Förderverein Frauen- und Kinderschutzhaus

Partnergewalt hat deutlich zugenommen

Bei Mitgliederversammlung Bilanz für 2022 gezogen. Durch Interimslösung weniger Plätze verfügbar

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sab
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Die Mitgliederversammlung des Fördervereins Frauen- und Kinderschutzhaus für den Neckar-Odenwald- und den Main-Tauber-Kreis zeigte die Notwendigkeit der Einrichtung. © Ina Fassbender / dpa

Neckar-Odenwald-Kreis. Die Hoffnung, dass man die Bettenzahl des Frauen- und Kinderschutzhauses für den Neckar-Odenwald- und Main-Tauber-Kreis bald wieder erhöhen kann, brennt Ursula Heckmann und ihren Vorstandskolleginnen vom Förderverein des Schutzhauses „auf der Seele“. So stellte die Vorsitzende dieses Thema auch ganz an den Anfang der Mitgliederversammlung in Mosbach im MFV-Sportheim.

Seit man im vergangenen Mai die Renovierung des Frauen- und Kinderschutzhauses in Angriff nahm, musste die Einrichtung auf eine kleine Interimslösung ausweichen. Dort stehen nur drei Plätze für Frauen und fünf für deren Kinder zur Verfügung – statt bisher fünf plus sechs Plätzen. Dabei sollte allein der Neckar-Odenwald-Kreis nach den Vorgaben der Istanbuler Konvention zusammen 14 Plätze anbieten können – einen Platz pro 10 000 Einwohner, so Ursula Heckmann.

„Es wird uns weiter beschäftigen, dass nicht alle Frauen aufgenommen werden können, die aus der heimischen Gewaltsituation herausmüssten. Viele fallen durchs Raster“, bedauerte Heckmann. Auch die andere Hoffnung, dass ein geplantes Gesetz zur Förderung der Frauenschutzhäuser kommt, habe sich nicht erfüllt.

In seinem Grußwort bestätigte Landrat Dr. Achim Brötel, dass es ärgerlich sei, dass bei der Sanierung der Räume „Zeit verplempert“ wurde. Der Vermieter habe jedoch zugesagt, dass die Arbeiten jetzt mit Nachdruck angegangen werden. Er verwies darauf, dass der Krieg in der Ukraine in Gestalt von über 1600 Geflüchteten im Landkreis angekommen sei, eine Situation, mit der man „verdammt allein gelassen“ werde.

Schutz und Zuflucht finden

Umso wichtiger sei es, dass Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt werden, sich nicht allein gelassen fühlen, sondern Schutz und Zuflucht finden. Dass der Neckar-Odenwald-Kreis keine Insel der Glückseligkeit ist, untermauerte Brötel mit Zahlen aus der Kriminalstatistik. Gerade die Partnergewalt habe deutlich zugenommen. „Waren es 2020 noch 135 zur Anzeige gebrachte Fälle, sind es 2021 schon 143 und im Jahr 2022 sogar 153 gewesen“, so Brötel. Das entspreche einer prozentualen Zunahme um zwölf Prozent.

Gerade deshalb sei er froh und dankbar, dass es das Frauen- und Kinderschutzhaus gebe – und das schon seit 29 Jahren. Nicht erst seit der Zeit, sondern bereits in seiner Zeit als Staatsanwalt habe ihn die Gewalt gegen Frauen betroffen gemacht. „Das gibt nicht nur in den Städten, sondern auch hier bei uns, musste ich lernen“, so Brötel. Deshalb sei er früh Mitglied des Fördervereins geworden – „als erster Mann überhaupt“, warf die frühere Frauenbeauftragte Adelheid Knoll an dieser Stelle ein.

Die Auslastung der Einrichtung sei mit 62,1 Prozent im Jahr 2022 nach wie vor hoch, auch wenn es im Vergleich zu 2021 einen leichten Rückgang gibt, so der Landrat weiter. Sein Grußwort beendete er mit einem Dank für die bewundernswerte Arbeit an alle Haupt- und Ehrenamtlichen und wünschte Zuversicht, Tatkraft und das nötige Gottvertrauen.

„Hauptevent“ des vergangenen Jahres sei das Fest zum 30-jährigen Bestehen des Frauen- und Kinderschutzhauses gewesen, so Ursula Heckmann in ihrem Tätigkeitsbericht. Der Abend sei mit informativen und eindrücklichen Vorträgen sowie passender Musik von Elisabeth Sandel ein voller Erfolg gewesen. Er habe durch Bewirtung und Tombola sogar einen kleinen finanziellen Mehrwert erzielt.

Viel Freude habe der Frauen- und Mädchentag im Oktober in Schwarzach gemacht und schon jetzt freut man sich auf die Neuauflage in diesem Jahr am 6. Oktober in Obrigheim. Außerdem sei für den Sommer ein „Weiberabend“ mit Rosi Scherer-Gehrig geplant. Daneben werde man um neue Mitglieder werben und informieren. Das Vorstandsteam sei gut zusammengewachsen und danke für das Vertrauen, schloss die Vorsitzende.

Ebenfalls für dieses Jahr geplant ist eine Wiederauflage der Aktion „Gewalt kommt uns nicht in die Tüte“ in Kooperation mit regionalen Bäckern, wobei der Landrat anregte, diese mit dem „Kurpfälzer Brotmarkt“ am 2. September in Mosbach zu kombinieren, bei dem auch die Rezertifizierung des Landkreises als „Fair-Trade-Landkreis“ geplant sei. Beides passe sehr gut zusammen, so Brötel. Auch den Weißen Ring möchte man ins Boot nehmen.

Zahlen zeigen Notwendigkeit

Die Zahlen, die Hausleiterin Saskia Emmenecker vorlegte, verdeutlichten die Notwendigkeit des Schutzhauses: Im Jahr 2022 wurden 20 Frauen und 26 Kinder aufgenommen. Vier Frauen und fünf Kinder kamen aus dem Neckar-Odenwald-Kreis, drei Frauen und sechs Kinder aus dem Main-Tauber Kreis, alle anderen von außerhalb – wobei aber auch Frauen aus der hiesigen Region ein Schutzhaus in weiterer Ferne ansteuern, um dem Täter zu entkommen. Von den aufgenommenen Frauen sind sechs zum Täter, also zum Partner, zurückgekehrt. Eine Frau musste das Haus wegen Regelverstößen verlassen. 14 Frauen – fast drei Viertel der Betroffenen – wurde der Start in ein eigenes Leben mit eigener Wohnung ermöglicht, freute sich Saskia Emmenecker.

In 84 Fällen wurden die Betroffenen zu alternativen Hilfs- und Beratungsangeboten vermittelt, 168 Gespräche wurden in den Bereichen Nachbetreuung und akuter Konflikt geführt. 20 Ehrenamtliche unterstützen das Frauen- und Kinderschutzhaus.

Kassenwartin Isabella Maier berichtete, dass der Förderverein zum 31. Dezember 2022 301 Mitglieder zählte und stellte die Entwicklung der Vereinsfinanzen vor. Die beiden Kassenprüferinnen Simone Heitz und Gabriele Teichmann hatten schriftlich eine äußerst korrekte und saubere Buchführung bescheinigt, worauf die Entlastung der Kassenwartin und des Vorstands auf Antrag von Achim Brötel einstimmig erfolgte.

Im Rahmen der ebenfalls einhellig beschlossenen Finanzplanung 2023 wurde festgelegt, dass dem Neckar-Odenwald-Kreis als Träger des Frauen- und Kinderschutzhauses für 2023 wie auch im vergangenen Jahr 30 000 Euro überwiesen werden – Geld, das über Aktionen, Spenden und Mitgliedsbeiträgen erwirtschaftet wird. Sobald man wieder die gewohnte Zahl an Betten anbieten könne, soll dieser Betrag auf die bisher üblichen 35 000 Euro steigen. Ziel des Fördervereins ist es, so viel wie möglich zu geben.

Zum Abschluss des offiziellen Teils wurde der 16-minütige beeindruckende Dokumentarfilm „Das Schweigen brechen“ von Heidi und Bernd Umbreit gezeigt. In ruhigen, eindringlichen Bildern gibt das Werk aus dem Jahr 2019 Einblicke in die schwierige Situation der Frauen im Schutzhaus und in die Arbeit der Mitarbeiterinnen.

Den roten Faden bildet das Schicksal einer Frau, die ihren Mann nach wiederholten Gewalttaten verlassen und nach vielen Wochen im Frauenhaus auf eigene Beine kommt.

Aber es gibt auch das andere Bild: Eine Frau, die trotz allem wieder zu ihrem Freund zurück und damit in eine ungewisse Zukunft geht.

Der Film, der aktuell bereits zum Beispiel bei der Ausbildung im „Freiwilligen Sozialen Jahr“ verwendet wird, kann bei der Beauftragten für Chancengleichheit ausgeliehen werden und soll demnächst auch über das Kreismedienzentrum zu beziehen sein. sab

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