Historischer Rückblick

Zeitungslandschaft war in früheren Jahren mehr als bescheiden

Vor 175 Jahren Gründung einer Zeitung im Gebiet des Neckar-Odenwald-Kreises

Von 
Karl Heinz Neser
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Der „Odenwälder Bote“erschein ab 1849. © Karl Heinz Neser

Neckar-Odenwald-Kreis. Vor 175 Jahren gab es ein Novum: die Gründung einer Zeitung im Gebiet des Neckar-Odenwald-Kreises. Verglichen mit dem heutigen Angebot und der Auflage von Zeitungen, Anzeigenblättern und Zeitschriften waren die Presseverhältnisse damals mehr als bescheiden: Auf 40 Millionen Einwohner kamen bis zu Beginn der Revolution von 1848/49 nicht mehr als 100 Zeitungen; davon konnte nur etwa ein Dutzend als Zeitungen ersten Ranges gelten. Der überwiegende Teil waren Anzeigenblätter mit geringem politischen Informationswert.

Dann war die Auflagenhöhe gering, denn nur wenige konnten es sich damals leisten, eine Zeitung zu beziehen; und der Bildungsstand war gering. So brachte es selbst das von Gustav Struwe herausgegebene Mannheimer Journal, eine bedeutende Oppositionszeitung, lediglich auf eine Auflage von 2000 Stück. Wie viel geringer musste dann erst die Auflage von Zeitungen im sogenannten badischen Hinterland sein!

Von der Wertheimer Zeitung wissen wir, dass sie 1813 lediglich eine Auflage von 180 Stück und in der Hochphase der Revolution von 350 Stück hatte! Die Zeitungen erschienen damals auch nicht täglich, sondern zweimal wöchentlich und hatten nur einen Umfang von wenigen Seiten.

Zeitungen von außerhalb

Bei den wenigen Zeitungen damals muss man sich nicht wundern, dass eine eigene Presse in unserem Gebiet spät entstanden ist. Man war noch auf Blätter von außerhalb angewiesen, wie die schon 1772 gegründete Wertheimer Zeitung, die nach mehreren Namensänderungen zwischen 1843 und 1869 als Main- und Tauberbote erschien, sowie das 1803 gegründete „Miltenberger priviligierte Intelligenzblatt“ und der Amorbacher „Bote vom Untermain“. Neckaraufwärts wäre das „Heilbronner Tagblatt“ zu nennen. Von Heidelberg her wirkten in unseren Raum das 1806 gegründete „Heidelberger Wochenblatt“ und insbesondere der seit 1836 erscheinende „Der Bote vom Neckar – ein Wochenblatt für Mosbach und Umgebung“, ab 1845 „Der Neckarbote – ein Wochenblatt“ mit Agenturen in Mosbach, Adelsheim und Eberbach.

Der „Neckarbote“ bringt vor allem amtliche Mitteilungen (Gesetze, obrigkeitliche Verfügungen, Fahndungen, Versteigerungen, Liquidationen, Konkurserklärungen, Verpachtungen, Gerichts-und Polizeianzeigen), informiert über Märkte, Getreide-, Brot- und Fleischpreise, er bringt Romane, Anekdoten, kleine Erzählungen, Rätsel sowie lokale Mitteilungen und Nachrichten aus aller Welt.

Über politische Vorgänge im Ausland – wie die Februarrevolution in Frankreich – wird eingehender berichtet als über Vorgänge im Land und den Gemeinden, weil man damit auch keine Probleme mit der Zensurbehörde bekommt. Vom „Main- und Tauberboten sind mehrere Zensurfälle Anfang der 40er Jahre bekannt, als dieser Regierung wie Behörden kritisiert. Damit setzte sich eine Zeitung allerdings dem wirtschaftlichen Risiko aus, denn sie war vom staatlichen Insertionsprivileg für den entsprechenden Amtsbezirk abhängig.

Wegen der geringen Auflagenhöhe galt dies insbesondere für die ländlichen Lokalzeitungen, denn einen Abonnentenstamm hatten sie dadurch, weil sie von allen Gemeindeämtern wegen der obrigkeitlichen Verfügungen gehalten werden mussten. Der „Neckarbote“ beschrieb dieses Dilemma in der Ausgabe vom 6. April 1848, zu einer Zeit als die Revolution schon fortgeschritten war, recht anschaulich: „Seht der Bote ist ein Mann, der von gar vielen Herren Aufträge anzunehmen hat, und wenn er seinen Weg einmal anders gehen wollte, als der eben seit Jahren breitgetreten war, so fand er gar bald, daß da Jemand stand, der ihm zurief: zurück“!

„Odenwälder Bote“ zum 1.1.1849

Nun aber, mit der Einführung der Pressefreiheit und der Aufhebung der Zensur im März 1848 werden beide Blätter politischer und bewegen sich voll im revolutionären Fahrwasser. Der „Neckarbote“ will nun, so in seiner Ankündigung vom 6. April 1848 „mit allen Kräften der neuen Zeit und ihrer Bewegung (angehören)“. Er berichtete nun auch sehr eingehend über die politischen Vorgänge in Deutschland und im engeren Heimatbereich. Schon im Herbst 1848 erstarkten allerdings die alten Kräfte wieder und nun wurde das Druckmittel Insertionsprivileg wieder angewandt; und wir sehen auch die Auswirkungen auf die beiden Zeitungen in unserem Raum: Dem „Main- und Tauberboten“ wurde Ende 1848 vom Stadt- und Landamt Wertheim der Status des Amtsblatts und das Anzeigenprivileg entzogen.

350 Abonnenten

Doch konnte er überleben, weil er inzwischen im badischen Frankenland schon 350 Abonnenten hatte. Nach Niederschlagung der Revolution entzog sich der Verleger durch Flucht nach Amerika der Verhaftung; sein Vermögen wurde beschlagnahmt. Seine Frau konnte den Zeitungsverlag allerdings bis zu ihrer Übersiedlung in die USA weiterführen, nur passte sich die Zeitung der politischen Restauration an und wurde dann auch wieder Amtsblatt !

Ganz anders verlief die Entwicklung beim „Neckarboten“, denn zum 1. Januar 1849 erwuchs ihm mit der ersten Zeitungsgründung in unserem Raum eine Konkurrenz: Denn nun verlegte der gelernte Buchdrucker Kaspar Müller in Mosbach den „Odenwälder Boten“. Das Blatt fand aber nur wenig Resonanz, so dass es sich schon einen Monat später um das Insertionsprivileg bemühte. Er machte sich dabei das behördliche Unbehagen an dem republikanischen „Neckarboten“ zunutze, denn schon einen Tag nach der Eingabe übertrug der Mosbacher Gemeinderat am 6. Februar 1849 das Insertionsprivileg vom republikanischen Konkurrenzblatt, dem „Neckarboten“, auf den „Odenwälder Boten“. Er war nun Amts- und Verkündigungsblatt für die Gr. Ämter Mosbach, Adelsheim, Eberbach und Buchen; lediglich der Bezirk Walldürn verblieb noch dem „Main- und Tauberboten“.

In einer „Bekanntmachung“ in der eigenen Zeitung sah sich der Odenwälder Bote nun als „Mosbacher Lokalblatt“ . Seine wirtschaftliche Zukunft war damit gesichert, während der ausgeschaltete „Neckarbote“ noch bis Mai 1850 ohne amtliche Anzeigen erschien. Wir haben hier ein Paradebeispiel einer staatlich gelenkten Pressepolitik der damaligen Zeit.

Weitere Zeitungsgründungen

Der „Odenwälder Bote“ gehörte zu den regierungsnahen Blättern. Er musste sich damit bescheiden, statt politischer Meldungen und Artikel „vorzugsweise wieder Erzählungen, Räthsel und Gedichte (zu) liefern“, wie es in einer Anzeige der Redaktion am 16. Juli 1849 heißt. Am 12. Juli 1849 war dem Redakteur nämlich mitgeteilt worden, dass „während der Dauer des Kriegszustands keine politischen Artikel“ aufgenommen werden dürfen. Nachdem die Konkurrenz aus Heidelberg weggefallen war, entwickelte sich die Zeitung, so dass schließlich 1865 der Schwager von Kaspar Müller, Karl Lind, am 27. März 1865 in Buchen den „Buche-ner Anzeiger“ herausbringt; er wird am 1. April 1866 anstelle des „Odenwälder Boten“ Verkündigungsblatt für den Amts- und Amtsgerichtsbezirk Buchen, nach Aufhebung des Amtes Walldürn 1872 weitet er sich weiter aus. Der „Odenwälder Bote“ geht 1874 in den Besitz von Karl Wagner über und firmiert nun bis zu seiner Auflösung 1936 als „Badische Neckarzeitung“ mit dem Untertitel „Odenwälder Bote“ – älteste Zeitung des Bezirks. Gegründet 1849.

Der „Buchener Anzeiger“ erscheint ab 1887 bis zu seiner Auflösung 1934 unter dem Titel „Der Odenwälder“ (Untertitel: „Buchener Anzeiger“). 1867 erhält auch Walldürn mit dem „Odenwälder Anzeiger“ eine eigene Zeitung; sie besteht allerdings nur kurz. Der dann 1873 herausgebrachte „Walldürner Stadt- und Landbote“ hält sich bis 1936.

1875 kommt es in Adelsheim zur Gründung des „Bauländer Boten“, der sich bis 1941 behauptete, so dass nun alle Amtsbezirke eine eigene Zeitung hatten.

Weitere Zeitungen kamen hinzu, als sich in der Zeit des Kulturkampfes der entstandene politische Katholizismus eigene Presseorgane schuf: Nachdem sich der „Walldürner Stadt- und Landbote“ schon 1891 als Zentrumsblatt empfahl, erfolgte 1892 durch Hermann Eiermann die Gründung des „Mosbacher Volksblattes; 1920 des „Buchener Volksblattes; beide Blätter bestanden bis zur Zwangsauflösung 1936 durch die Nationalsozialisten.

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