Neckar-Odenwald-Kreis. Die Hochstimmung über das erste deutsche Parlament hatte nur bis in den Sommer 1848 angehalten. Rückschläge folgten, das Ansehen des Parlaments schwand und die Reaktion erstarkte wieder. Die Verkündigung der „Grundrechte des deutschen Volkes“ am 28. Dezember 1848 war schließlich das bedeutendste Werk der Frankfurter Paulskirchenversammlung.
Ein darauf vorgelegter Verfassungsentwurf fand dagegen nicht bei allen „Revolutionären“ Zustimmung. In einem sogar in unserem Raum im Februar 1849 verteilten Flugblatt mit der Überschrift „Hohe deutsche constituirende Versammlung!“, das aus Auerbach vorliegt, wird kritisch angemerkt, „daß die Hoffnungen des Volkes dadurch keineswegs erfüllt und befriedigt werden.
Dem deutschen Volke ist nach der Märzerhebung die seltene Gelegenheit gegeben, sich selbst, nach eigenem freiem Ermessen, die freisinnigste Verfassung zu geben. Die Vertretung des deutschen Volkes zu Frankfurt hat diese Gelegenheit bis jetzt übel benutzt“! Es werden Forderungen nach einem deutschen Bundesstaat, nach einem auf sechs Jahr gewählten Reichsstatthalter, nach einem Einkammersystem und mehr Rechten für das Volkshaus gestellt.
Dass dieses Flugblatt auch in unserem Raum Verbreitung fand, unterstreicht nur, wie stark die demokratische Bewegung vor allem in Baden geworden war. Vereinzelt bestanden einige Volksvereine, wie der in Aglasterhausen und Hardheim, schon 1848. Nun aber entstanden in den ersten Monaten des Jahres 1849 unter Berufung auf die „Grundrechte des deutschen Volkes“ in vielen Gemeinden „Volksvereine“. In Baden gab es schließlich über 500 Volksvereine, in denen über 46 000 Bürger organisiert waren. Erstaunlich ist, dass es im Gebiet unseres Landkreises in 47 von 118 Ortschaften solche Volksvereine gab. Nur im Gebiet der heutigen Gemeinden Elztal, Hüffenhardt, Neckarzimmern und Ravenstein bestanden keine Volksvereine.
Der Zulauf war außerordentlich groß. Mitglieder in kleineren Ortschaften schlossen sich vielfach dem Volksverein im größeren Ort an. So hatte zum Beispiel der Volksverein in Walldürn 424, der in Aglasterhausen 300, der in Buchen 200, die in Hardheim und Obrigheim über 100, der in Haßmersheim 100 Mitglieder – schon vor dem Höhepunkt der Revolution, das heißt, dass wohl weitere Mitglieder hinzugekommen sind.
In den Volksvereinen können wir eine Vorform einer politischen Partei erkennen. Sie hatten eine breite Basis; vor allem Lehrer, Beamte, Geistliche, Ärzte, Apotheker, Kaufleute und Gastwirte engagierten sich an vorderster Stelle; in Adelsheim und Walldürn waren auch Proletarier dabei. Ziel war die politische und soziale Bildung des Volkes. Das Lesen von Zeitungen war damals noch nicht weit verbreitet, in den Volksvereinen wurden sie gelesen, die Artikel diskutiert; man bekam auch Informationen vom Landesausschuss der Volksvereine. Alle Titel waren im Volksverein abgeschafft; man sprach sich mit „Bürger“ an. Die Volksvereine trugen erheblich zur Mobilisierung der Bevölkerung bei, was in der außer-ordentlich großen Beteiligung bei den Volksversammlungen zum Ausdruck kommt: So fanden am 8. und 10. April 1849 in Ballenberg und Hardheim Volksversammlungen mit über 5000 Teilnehmern, am 22. April in Adelsheim mit über 8000 und am 20. Mai in Buchen mit über 10 000 Teilnehmern statt.
Die in den Zeitungen genannten Zahlen mag man bezweifeln, sie könnten durchaus überhöht sein, weil die Redakteure „voll im revolutionären Fahrwasser standen“ und vielleicht etwas übertrieben haben; dies ändert nichts daran, dass es außerordentlich gut besuchte Volksversammlungen waren, und die Revolution von einer breiten Basis in der Bevölkerung getragen wurde.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/region-neckar-odenwald_artikel,-neckar-odenwald-volksvereine-waren-traeger-der-revolution-von-1849-_arid,2175332.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/wallduern.html