermeister: 1999 bis 2005 seiner Heimatstadt Buchen.
Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises: Erstmals am 17. Juni 2005 gewählt (mit 66,8 Prozent der Stimmen). Am 16. September 2013 wurde er für seine zweite, am 13. September 2021 für seine dritte Amtszeit verpflichtet (43 Ja- von insgesamt 48 Stimmen).
Familie: Er ist verheiratet mit Frau Silvia und hat zwei Kinder, Tochter Sarah und Sohn David. mf
Zeigt sich beim Thema Glasfaserausbau mit am deutlichsten, dass Sie Zukunft gestalten – den Landkreis digitaler und wettbewerbsfähig für die Zukunft zu machen?
Brötel: Die Glasfasertechnik ist ein zentraler Standortfaktor. Wir erleben eine Veränderung in der Arbeitswelt mit mobilem Arbeiten und Homeoffice. Das können wir mit unserer Technik aktuell noch meistern, doch was ist, wenn der 3D-Drucker die Werkbank ersetzt? Irgendwann wird es nicht nur egal sein, von wo aus man Büroarbeit verrichtet, sondern auch, wo der 3D-Drucker steht. Deshalb setze ich bei der Digitalisierung voll auf die Glasfaser. Dazu muss man sehen: Der Ausbau im Neckar-Odenwald-Kreis entsteht aufgrund unserer Zusammenarbeit mit der BBV ohne jeglichen Cent von öffentlichen Geldern. Wir werden der erste Landkreis in Deutschland sein, der bis Ende 2024 komplett mit Glasfaser ausgebaut sein wird.
Aus Ihren Worten hört man einen gewissen Stolz.
Brötel: Ja, das war und ist für uns ein großes Anliegen, das hinzubekommen. Schauen Sie: Wir haben eine Nähe zum Rhein-Neckar-Raum, nach Frankfurt, Stuttgart und Heilbronn. Dort sitzen große Firmen. Und für deren Mitarbeiter ist es doch interessant, hier im schönen Odenwald zu leben, wo die Bauplatzpreise noch erschwinglich sind und man dank Glasfasertechnik gut von zuhause aus arbeiten kann und nicht immer pendeln muss.
Auf welche Leistungen sind Sie noch stolz?
Brötel: Bildung ist mir sehr wichtig. Wir haben sechs berufliche Gymnasien im Kreis. Das gibt es nicht oft in Baden-Württemberg. Aktuell läuft der Neubau des GTO. Gesundheit ist ein weiterer Punkt. Ich bin froh, dass wir die Finanzierung der Neckar-Odenwald-Kliniken aktuell so weit im Griff haben. Doch das wird immer auf Kante genäht sein. Ab 2024 mache ich mir wieder Sorgen. Wir brauchen eine medizinische Versorgung vor Ort. Dafür setze ich mich mit großer Energie ein.
Für Ihre „Krankenhaus-Politik“ wurden Sie auch hart kritisiert. Inwieweit gleichen sich Kritik und Dankbarkeit bei Ihrer Arbeit aus?
Brötel: Es gibt Gott sei Dank beides. Viele Menschen sagen auch danke. Das freut mich. Kritik muss sein, sie tut aber weh, wenn sie persönlich und in der Sache unberechtigt ist.
Wie würden Sie ihren Führungsstil im Landratsamt beschreiben?
Brötel: Ich führe sehr dezentral, bin aber einer, der vieles hinterfragt. Das mache ich deshalb, weil ich für jeden ansprechbar bin. Deshalb möchte ich wissen, was läuft. Das mag im Haus nicht immer beliebt sein.
Wie sehr nervt die Bürokratie?
Brötel: Wir müssen den Schrank von Dingen entrümpeln, die wir nicht mehr brauchen. Da ist die Politik gefordert, da die uns den Schrank voll gehängt hat. Es werden nahezu täglich Dinge erfunden, die nicht mehr umsetzbar sind. Mich belastet, dass die Politik immer mehr in einem Raumschiff durchs All schwebt – mit wenig Funkkontakt zur Erde – und das fraktionsübergreifend. Es findet derzeit eine gefährliche Entfremdung von der Lebenswirklichkeit statt. Das frustriert mich.
Woher nehmen Sie trotzdem die Motivation, den Landkreis jeden Tag voranzubringen?
Brötel: Von den Menschen, denen ich jeden Tag begegne. Mich motivieren die vielen Ehrenamtlichen, Leute, die anpacken.
Was sind Ihre Pläne für die restlichen sechs Jahre Ihrer Amtszeit?
Brötel: Zwei Dinge möchte ich auf jeden Fall noch erreichen: Ich würde gerne die beiden Krankenhäuser in Mosbach und Buchen zukunftsfähig aufstellen. Dazu brauchen wir noch einen neuen Bettentrakt in Buchen. Geschätzte Kosten: 35 Millionen Euro. Fit für die Zukunft möchte ich auch die beiden Verwaltungsstandorte in Mosbach und Buchen machen, weil ich glaube, dass irgendwann noch eine Verwaltungsreform übers Land gehen wird. Da müssen die Standorte Buchen und Mosbach fest im Sattel sitzen. Und sonst wird es nicht langweilig, weil jeder Tag neue Herausforderungen bringt.
Was wünschen Sie sich als Landrat zum 60. Geburtstag?
Brötel: Dass die ländlichen Räume den Stellenwert in der Politik erhalten, den sie auch verdienen.
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